Frischer Wind in Japans Politik?
Von Matthias Krieger*)
Japan hat gewählt und einen neuen Ministerpräsidenten. Fumio Kishida löste den in der Pandemiebekämpfung glücklosen Yoshihide Suga ab, rief Neuwahlen aus und wurde bei den Unterhauswahlen bestätigt. Er kann die Regierungskoalition aus Liberaldemokraten (LDP) und Komeito fortsetzen.
Vor der Wahl aufhorchen ließen seine Äußerungen hinsichtlich der „Notwendigkeit von Umverteilung“ und einem „neuen Kapitalismus“ für Japan. Fast revolutionäre Töne von einem Politiker einer konservativen Partei, die seit so vielen Jahrzehnten die Geschicke Japans bestimmt.
Die Aussagen Kishidas verunsicherten die Finanzmärkte nach dessen Nominierung denn auch spürbar und führten zum „Kishida-Schock“, einem Einbruch der Aktienkurse bei schwächerem Yen.
Kurzer Schreckmoment
Der Schock währte aber nur kurz. Denn der Neue baut stark auf Alt-Premier Shinzo Abe, dessen Unterstützung seine Nominierung erst ermöglichte. Kaum vorstellbar, dass der mächtige Strippenzieher Abe einen Kandidaten installiert, der seine eigene langjährige Politik konterkariert. So rüstete Kishida verbal schnell ab und entschärfte seine ohnehin eher vage geäußerten Steuerpläne zur stärkeren Belastung von Kapitalgewinnen und Unternehmen. Auch die Mehrwertsteuer soll nicht erhöht werden. Stattdessen brachte er ein Mega-Konjunkturpaket ins Spiel. Um sein „Umverteilungsversprechen“ doch noch mit Leben zu füllen, dürfte er zudem die Sozialausgaben erhöhen. Zum Thema Reformen, z.B. zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen, war wenig zu vernehmen.
Wenig Neues
Geboten wird alter Wein in alten Schläuchen. Es gibt somit steigende Staatsausgaben bei wenig veränderten Steuereinnahmen – die bei 259% des Bruttoinlandsproduktes liegende Staatsverschuldung wird weiter steigen. Um den Staat angesichts der resultierenden potenziellen (Zins-)Belastung zahlungsfähig zu halten, dürfen da natürlich auch Zinsen und Renditen nicht steigen. Dazu passt, dass sich an der Führungsspitze der Bank of Japan (BoJ) nichts ändern wird. Im Prinzip setzt Kishida die „Abenomics“ eins zu eins fort.
Die Geldpolitik Japans dürfte so kaum aus der Nullzinsecke herausfinden. Es sei denn, die BoJ, die 50% aller Staatstitel hält, kauft noch einmal kräftig JGBs, tauscht ihren Bestand dann z.B. gegen eine neue hundertjährige Nullkuponanleihe, quasi als „Private Placement“ für die BoJ, lagert diese im Giftschrank und stoppt weitere Anleihekäufe.
Das japanische Beispiel wird sicher mit Interesse von Vertretern einer „modernen“ Geld- und Fiskalpolitik auch in den USA und Europa beobachtet. Das böse Erwachen könnte aber kommen, wenn plötzlich nicht nur wie derzeit in den USA und Europa, sondern auch in Japan erkennbar würde, dass die Inflation gar nicht tot ist, sondern nur durch bestimmte Umstände längere Zeit keine Rolle spielte.
Binsenweisheiten gelten
Aber Umstände ändern sich eben – sogar das Klima ändert sich. Was aber unveränderlich bleibt, sind die treibenden Kräfte dahinter – die Gesetze der Physik im Falle des Klimas, ökonomische Binsenweisheiten wie die, dass ein Anwerfen der Notenpresse bei nur begrenzt steigerbarem Güterangebot auf Dauer nicht mit Preisstabilität vereinbar ist, im Falle der Inflation.
In Europa und den USA kann man gerade sehen, dass dieses Prinzip bei knappen Kapazitäten noch gilt. Wenn nun auch noch die preissenkenden Effekte der bisherigen Globalisierung auslaufen, wird dies auch wieder für Japan gelten. Denn die japanischen Babyboomer werden angesichts niedriger staatlicher Renten und fehlender Guthabenzinsen ihre hohen Ersparnisse allmählich auflösen und so ihre Güternachfrage hoch halten.
Gleichzeitig wird die Wirtschaftsleistung bedingt durch die Demografie aber bestenfalls schwach steigen, d.h. das Güterangebot eher stagnieren, während der Arbeitskräftemangel zu deutlich höheren Löhnen führen dürfte. Ein geradezu ideales Biotop für Stagflation. Wenn diese aber Thema würde, stünde die Nachhaltigkeit der japanischen Geld- und Fiskalpolitik im Feuer.
Druck durch Renditeanstieg
Der Yen dürfte noch vom Home-Bias japanischer Investoren vor dem Hintergrund wieder steigender Infektionszahlen in den Industrieländern profitieren. Zudem sind Inflationsängste in Japan im Gegensatz zu den USA und dem Euroraum aktuell noch kein Thema. Im Zuge weiter steigender Impfquoten sollte dann aber die relativ schwache wirtschaftliche Dynamik in Japan in Verbindung mit in den USA und im Euroraum steigenden Renditen den Yen unter Druck setzen. Auf ein Jahr sehen wir den Euro bei 135 Yen. Auf lange Sicht prädestiniert die Entwicklung in Japan den Yen u.E. kaum zur Starkwährung. Die Frage wird aber sein, welchen Weg andere Währungsräume dann eingeschlagen haben.
*) Matthias Krieger ist Senior Economist bei der LBBW.