Fresenius befindet sich in rauer See
Von Timo Kürschner*)
Aufgrund des defensiven Charakters des Healthcare iBoxx Euro Corporates Index bzw. der darin enthaltenen Unternehmensanleihen fällt die Spreadausweitung in Krisenzeiten verglichen mit der des iBoxx EUR Non-Financials meist geringer aus. Nach dem bisherigen Höhepunkt der Ausweitung im März und April 2020 haben sich die Spreads der Subindizes eingeengt, und der Healthcare-Index pendelt seit rund einem Jahr um die Marke von 60 Basispunkten (BP).
Fresenius ist eigentlich ein breit diversifizierter Gesundheitskonzern, der Krisen gut wegstecken kann und ein hohes Vertrauen bei Investoren genießt. Nichtsdestotrotz hat die Corona-Pandemie den Konzern im Vergleich zu anderen Unternehmen aus dem Healthcare iBoxx Euro Corporates Index schwerer getroffen. Fresenius ist im Index mit einer aktuellen Gewichtung von 6,4% – inklusive der von Fresenius Medical Care (FMC) begebenen Anleihen – ein wichtiges Mitglied. Aufgrund des Omikron-Marktschocks haben sich die Spreads jüngst etwas ausgeweitet.
Die Pandemie und ihre Auswirkungen waren für Fresenius in den vergangenen zwei Geschäftsjahren das beherrschende Thema. Vor allem die börsennotierte Dialysetochter FMC kam im Zuge der Krise unter die Räder, da Dialysepatienten besonders gefährdet sind, schwere Covid-19-Verläufe zu entwickeln, und in der Folge häufiger verstarben. FMC verlor dadurch bis Ende des dritten Quartals 2021 rund 18200 Patienten. Aufgrund der Übersterblichkeit von Dialysepatienten musste Fresenius auch seine für dieses Jahr avisierten Ziele bereits im Februar zurücknehmen.
Scharfe Sparprogramme
Normalerweise stellt eine kriselnde Sparte in einem gut diversifizierten Konzern kein allzu großes Problem dar. Unglücklicherweise wurde aber auch die Krankenhaussparte Helios, der mit Abstand größte private Krankenhausbetreiber in Deutschland und Spanien, von der Coronakrise stark in Mitleidenschaft gezogen, ebenso wie die dritte Sparte, der Krankenhausdienstleister Vamed. Um den Herausforderungen zu begegnen und seine mittelfristigen Wachstumsziele zu erreichen, hat der Konzern ein Programm zur Steigerung der Effizienz und Profitabilität aufgelegt. Bis 2023 will Fresenius mehr als 100 Mill. Euro nach Steuern einsparen, mit Potenzial für weitere Einsparungen.
Das schärfste Sparprogramm legt dabei die Sparte FMC auf. Durch „FME25“ soll die jährlichen Kostenbasis nachhaltig um 500 Mill. Euro sinken, dazu werden unter anderem die Organisationsstruktur vereinfacht und Geschäftsmodelle standardisiert. Dafür sind Investitionen von 450 bis 500 Mill. Euro geplant. Außerdem werden 5000 Arbeitsplätze abgebaut. Für FMC dürften sich die Maßnahmen mit Nettoeinsparungen ab dem Jahr 2023 beginnend auszahlen. Die Restrukturierung verursacht jetzt erst einmal Kosten – weshalb das kommende Jahr kein einfaches für den Konzern werden dürfte –, sie hilft jedoch, die mittelfristigen Wachstumsziele zu erreichen. Zwischen 2020 und 2023 soll der Umsatz laut Prognose mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 4% bis 7% bzw. der Nettogewinn mit 5% bis 9% wachsen.
Der Konzern hat eine ausgewogene Finanzierungsstruktur und nutzt die ganze Bandbreite an Finanzierungsmöglichkeiten. Fresenius finanziert sich sowohl eigenständig als auch über seine börsennotierte Tochter FMC. Inklusive dieser lag die Bruttoverschuldung zum 30. September 2021 bei 27,2 Mrd. Euro und damit im Vergleich zum Vorjahr auf nahezu unverändertem Niveau. Durch Anleihen werden im Augenblick circa 56% der Finanzverschuldung abgedeckt. Fresenius selbst hat Bonds im Wert von rund 8,3 Mrd. Euro ausstehen. FMC hat seinerseits zusätzliche Bonds in Höhe von rund 7,0 Mrd. Euro begeben. Darüber hinaus nutzt das Unternehmen Schuldscheindarlehen, Wandelschuldverschreibungen, Geldmarktpapiere (Commercial Paper) sowie operatives Leasing zur Refinanzierung.
Fälligkeiten breit gestreut
Das Fälligkeitenprofil des Konzerns ist breit gestreut und relativ ausgeglichen. Die längste derzeit ausstehende Anleihe steht im Jahre 2033 zur Rückzahlung an. Anleihefälligkeiten für 2021 gibt es keine mehr. In den kommenden fünf Jahren werden jährlich durchschnittlich etwa 1,5 Mrd. Euro des ausstehenden Anleihevolumens zur Rückzahlung fällig. Die durchschnittliche Laufzeit aller Bonds liegt bei 4,6 Jahren und sie bieten aktuell Renditen zwischen 0% und 1,1%. Inzwischen hat sich der Konzern mit seiner Verschuldung langfristiger aufgestellt. Am langen Ende zwischen 2031 und 2033 werden ausstehende Anleihen mit einem Volumen von rund 2,9 Mrd. Euro fällig.
Zum Ende des dritten Quartals lag die Nettoverschuldung des Konzerns bei 24,8 Mrd. Euro. Davon sind 13,3 Mrd. Euro Fresenius direkt zuzurechnen, die restliche Verschuldung liegt bei FMC. Die Finanzrelation Net Debt/Ebitda nach Unternehmensdefinition lag bei 3,55x (31. Dez. 2020: 3,44x). Damit liegt der Wert trotz einer Verbesserung gegenüber dem zweiten Quartal weiter außerhalb des angestrebten Korridors von 3,0x bis 3,5x. Auch für den Jahresabschluss erwartet Fresenius nicht mehr, innerhalb des Korridors zu landen, da sich Zahlungseingänge verschieben und FMC einen geringen Beitrag zum Ebitda leisten wird.
Aufgrund des stabilen Geschäftsmodells und guter Wachstumsperspektiven halten alle Ratingagenturen an ihren stabilen Ausblicken fest. Die Spreads der meisten kurz- bis mittelfristig fälligen Anleihen notieren derzeit unterhalb der „BBB“-Marktkurve. Im Vergleich zum aktuellen Composite-Rating („BBB–“) sind sie damit relativ teuer bzw. bieten eine niedrigere Verzinsung, als angemessen wäre.
Die Spreads der Anleihen, die nach 2027 fällig werden, liegen dagegen näher an der „BBB–“-Marktkurve, die dem Composite-Rating entspricht. Am interessantesten erscheint im Augenblick der Bond 10/2031, der einen Spread von 94 BP aufweist. Allerdings ist dieser damit auch nicht günstig. Zum Vergleich: Der Spread eines als Indikation für das Marktrisiko dienenden Credit Default Swap mit einer Laufzeit von lediglich fünf Jahren liegt aktuell bei 66 BP.
Schaut man auf die Spreadverläufe einzelner Bonds, so haben sich diese seit ihrem Hoch im März 2020 wieder deutlich eingeengt und erreichten Anfang November einen Tiefpunkt, der sogar noch deutlich unterhalb des Vorkrisenniveaus lag. Seither haben sie sich wieder ausgeweitet. Traditionell begibt Fresenius viele seiner Anleihen in einer Tausenderstückelung, das macht sie auch für Privatanleger interessant. Aufgrund des breiteren Interesses führt dies häufig zu deutlich niedrigeren Spreads am Sekundärmarkt. In Summe sind die Anleiherenditen von Fresenius für Investoren trotz der aktuellen Unsicherheit relativ niedrig, wenngleich die Bonds im Vergleich mit anderen Unternehmen aus dem Healthcare-Sektor attraktiv sind. Die höchste Rendite erzielt man mit den am längsten laufenden Anleihen 01/2032 und 01/2033, allerdings setzt man sich hier auch einem hohen Zinsänderungsrisiko aus.
*) Timo Kürschner ist Senior Analyst für den Pharmasektor bei der Landesbank Baden-Württemberg.