EZB-Sitzung sorgt für volatile Bankenspreads
Von Oliver Piquardt*)
Auf der Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am 3. Februar 2022 wurden keine neuen geldpolitischen Beschlüsse gefasst. Dennoch löste das Treffen im Nachgang heftige Bewegungen an den Kapitalmärkten aus. Dass EZB-Präsidentin Christine Lagarde angesichts der hohen Inflation in der Eurozone Zinsanhebungen im laufenden Jahr nicht erneut explizit ausschließen wollte, sorgte dafür, dass am Markt bereits erste Zinsanhebungen im Sommer eingepreist wurden. Die zehnjährige Bundrendite, die noch am 17. Dezember 2021 bei –0,38% notierte und Mitte Januar bereits erstmals seit dem 7. Mai 2020 wieder knapp in den positiven Bereich stieg, schoss auf 0,30% in die Höhe. In dem Umfeld haben sich auch die Credit Spreads von Banken äußerst volatil entwickelt. In einer ersten Reaktion legte der Asset Swap Spread (ASW) des iBoxx Banks Senior, der das Jahr 2021 noch bei +48 Basispunkten (BP) beendet hatte, von +55 BP vor der Sitzung bis auf +71 BP am 7. Februar zu. In den folgenden drei Tagen engte er sich dann wieder auf +60 BP ein. Doch was waren die Gründe für die heftigen Spread-Bewegungen?
Wirft man zunächst einen Blick auf die verschiedenen iBoxx-Banks-Indizes, könnten die Ausweitungen für eine Risk-off-Bewegung sprechen. Analog zum Risikogehalt haben sich die Spreads vom Jahresanfang bis zum 7. Februar unterschiedlich stark ausgeweitet, angeführt vom Index für Nachranganleihen (+42 BP), gefolgt von jenem für Senior-Non-Preferred-Anleihen (+26 BP) und schließlich dem Index für Senior-Preferred-Anleihen (+15 BP). Auch ein Blick auf die Länderindizes des iBoxx Banks Senior deutet in die Richtung einer klassischen Risk-off-Bewegung: Die Indizes der traditionell als stabiler wahrgenommenen Banken aus Norwegen, Dänemark, Schweden und Finnland haben sich mit Ausweitungen zwischen 8 und 14 BP deutlich besser als der Gesamtmarkt entwickelt. Dagegen verzeichnete der Index für Italiens Banken, die vermeintlich das schwächste Bonitätsprofil aufweisen, mit 28 BP die größte Spread-Ausweitung.
Interessante Entwicklung
Allerdings verdeckt der ausschließliche Blick auf die Entwicklung der diversen iBoxx-Banks-Indizes eine interessante Entwicklung, die einen Teil der unterschiedlichen Spread-Entwicklung erklärt. So haben sich die Spread-Ausweitungen seit Beginn des Jahres nicht gleichmäßig auf alle Laufzeitenbänder verteilt. Stattdessen haben sich die Credit-Kurven deutlich versteilert. Senior-Preferred-Anleihen mit Laufzeiten von zwei bis drei Jahren haben lediglich Spread-Ausweitungen von durchschnittlich 4 BP hinnehmen müssen, während es bei Laufzeiten ab sechs Jahren mehr als 20 BP waren. Acht- bis neunjährige Papiere verloren sogar im Durchschnitt fast 30 BP. Ähnlich sah es bei den Senior-Non-Preferred-Anleihen aus: Kurze Laufzeiten verzeichneten vergleichsweise geringe Spread-Ausweitungen, Laufzeiten ab sechs Jahren dagegen Spread-Anstiege um 30 BP. Die deutlich niedrigere Duration des Senior Preferred Index erklärt somit rund 40% der geringeren Spread-Ausweitung im Vergleich zum Senior Non-Preferred Index. Ähnlich sieht es bei den Länderindizes aus. Die vergleichsweise stabilen Spreads bei den Indizes für die nordischen Länder verdanken diese auch zu einem Teil der geringeren Duration. So weisen die Indizes für Dänemark und Norwegen die mit Abstand niedrigste Duration auf. Umgekehrt liegen die vergleichsweise starken Spread-Ausweitungen bei den Indizes für Japan, die Schweiz oder Frankreich zu einem großen Teil an deren hoher Duration. Interessant ist auch die Spread-Bewegung seit dem 8. Februar. Der Banks Senior Index hat in dieser Zeit einen Teil seiner Spread-Verluste seit Jahresanfang wieder wettgemacht. Dabei haben sich die Credit-Kurven aber nicht wieder abgeflacht. Die Einengungsbewegung hat sich vielmehr relativ gleichmäßig über alle Laufzeitenbänder verteilt.
Kein großer Verkaufsdruck
Wie ist diese Entwicklung zu erklären? Zuallererst ist festzuhalten, dass die Spread-Ausweitungen ohne einen großen Verkaufsdruck stattgefunden haben. Zwar waren Kunden grundsätzlich daran interessiert, eher lange Laufzeiten abzugeben und in kurze Laufzeiten zu gehen. Ein Großteil der Spread-Bewegungen ist aber auf die Anpassung der Schirmpreise der Händler zurückzuführen. Die seit der Finanzkrise deutlich verkleinerten Handelsbücher führen dazu, dass Bankhändler weniger stark in der Lage und interessiert sind, bei größeren Bewegungen an den Märkten die Gegenposition einzunehmen.
Der starke Spread-Anstieg gerade am langen Ende liegt daran, dass sich die Credit-Kurven in den vergangenen Jahren durch die Käufe der Notenbanken und das generelle Niedrigzinsumfeld ab den mittleren Laufzeiten sehr stark abgeflacht haben. Die Suche nach Rendite hat Investoren veranlasst, immer stärker am längeren Ende zu investieren. Der nun anstehende Ausstieg der Notenbanken aus den Ankaufprogrammen und die bevorstehenden Leitzinsanhebungen haben die Zinskurve und damit auch die Renditen über alle Laufzeiten ansteigen lassen. Damit sinkt der Druck, am langen Ende investieren zu müssen, bzw. steigt die Sorge, hier infolge einer geringeren Nachfrage weitere Verluste erleiden zu müssen. Steilere Credit-Kurven sind insofern ein Zeichen, dass die Verzerrungen der Vergangenheit ein Stück weit bereinigt werden.
Mehr Angebot?
Dass die Spreads von Bankanleihen sogar stärker als jene von Unternehmensanleihen mit Spread-Ausweitungen reagiert haben, obwohl unbesicherte Bankanleihen nicht von der EZB gekauft werden dürfen, könnte noch einen weiteren Grund haben. Präsidentin Lagarde hat sich auf der EZB-Pressekonferenz sehr zurückhaltend zum Thema neue Langfristtender (TLTRO) geäußert. Sollten keine neuen Tender zu attraktiven Konditionen angeboten werden, könnte dies dazu führen, dass Banken den Kapitalmarkt stärker als bislang erwartet über Neuemissionen in Anspruch nehmen. Eine geringere Nachfrage nach langen Laufzeiten könnte somit auf ein steigendes Angebot an Bankanleihen treffen.
Fundamental sind die Spread-Ausweitungen bei unbesicherten Bankanleihen hingegen kaum zu begründen. Auch wenn das Auslaufen der günstigen Sonderzinsperiode bei TLTRO III im Juni das Nettozinsergebnis insbesondere von Banken aus Italien und Spanien, die große Volumina aufgenommen haben, etwas reduzieren wird, dürften Banken aus Kerneuropa, die über hohe Einlagen bei der EZB verfügen, von der erwarteten Anhebung des Einlagensatzes profitieren. Darüber hinaus stehen die Banken im Hinblick auf Eigenkapitalausstattung und Kreditqualität sehr gut da. Insofern rechnen wir nicht damit, dass wir in den nächsten zwölf Monaten größere Spread-Ausweitungen sehen. Dennoch dürfte die Einstellung der Nettokäufe durch die EZB die Credit-Segmente belasten und der ASW des iBoxx Banks Senior auf Jahressicht ein Niveau von ca. 70 BP erreichen.
*) Oliver Piquardt ist Leiter des Credit Research Financials & Structured Credits bei der DZ Bank.