Im GesprächAdam Farkas

„Europa leidet unter der Fragmentierung“

Der AFME-Chef über die große Zahl an Handelsplätzen, Verwahrstellen und Clearinghäusern in Europa – und die Vorteile einer Konsolidierung.

„Europa leidet unter der Fragmentierung“

Im Gespräch: Adam Farkas

„Europa leidet unter der Fragmentierung“

Chef der europäischen Finanzmarktlobby AFME wirbt für Konsolidierung der Marktinfrastrukturen

Die Konsolidierung von Marktinfrastrukturen in Europa – von Notierung und Handel bis zu den Nachhandelsdienstleistungen – wäre nach Überzeugung von Adam Farkas hilfreich, um den europäischen Kapitalmarkt voranzubringen. „Die Zahl der Handelsplätze, der Zentralverwahrer, der zentralen Gegenparteien, der Clearinghäuser ist groß“, sagt der Vorstandschef der Finanzmarktlobby AFME (Association for Financial Markets in Europe) im Gespräch mit der Börsen-Zeitung und zieht daraus die Schlussfolgerung: „Europa leidet unter der Fragmentierung.“ Das zu ändern, wäre seiner Ansicht nach extrem attraktiv. „Denn wer sich in Kopenhagen notieren lassen würde, wäre sofort im Pool investierbarer Assets in Europa.“ Dies würde wiederum die Liquidität vergrößern.

Denn wer sich in Kopenhagen notieren lassen würde, wäre sofort im Pool investierbarer Assets in Europa.

Die nationalen Gesetzgeber sollten die Konsolidierung nicht bremsen, fordert Farkas. Sie sollten Prozessen nicht im Wege stehen, die zu einer stärkeren Konsolidierung von Marktinfrastrukturen führen. Oft gebe es eine Sorge, dass Konsolidierung mit einem Verlust von Geschäft im eigenen Land einhergeht. Dem hält der AFME-Chef entgegen: „Von Konsolidierung können alle Beteiligten profitieren.“

Voneinander lernen wäre hilfreich

Farkas veranschaulicht seine Position anhand eines Beispiels: Niemand bezweifele den Nutzen eines einheitlichen Datentickers. Trotzdem gebe es jede Menge Vorbehalte nationaler Regierungen in der EU, dass ein solches Consolidated Tape zur Konzentration von Listing und Trading führen würde. Persönlich sei er überzeugt, dass es sogar für kleine Mitgliedstaaten von Vorteil wäre, ein Teil des großen Pools zu sein, weil es den Zugang zu einem riesigen Liquiditätspool eröffnen würde. Dabei gehe es nicht darum, einfach zu kopieren, „was der Nachbar etwa in den Niederlanden oder in Schweden macht“. Trotzdem sollten die EU-Staaten voneinander lernen und sich an den Erfahrungen der anderen orientieren, um zu einer paneuropäischen Lösung zu kommen.

Zweite Regulatorenebene stärken

Ob eine Europäisierung der Aufsicht über Marktinfrastrukturen zur Attraktivität der europäischen Kapitalmärkte beitragen könnte, sieht Farkas mit einiger Skepsis. Er hält es nicht für hilfreich, „alles auf oberster EU-Ebene im letzten Detail vorzugeben“. Stattdessen sollten mehr technische Festlegungen an die zweite Regulatorenebene wie zum Beispiel EBA oder ESMA oder BaFin überwiesen werden. Welche, wäre im Einzelfall zu überlegen.

Geld wird zumeist national angelegt. Das macht den Vorteil einer breiten Risikostreuung zunichte.

Der Manager verweist wie zahlreiche andere Kapitalmarktexperten auch auf die in Europa vorherrschende Allokation der finanziellen Ersparnisse der Bürger vor allem auf Sparbüchern oder in Lebensversicherungsverträgen. Diese Ersparnisse sind in anderen Volkswirtschaften stärker in Kapitalmarktprodukten investiert, wie die AFME auch in ihrem jüngsten Bericht zu Schlüsselindikatoren des Kapitalmarkts in der Gemeinschaft hervorgehoben hatte. Daher hätten Unternehmen in Europa mehr Schwierigkeiten, an Risikokapital zu gelangen, „um Innovationen in ihre Geschäftsmodelle zu übersetzen oder Geschäfte zu skalieren“. Neben entscheidenden Unterschieden in den Pensionssystemen, wo in den USA etwa „mit dem 401k eine steuerlich begünstigte Kapitalmarktkomponente“ in der Altersvorsorge vorhanden sei, sei der „Mangel an Marktintegration“ ein weiterer Nachteil in Europa. „Geld wird zumeist national angelegt“, so Farkas. „Das macht den Vorteil einer breiten Risikostreuung zunichte.“

Nationale Kleinteiligkeit

Marktintegration beziehe sich derweil nicht nur auf Produkte, betont der AFME-Chef. „Wenn heute ein Unternehmen Aktien begibt, tut es das unter nationalem Recht, und wenn es sich an einer Börse notiert, dann ist das eine nationale Börse. Ein Investor, der den amerikanischen Markt ins Portfolio nehmen möchte, kann das zu geringen Kosten tun. Wer dasselbe in Europa anstrebt, also wer den europäischen Markt kaufen möchte, für den wird dies viel aufwendiger.“

Auch bei Krediten hat eine Vertiefung des Kapitalmarkts noch nicht die Fortschritte erzielt, die wünschenswert wären. „Die Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes könnte ein Quick Win sein“, erklärt Farkas. Damit würde eine Brücke zwischen Bankkrediten und Kapitalmarkt geschlagen. Erforderlich seien „kleinere Anpassungen“ des Aufsichtsrahmens für Banken und Versicherungen. Das Liquiditätsmanagement der Banken müsse angepasst und die Due Diligence vereinfacht werden. Nicht zuletzt brauche es „eine Vereinfachung der Kriterien für simple, transparente und standardisierte Transaktionen, also für STS. Diese Reform könnte relativ schnell umgesetzt werden.“

Eine Konsolidierung der Marktinfrastrukturen wäre aus Sicht von AFME-Chef Adam Farkas zielführend, um in Richtung Kapitalmarktunion voranzukommen. Auf diese Weise könnte die Liquidität viel stärker gebündelt werden, Europa wäre deutlich attraktiver für Investoren.

Von Detlef Fechtner und Heidi Rohde, Frankfurt
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