Stefan Kuhn

„ETFs sind ein Handelsinstrument“

Während sich Aktien-ETFs immer größerer Beliebtheit erfreuen, halten sich einige hartnäckige Mythen rund um Anleihe-ETFs. Stefan Kuhn von State Street äußert sich zur Frage der Liquidität der Produkte sowie zu den Grenzen im High-Yield-Segment.

„ETFs sind ein Handelsinstrument“

Wolf Brandes.

Selbst 15 Monate nach dem Corona-Crash an den Bondmärkten werden ETF-Anbieter immer wieder mit der Aussage konfrontiert, dass Anleihe-ETFs weniger liquide sind als die zugrunde liegenden Anleihen. Warum hält sich dieser Mythos so hartnäckig?

Als im März 2020 die NAVs der ETFs und deren Börsenkurse auseinanderklafften, war es nachvollziehbar, dass die Kritiker sagen: Da haben wir doch recht gehabt, in einem Abverkauf performen ETFs wirklich schlechter als die Anleihen im Index. Doch dann hat man festgestellt, dass es sich nur um eine zeitliche Verzögerung gehandelt hat. Der Grund dafür liegt darin, dass die meisten Anleihen nicht börsengehandelt werden, sondern es oft nur Bewertungskurse gibt.

Wie haben sich diese Bewertungen entwickelt?

Diese Bewertungskurse sind in der Krise der negativen Performance der ETFs hinterhergelaufen. Nachträglich hat sich gezeigt, dass die Preise der ETFs sehr genau die Preise der Anleihen abgebildet haben, zum Teil jedoch schneller. Das hat auch die BIZ in Basel in einer Studie bestätigt.

Wie kommt man zu den Bewertungen, wenn es keine Börsen­kurse gibt?

Bewertungskurse sind meistens Indikationen verschiedener Handelsplattformen, also Geld- und Briefkurse. Ganz unabhängig davon, ob zu diesen gehandelt wurde oder nicht. Das ist der Best Guess eines Marketmakers. Unsere Fondsmanager müssen für den NAV unserer ETFs berechnen, wo der tatsächliche Kurs der Anleihen liegt. Das stimmt zwar nicht notwendigerweise für jede einzelne Anleihe, aber in der Summe ist es korrekt.

Das klingt nach aktivem Management, wo doch ein ETF einen Index abbilden soll, oder?

Es heißt oft, ETF-Anbieter sind passive Investoren, doch das hören unsere Fondsmanager nicht gerne. Richtig ist das für voll replizierende Fonds insbesondere auf der Aktienseite, etwa bei einem Dax-30-Produkt, das immer alle Teile im Portfolio hat. Vor allem auf der Rentenseite mit sehr breiten Indizes wird nicht immer in alle Anleihen investiert. Das hat zu tun mit Quellensteuern, Handelskosten und Anteilscheinausgaben oder -rückgaben.

Verwerfungen an den Märkten lassen einen ETF-Fondsmanager kalt?

Ganz cool ist da niemand. Aber da wir weltweit einer der größten Renteninvestoren sind, wussten wir in der Krise im Frühjahr 2020 ganz genau, was wir tun mussten. Ein großer Vorteil bei Renten-ETFs ist, dass wir keine großen Blöcke einer einzelnen Anleihe handeln. Große Tickets werden mit Blick auf die Gegenseite, also die Banken, immer schwieriger zu handeln. Da sich ein jeder Handel eines ETF auf viele kleinere Blöcke der Indexbestandteile aufteilt, ist die Liquidität der Anleihen-ETFs größer.

Woher kommt die Kritik daran, dass ETFs die Volatilität ver­stärken?

Es ist nicht richtig, dass ETFs den Trend verstärken, wenn der Markt fällt. Solange wir keine Rückgaben haben, passiert gar nichts. Richtig ist, dass ein ETF ein Handelsinstrument ist. Aber es wird nicht mehr Verkaufsdruck ausgeübt, als wenn jemand einen Future verkauft. Wenn ich in einem Publikumsfonds engagiert bin, agiere ich vielleicht nicht so schnell, wenn der Markt fällt, aber der Effekt bei einem Verkauf wäre der gleiche wie bei einem ETF.

Kritik gibt es auch, weil inzwischen viele Anleihen-ETFs in Nischen tätig sind. Zu Recht?

Das hängt von der Auswahl der Indizes ab. Da wir das Ziel haben, dass unsere ETFs mehrere Milliarden groß werden, schauen wir uns die zugrunde liegenden Indizes genau an. In den allermeisten Fällen halten ETFs nur einen sehr kleinen Teil des Marktes, in dem sie investiert sind.

Hochzinsanleihen sind ein typisches Nischenprodukt. Gibt es da Probleme?

Wenn man bei Hochzinsanleihen die Illiquiditätsprämie abgreifen möchte, dann ist der ETF das falsche In­strument. Der ETF investiert per se in den liquideren Teil des Hochzinsanleihenmarkts.

Das Interview führte