Immobilienentwickler schockt die Märkte

Evergrande vergiftet Chinas Börsenklima

Turbulenzen im Immobiliensektor mit neuen Schocknachrichten zu Evergrande bringen China-Anleger weiter aus dem Tritt. Es gibt aber noch schwache Hoffnungswerte für eine Herbstrally ab Oktobermitte.

Evergrande vergiftet Chinas Börsenklima

Evergrande schockt erneut

Immobiliensektor hält Anleger in Aufruhr – Latente Konjunkturerholung macht Hoffnung

Turbulenzen im Immobiliensektor mit neuen Schocknachrichten zu Evergrande bringen China-Anleger weiter aus dem Tritt. Es gibt aber noch schwache Hoffnungswerte für eine Herbstrally ab Oktobermitte.

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Trotz jüngster konjunktureller Hoffnungsfunken ist es Chinas Aktienanlegern nicht vergönnt mit etwas mehr Gelassenheit in die nun feiertagsbedingt anstehende längere Marktpause zu gehen. Schuld daran ist die turbulente Situation im Immobiliensektor mit einer weiteren Zuspitzung der Verschuldungskrise chinesischer Immobilienentwickler, allen voran Evergrande Group.

In den letzten Tagen haben sich die Ereignisse bei Evergrande förmlich überschlagen. Der im Epizentrum der Verschul­dungskrise stehende Immo­bilienen­twickler hat die Hoffnungen auf ein einigermaßen geordnetes Restrukturierungs- und Umschuldungsverfahren mit einer Serie von dürftig oder gar nicht begründeten Ankündigungen zunichtegemacht. Der Sanierungsplan wurde gekippt, was die Verhandlungen zur Umschuldung von nicht bedienten Offshore-Bonds im Umfang von fast 32 Mrd. Dollar torpediert. Die Wertpapieraufsicht versagt der Evergrande-Kerneinheit Hengda Real Estate die Begebung neuer Schuldtitel, womit die Refinanzierungsperspektiven erst recht kompromittiert werden.

Notierung wieder ausgesetzt

Zur Wochenmitte kam die Nachricht hinzu, dass sich Evergrandes Gründer und Chef Hui Ka Yan und weitere frühere Spitzenmanager in Polizeigewahrsam befinden. Letzteres hat massive Konsequenzen. Am Donnerstag wurde die Aktie der Evergrande Group sowie die der ebenfalls in Hongkong notierten Töchter Evergrande Property Services und Evergrande New Energy Vehicles nur wenige Wochen nach ihrer Rückkehr in den Handel erneut ausgesetzt. Seitens Evergrande erfolgte keine Begründung für den Schritt, aber der Zusammenhang mit der Quasi-Inhaftierung des Konzerngründers ist offensichtlich.

Man kann daraus zwar noch nicht schließen, dass Evergrande zwangsläufig auf ein Konkursverfahren mit Liquidation zueilt. Es gibt aber wenig Chancen für den Erhalt der Aktiengesellschaft mit Hui Ka Yan im Sattel. Für Aktionäre, die sich mit der im August nach 18-monatigem Moratorium als Penny Stock in den Handel zurückgekehrten Evergrande-Aktien ein spekulatives Spielchen geleistet habe, eine denkbar schlechte Nachricht. Dies mahnt auch zur Vorsicht mit Wetten auf andere Immobilienfirmen, die in vergleichbaren Schwierigkeiten wie Evergrande stecken und ihre Bonds nicht bedienen können.

Chinesische Immobilienentwickleraktien sind im Wochenverlauf noch tiefer in den Keller geschickt worden Ein entsprechender Sektorindex von Bloomberg liegt nun auf dem niedrigsten Stand seit zwölf Jahren. Aber auch das breitere Marktsentiment leidet beträchtlich. Dass sieht man alleine daran, dass die gewaltige „Wiederöffnungsrally“ chinesischer Aktien nach Bekanntwerden der Pekinger Abkehr von der Null-Covid-Politik wieder verfrühstückt worden ist.

Am Donnerstag gab der Hongkonger Blue-Chip-Index Hang Seng weitere 1,4% auf 17.373 Punkte ab und befindet damit auf dem Niveau vom Dezemberbeginn, als die Regierung die anstehende Lockerung von Corona-Restriktionen signalisierte. Danach war dem Hang Index ein steiler Aufstieg vergönnt, der allerdings nur bis zum Januarende reichte, weil sich die Hoffnungen auf eine nachhaltigere Erholung der Wirtschaft von der Null-Covid-Misere und damit auch ein Wiederanknüpfen an vor der Pandemie gewohnte Wachstumsraten als trügerisch erwiesen.

An der Hongkonger Börse ist das Jahreshoch von Ende Januar bei 22.700 Punkten mit einem Abstand von 24% nun wieder so weit entfernt, dass getrost von einem Bärenmarkt gesprochen werden darf. Ähnlich sieht es beim MSCI China Index als Benchmark für die internationalen Investoren breit zugänglichen China-Aktien aus. Hier ging die Reise im Januar auf ein 52-Wochenhoch bei 75 Punkten, das nun in weiter Ferne scheint. Vielmehr haben die unsicheren Konjunkturperspektiven in Verbindung mit dem Immobilientrubel und einer prononcierten Schwäche des Yuan gegenüber dem Dollar den MSCI China zur Wochenmitte auf ein Jahrestief bei 57 Punkten gedrückt.

Konjunkturtal durchschritten?  

Wie kann es weitergehen? Einerseits gibt es Anzeichen dafür, dass Wirtschaftsleistungsdaten auf Ebene von Industrieproduktion, Konsum und Außenhandel aus einem im Juli erreichten Tiefpunkt langsam wieder herausfinden. Aus dem Gröbsten heraus zu sein, bedeutet allerdings nicht, dass ein zügiger Aufschwung ansteht, der das schwer angeknackste Investorenvertrauen wieder glattzieht. Man kann beim besten Willen noch nicht absehen, ob die von Peking inszenierten Versuche, den Wohnimmobilienmarkt in den führenden Großstädten wieder stärker anzuregen, Erfolg haben werden. Die ungelöste Problematik bei den Bauträgern droht nämlich die Wohnungskäufer in spe weiter abzuschrecken und die Wohnimmobilienpreise zu drücken.

Angesichts der Feiertagspause, die an den Festlandbörsen und im Schanghaier Devisenhandel bis zum 9. Oktober reicht, dürfte sich auch das Marktgeschehen in Hongkong eher richtungslos erweisen. Neue Orientierung wird man zur Oktobermitte mit Daten zu Chinas Wachstum im dritten Quartal erhalten. Es gibt reichlich Marktstimmen, die dies als Anknüpfungspunkt für eine Herbstrally sehen.

Von Norbert Hellmann, Schanghai
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