GASTBEITRAG ZUR SERIE: ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (55)

Frontier-Märkte machen strategisch Sinn in Multiasset-Portfolios

Börsen-Zeitung, 19.1.2019 Frontier-Märkte-Engagements in Aktien und insbesondere Anleihen sind strategisch sinnvolle Bestandteile in Multi-Asset-Portfolios. Sie bieten Diversifizierungsvorteile und höheres Performancepotenzial als herkömmliche...

Frontier-Märkte machen strategisch Sinn in Multiasset-Portfolios

Frontier-Märkte-Engagements in Aktien und insbesondere Anleihen sind strategisch sinnvolle Bestandteile in Multi-Asset-Portfolios. Sie bieten Diversifizierungsvorteile und höheres Performancepotenzial als herkömmliche Anlagealternativen bei vergleichsweise niedriger Volatilität. Die Dollar-Stärke und hausgemachte Probleme einzelner Länder haben 2018 die Entwicklung vieler Frontier-Märkte belastet, sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen. Bei Anleihen sind die Risikoprämien gegenüber Staatsanleihen aus Industrieländern deutlich gestiegen. Auf solche Anleihen spezialisierte Fonds bieten zurzeit eine laufende Rendite von rund 13 % bei einer kürzeren Laufzeit als Schwellenländer-Anleihen und somit geringerem Zinsänderungsrisiko. Der Einstiegszeitpunkt für einen Einstieg im Segment der Frontier-Märkte, insbesondere bei Anleihen, scheint günstig. Gute Argumente für FrontiersFrontier-Märkte (FM) sind Länder wie Namibia oder Uruguay, die politisch, wirtschaftlich und finanziell noch nicht so weit entwickelt sind wie Schwellenländer (Emerging Markets, EM) – es könnten gewissermaßen die “Schwellenländer von morgen” werden. Die heutigen Frontier-Märkte ähneln in vielerlei Hinsicht den Schwellenländern Anfang der Neunzigerjahre. Damals galten Schwellenländer-Anlagen als ausgefallene Investments. Heute sind sie nicht mehr sonderlich exotisch und bieten nur noch begrenzte Diversifikationsvorteile.Was spricht strategisch für Anlagen in Frontier-Märkten? Erstens: Frontier-Märkte weisen im Vergleich zu EM-Anlagen niedrigere Korrelationen zu Anlagen in entwickelten Märkten (Developed Markets, DM) auf und bieten Diversifizierungspotenzial. Zum einen macht der geringere Anteil internationaler Anleger und die Dominanz lokaler Anleger Investments in Frontier-Märkten weniger anfällig gegenüber Veränderungen der Risikobereitschaft globaler Anleger und deren Kapitalflüsse, obwohl die Finanzmärkte weniger entwickelt und liquide sind.Zum anderen ist aufgrund der stärkeren Inlandsausrichtung der Wirtschaft und der Branchenstruktur die Entwicklung unabhängiger vom globalen Wachstumszyklus. Der wichtigste Treiber von Frontier-Märkte-Anlagen sind länderspezifische Entwicklungen. Dieses ist bei Schwellenländern, deren Leistungsbilanzen im letzten Jahrzehnt beträchtlich expandiert sind, nur noch in begrenztem Maße der Fall. Frontier-Märkte sind damit auch von den aktuellen Handelsstreitigkeiten weniger betroffen als die Schwellenländer. Zudem bieten FM-Währungen mit niedriger Korrelation zu den G10-Währungspaaren zusätzliches Diversifizierungspotenzial.Zweitens: Frontier-Anlagen weisen in der Regel eine niedrigere Volatilität als EM-Anlagen auf. Zum einen verringert der geringere Anteil internationaler Investoren die Volatilität in Stressperioden. Zum anderen reduziert die Dominanz länderspezifischer Risiken die Volatilität eines Portfolios aus FM-Anlagen. Die Korrelation zwischen Frontier-Märkten untereinander ist damit deutlich niedriger als die zwischen Schwellenländern. Brasiliens Wachstum ist zum Beispiel stark von seinem Haupthandelspartner China abhängig.Im Bereich der Grenzmärkte bestehen diese Zusammenhänge (noch) nicht. Frontier-Länder weisen etwa im Allgemeinen einen weniger entwickelten institutionellen Rahmen als Schwellenländer auf, etwa im Hinblick auf staatliche Institutionen und Zentralbanken. Das bedeutet, dass es in Frontier-Ländern überaus wichtig ist, wer derzeit die Regierung stellt, da dadurch die Entwicklung des Landes entscheidend geprägt wird.Drittens: Frontier-Märkte-Aktien, -Anleihen und -Währungen versprechen mittel- bis langfristig eine bessere Entwicklung als entsprechende Anlagen in DM- und EM-Länder. Generell bieten FM-Volkswirtschaften höheres Wachstum als die entwickelten und EM-Länder. Sie haben Konvergenzpotenzial in Richtung des wirtschaftlichen, politischen und finanziellen Stadiums, den die EM-Länder erreicht haben.Gleichzeitig ist die Staatsverschuldung der Frontier-Märkte in der Regel niedriger als die von Schwellenländern und entwickelter Volkswirtschaften, was einleuchtet, weil diese Länder gerade erst begonnen haben, Kapital an den internationalen Finanzmärkten aufzunehmen. Eine Konvergenz hin zu einem EM-Status sollte Kapitalflüsse anziehen. Anleger können angesichts der sich potenziell angleichenden Risikoprämien hiervon profitieren. Eine Aufnahme in EM-Indizes könnte zusätzliche Kapitalzuflüsse und positive Reaktionen auslösen, da passive Anlagen, die EM-Indizes nachbilden, an Bedeutung gewonnen haben. Liquidität ein ThemaDie Kapitalmärkte in Frontier-Märkten sind typischerweise relativ klein und illiquide. Das hemmt bislang das Potenzial für ausländische und institutionelle Beteiligung. Die Entwicklung ist jedoch in den einzelnen Ländern mit Blick auf Aktien und Anleihen häufig unterschiedlich: Länder mit relativ solider Aktienmarktstruktur und -größe haben nicht zwangsläufig gleichermaßen gut entwickelte Anleihemärkte und umgekehrt. Das bedeutet, dass einige Länder in Bezug auf eine der beiden Assetklassen als Frontier-Markt gelten, in Bezug auf die andere jedoch bereits als Schwellenland eingestuft sein können.Im Aktienbereich existieren diverse Benchmarkindizes für Frontier-Märkte. Die Klassifizierungskriterien sind jedoch weitgehend indexunabhängig. Zur Abgrenzung von entwickelten, Schwellen- und Frontier-Märkten legt beispielsweise MSCI drei Kriterien zugrunde: die wirtschaftliche Entwicklung, die Größe und Liquiditätsanforderungen sowie den Marktzugang. Allerdings ist die Nachhaltigkeit der Wirtschaftsentwicklung weder für EM- noch für die FM-Aktien eine Vorbedingung.Anders als bei Frontier-Märkte-Aktien gibt es bei Anleihen nur einen Index, der als Benchmark herangezogen wird – der J.P. Morgan “Next Generation Markets Index”. Dieser ist jedoch als Unterkategorie von EM Hartwährungsanleihen (J.P. Morgan EMBI Global Diversified) definiert, nämlich als Anleihen von Emittenten mit “niedriger Liquidität”. Hartwährungsanleihen sind Schwellenländer-Anleihen, die nicht in lokaler Währung, sondern in beispielsweise in Dollar oder Euro denominiert sind. Der Index stellt damit eher ein Engagement in EM-Hartwährungsanleihen mit hohem Beta dar. Das ist ein bedeutender Unterschied zu Frontier-Markt-Aktienindizes, bei denen es keine Überschneidungen zwischen Frontier- und Wachstumsmärkten gibt. Zudem berücksichtigt der Index nur auf Hartwährung lautende Anleihen und umfasst nur Länder, die bereits im Index für Schwellenländer-Hartwährungsanleihen vertreten sind. Aktiv schlägt passivDamit bietet der J.P. Morgan Next Generation Markets Index nicht alle Vorteile, die man von der Beimischung von Frontier-Markt-Anleihen in ein Portfolio erwarten würde. Positive Effekte einer zukünftigen Indexinklusion oder auch die größere Unabhängigkeit von der globalen Risikoneigung der Anleger sind beispielsweise nicht gegeben. Anleger, die sich für die Diversifizierungs- und Konvergenzeffekte von Frontier-Markt-Anleihen interessieren, sollten sich deshalb nicht auf das Universum dieses Index beschränken, sondern auch Landeswährungsanleihen und insbesondere Anleihen aus Ländern, die nicht in dem Marktbarometer enthalten sind, in Erwägung ziehen.Auf Frontier-Märkte-Anleihen fokussierte aktive Fonds sind deshalb einem passiven Investment in diesem Segment vorzuziehen. Von einer Investition in Einzelanleihen ist aufgrund der hohen idiosynkratischen Risiken und aus Diversifikationsgründen abzuraten.—-Bernd Meyer, Chefstratege Wealth and Asset Management, Berenberg—-Zuletzt erschienen:- Die prognostische Relevanz des “CEO-Indikators”, Metzler (54)- Verborgene Facetten des Megatrends Demografie, Pictet Asset Management (53)