Finanzbranche

ESG-Regulierung wird teuer

Wenn es um die Kosten der Regulierung in der Finanzbranche geht, hört man schnell die Klagen der Anbieter und Verbände. Der Aufwand sei drastisch, enorm oder massiv. Die Regulierung sei perfektionistisch, eine Übersteuerung, vor der einem angst und...

ESG-Regulierung wird teuer

Wenn es um die Kosten der Regulierung in der Finanzbranche geht, hört man schnell die Klagen der Anbieter und Verbände. Der Aufwand sei drastisch, enorm oder massiv. Die Regulierung sei perfektionistisch, eine Übersteuerung, vor der einem angst und bange werde. Keine Frage, Prozesse, IT-Systeme, Reporting, Unterlagen, Berichte und vieles mehr anzupassen, kostet Geld. Für die Umsetzung der Wertpapierrichtlinie Mifid II kam die Ruhruniversität Bochum auf eine Summe von bis zu 6 Mrd. Euro, laufende Kosten nicht mitgerechnet. Und jetzt kommt es noch dicker: Die Regulierung zum Thema Nachhaltigkeit ist in der Finanzbranche in vollem Gange und wird die nächsten Jahre die Häuser beschäftigen. Noch ist es zu früh, über die Gesamtkosten der vielen Regulierungsvorhaben zu sprechen. Aber wenn man sich in der Branche umhört, bekommt man einen Eindruck.

Viele Institute befürchten, dass es beim Thema ESG-Nach­haltigkeit eine ähnliche Regulierungswelle geben wird wie bei der Mifid II. Das scheint eher untertrieben. Von Beratungsgesellschaften und aus der Forschung ist ein „höher“ bis „sehr viel höher“ zu hören. Einfach deshalb, weil die Nachhaltigkeitsregulierung das gesamte Geschäft umfasse, nicht nur den Bereich Wertpapiere. Im Rahmen der Umstellung auf Nachhaltigkeit wird dabei ein besonderes Augenmerk auf das Risikomanagement gerichtet. Der größte regulatorische Aufwand im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsregulierung liege hier, sagen Branchenkenner. Der Grund: Die Erwartungen der Zentralbanken und Aufsichtsbehörden seien hoch und zudem gebe es große Unsicherheiten hinsichtlich der Modelle.

Für Ullrich Hartmann von PwC steht fest, dass es zu massiven Änderungen im Risikomanagement kommen werde, weil die Institute neue Methoden brauchen, um ESG-Risiken zu identifizieren und zu quantifizieren. Der Auftrag, ESG in das Risikomanagement zu implementieren, sei allein vergleichbar mit dem Aufwand von der kompletten Mifid-II-Regulierung.

Ein großer Kostenblock ist auch bei der Nachhaltigkeitsregulierung nach gängiger Einschätzung die IT, die angepasst oder neu aufgesetzt werden muss. Es muss dabei in sehr viele IT-Sys­teme eingegriffen werden. Für den IT-Bereich kann aber auf einen Zeitraum von zwei Jahren gerechnet pro Bank für die Offenlegungsverordnung mit dem Änderungsbedarf zu Mifid II schnell ein zweistelliger Millionenbetrag zusammenkommen, schätzt der Bankenverband. Hinzu kommen der Aufwand, ESG-Markt­daten zu beschaffen, sowie interne Projekte zur Implementierung, die sowohl externen Beratungsaufwand beinhalten können als auch intern sehr viele Abteilungen ressourcenmäßig binden. Der letzte Block betrifft die Schulungen.

Gegen die erwarteten Kosten der Taxonomieverordnung und der Erweiterung der Unternehmensberichterstattung (NFRD) um im weitesten Sinne grüne Daten nehmen sich die Kosten der gerade in Kraft getretenen Offenlegungsverordnung wohl eher vergleichsweise bescheiden aus. Besonders die EU-Taxonomie hat es in sich. Der Aufwand der Nachhaltigkeitsregulierung wird deutlich, wenn man sich anschaut, was für Kriterien eine Bank künftig bei einer Finanzierung beachten muss. Bei einem Immobilienkredit ist beispielsweise zu prüfen, wie viel Liter Wasser bei einer Toilettenspülung verbraucht wird. Für jeden einzelnen Kredit braucht eine Bank grundsätzlich die ESG-Daten.

Der hohe Aufwand, den die Umstellung auf Nachhaltigkeit mit sich bringt, ist aber nicht allein den Verordnungen und Richtlinien zuzurechnen. Es gibt in dem Bereich viele Kosten, die streng genommen gar nicht regulierungsgetrieben sind. Um grüner zu werden, müssen Finanzinstitute Kompetenz entwickeln und Know-how aufbauen, mit dem Kunden auf Augenhöhe über Green Finance zu reden.

Keine Frage, die Nachhaltigkeitsregulierung wird teuer. Aber es gibt einen Unterschied zu Mifid II. Da haben die meisten Anbieter nur die Kosten gesehen und der Nutzen, Anlegerschutz und Transparenz, ist im bürokratischen Wust untergegangen. Das ist bei ESG ganz anders. Nachhaltigkeit ist auch eine Frage der Strategie und des Marketings. Die meisten der großen Finanzinstitute haben längst erkannt, dass Nachhaltigkeit ein strategisches Thema ist. Nachhaltigkeit wird ernst genommen. Insofern sind die Kosten der Nachhaltigkeitsregulierung nicht eins zu eins als Belastungen zu bewerten, sondern zahlen ein auf den großen Trend ESG.