Supranationals

EU-Bonds liegen auf Staatsanleiheniveau

In der vorigen Woche hat die Europäische Kommission als ausführendes Organ der Europäischen Union (EU) die beiden vorerst letzten Tranchen aus dem Sure-Programm emittiert. Bei dem Programm handelt es sich um ein Kurzarbeitergeld auf europäischer...

EU-Bonds liegen auf Staatsanleiheniveau

Von Torben Skopnik*)

In der vorigen Woche hat die Europäische Kommission als ausführendes Organ der Europäischen Union (EU) die beiden vorerst letzten Tranchen aus dem Sure-Programm emittiert. Bei dem Programm handelt es sich um ein Kurzarbeitergeld auf europäischer Ebene mit einem Volumen von bis zu 100 Mrd. Euro, welches noch bis 2022 in Form von Krediten von den Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden kann. Wegen des sozialen Charakters der Maßnahme erstellte die EU eigens hierfür ein Rahmenwerk zur Emission von sozialen Anleihen. Bislang wurde ein Gesamtvolumen von 89,637 Mrd. Euro von den Mitgliedstaaten abgerufen und von der EU emittiert. Der ungerade Nominalwert kommt dadurch zustande, dass die EU ihre Emissionen mit den Mittelabrufen der Programmländer ein Einklang bringen muss. Die Summe der von der EU genehmigten Mittel beläuft sich laut aktueller Investorenpräsentation auf 94,3 Mrd. Euro. Laut Kommission waren dies aber die beiden letzten Tranchen, bevor es mit dem Funding im Rahmen des NGEU Programms in deutlich größerem Volumen weitergeht. Wahrscheinlich waren es auch die letzten Sure-Tranchen für 2021. Im kommenden Jahr könnten je nach Bedarf der Mitgliedstaaten weitere folgen, um die Mittel vollständig auszuschöpfen, bevor das Programm ausläuft.

Hohe Bonität

Vor Beginn des Programms, im Herbst vergangenen Jahres, lag das ausstehende Anleihevolumen der EU noch bei rund 50 Mrd. Euro, inzwischen ist dieses auf fast 150 Mrd. Euro angewachsen. Trotz des gestiegenen Angebots haben sich die Aufschläge in Form von Asset Swap Spreads bis Mitte Januar 2021 immer weiter verringert. Betrachtet man die Preise der Sure-Anleihen wie auch der übrigen EU-Anleihen, so sind diese maßgeblich von zwei Faktoren beeinflusst. Zum einen von der hohen Bonität der EU und zum anderen vom massiven Kaufprogramm der EZB, welches das Angebot an den Anleihen künstlich niedrig hält. Im Frühjahr dieses Jahres hatte die Zentralbank ihr monatliches Kaufvolumen sogar noch erhöht, um dem allgemeinen Renditeanstieg am Markt entgegenzuwirken. Somit bleibt die Nachfrage nach den Anleihen der EU trotz der Angebotsausweitung durch das Sure-Programm hoch. Dennoch fällt eine deutliche Spread-Ausweitung der Sure-Bonds zwischen dem 9. und dem 19. Mai auf. Diese lag zwischen 5,2 und 12,1 Basispunkten, wobei die geringste Ausweitung die Anleihe EU 0 11/04/25 mit der kürzesten Laufzeit betraf. Mit zunehmender Laufzeit stiegen auch die Spread-Ausweitungen, die einzige Ausnahme bildet hier die am längsten laufende Anleihe EU 0,3 11/04/50, die sich zwischen den Laufzeiten bis 2036 und bis 2040 einreihte. Die größte Ausweitung erfuhr also die Anleihe EU 0,45 05/02/46. Konventionelle EU-Anleihen aus den anderen Programmen entwickelten sich im Übrigen analog. Was war passiert und welche künftige Entwicklung ist zu erwarten?

Die Emission der beiden jüngsten Tranchen fiel in eine Marktphase mit hoher Volatilität. Diese wurde durch gestiegene Inflationserwartungen diesseits und jenseits des Atlantiks ausgelöst und führte unter anderem auch zu höheren Renditen an den Bond-Märkten. Die derzeitige politische Stimmungslage scheint bei den Marktteilnehmern zudem die Erwartung zu schüren, dass Haushaltsdisziplin in den Euro-Ländern vorerst nicht so hohe Priorität haben wird. Angesichts der bevorstehenden Wahlen und der Unsicherheiten bzgl. der weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie ist unter Regierungs- und Oppositionsparteien das Propagieren einer sparsamen Haushaltspolitik derzeit wenig opportun. Mit anderen Worten, eine steigende Verschuldung der EU-Mitgliedstaaten wird in Betracht gezogen, was dann wiederum negative Auswirkungen auf die Bonität der EU haben könnte. Zu guter Letzt wurde am Markt spekuliert, ob die EZB nicht schon auf ihrer Sitzung am 10. Juni über eine Kürzung der monatlichen Käufe entscheidet.

Auffällig ist aber auch, dass es sich bei der jüngsten Spread-Ausweitung eher um ein Phänomen innerhalb der EU-Supranationals gehandelt hat, was ein Vergleich der Spread-Entwicklungen der sogenannten E-Namen (EU, EIB, ESM, EFSF) mit zwei anderen europäischen Supranationals seit Jahresbeginn zeigt. Die Entwicklungsbank des Europarates (COE) und die Nordische Investitionsbank (NIB) weisen jedoch einen anderen regionalen Fokus und eine andere Eigentümerstruktur auf. Zum Vergleich haben wir den zuerst fälligen Sure-Bond und Anleihen der anderen Emittenten mit vergleichbarer Laufzeit gewählt. Zunächst fällt auf, dass sich die EU-Anleihe bereits seit Mitte Februar zunehmend verbilligte, was möglicherweise auch mit der sinkenden Knappheit der Anleihen, auch im Hinblick auf die zu erwartenden Emissionen im Rahmen des NGEU Programms, zu erklären sein könnte. Allerdings weisen auch die Spreads der Anleihen von EIB und EFSF seit Februar eine sich ausweitende Tendenz auf. Die ESM-Anleihe lag hingegen mehr oder weniger flach bei einem Spread um –12,5 BP. Die Spreads der Anleihen der COE und der NIB, engten sich seit Jahresbeginn zunächst eher ein, vor allem die NIB-Anleihe verteuerte sich bis zum 10. Mai um gut 5 BP. Die allgemeine Spread-Ausweitung traf auch COE und NIB, allerdings in weit geringerem Umfang von 1,4 BP im Falle der COE und 0,3 BP bei der NIB. Beide Anleihen weisen nun einen fast gleich hohen Spread von rund 11 BP auf. Dadurch änderte sich auch die preisliche Reihenfolge der Anleihen. Die beiden Anleihen, die zu Jahresbeginn noch die günstigsten waren (NIB und COE) sind nun nach dem EIB-Papier die teuersten. Die EU hingegen, die bis Februar auf dem Niveau der EIB lag, verbilligte sich überproportional.

Allerdings setzte Ende voriger Woche bereits eine Gegenbewegung ein, ein vollständiger Rückprall fand aber noch nicht statt. Für die nahe Zukunft bleibt es weiterhin wahrscheinlich, dass Marktteilnehmer die Vorgaben der Notenbanken testen. Auch ein größer als erwartet ausfallender Inflationsanstieg in den USA könnte auch in Europa zu ansteigenden Renditen führen. Die EZB wird perspektivisch das Kaufvolumen wieder reduzieren, ein komplettes Ende ist aber noch nicht in Sicht. Keine Überraschung sollte hingegen das weitere Anschwellen der EU-Emissionen im Rahmen des NGEU-Programms bieten, und der Anlagedruck der Investoren in Anleihen mit höchster Bonität bleibt hoch. Spread-Ausweitungen wie die beschriebene sehen wir derzeit nicht als ein Indiz für Bonitätsprobleme bei der EU. Vielmehr können Investoren solch kurze Phasen günstiger Kurse zum Einstieg oder zur Aufstockung nutzen. Mit dem Sure-Programm konnte die EU aufgrund der großen Volumina sowie der vergleichsweise attraktiven Spreads ggü. den europäischen Benchmarks aus Deutschland und den Niederlanden (bei längeren Laufzeiten) aus dem Stand eine große und bisher stabile Nachfrage generieren. Anleihe-Emissionen von mehreren Milliarden Euro stellen offensichtlich kein Problem für die EU als supranationalen Emittenten dar. Wir sehen keinen Grund, warum die Erfolgsgeschichte nicht weitergehen sollte.

*) Torben Skopnik ist Senior Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.