Abfindungen

Galeria Karstadt Kaufhof ist in doppelter Hinsicht ein Spezialfall

Können Beschäftigte im Falle einer Kündigung eine Abfindung beanspruchen, und was gilt, wenn der Arbeitgeber – wie im Fall Galeria Kaufhof – in der Insolvenz ist?

Galeria Karstadt Kaufhof ist in doppelter Hinsicht ein Spezialfall

Von Daniel Hammes*)

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, mit welchen Abfindungen diejenigen Beschäftigten der Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof rechnen dürfen, denen im Zuge der geplanten Filialschließungen gekündigt werden soll: zwei Monatsgehälter, jedoch maximal 7500 Euro.

Von Mini-Abfindung war die Rede, schließlich gelte für die Abfindungshöhe doch die Regel „Halbes Brutto-Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr“. Aber ist das tatsächlich so? Können Beschäftigte im Falle einer Kündigung überhaupt eine Abfindung beanspruchen, und was gilt, wenn der Arbeitgeber – wie im Fall Galeria Kaufhof – in der Insolvenz ist?

Einen allgemeinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung sieht das Gesetz nicht vor. Das Gesetz verfolgt einen anderen Ansatz und schützt den Bestand des Arbeitsverhältnisses als solches, indem – abgesehen von wenigen Ausnahmen – eine Kündigung nur zulässig ist, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt. Dieser Schutz wird in prozessualer Hinsicht dadurch ergänzt, dass Beschäftigte die Kündigung vor dem Ar­beits­gericht angreifen und die Rechtmäßigkeit überprüfen lassen können.

Die sich dann stellende prozessuale Situation führt dazu, dass Beschäftigte mit ihrem Arbeitgeber über eine Abfindung verhandeln können: Arbeitgeber stehen vor dem Risiko, dass sich die Kündigung in einem über mehrere Monate hinweg geführten Rechtsstreit als unwirksam erweist.

In diesem Fall muss der Arbeit­nehmer/die Arbeitnehmerin wieder beschäftigt und etwaiger ausstehender Lohn nachgezahlt werden, was zum Teil ein erhebliches Kostenrisiko darstellt. Umgekehrt besteht für den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin das Risiko, dass sich die Kündigung als wirksam erweist und er/sie am Ende mit „nichts“ dasteht; denn: Liegt ein Kündigungsgrund vor und ist die Kündigung auch sonst rechtmäßig, endet das Arbeitsverhältnis ohne Entschädigung.

Aufgrund dieses wechselseitigen Prozessrisikos schließen Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin und Arbeitgeber regelmäßig eine Vereinbarung, wonach die Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung akzeptiert wird. Kurzum: Rechtlich besteht kein Anspruch, faktisch läuft es aber häufig auf eine Abfindung hinaus.

Entgegen einem weit verbreiteten Irrglauben gibt es daher auch keine Regel, wonach die Abfindungshöhe sich nach der Formel „1/2 Brutto-Monatsgehalt x Anzahl der Beschäftigungsjahre“ berechnen lässt. Die Abfindung und deren Höhe sind reine Verhandlungssache, wobei die vorstehende Formel nur als erste Orientierung dient. In der Praxis beeinflussen zahlreiche rechtliche, aber auch soziale Faktoren die Verhandlungen.

So spielen in rechtlicher Hinsicht insbesondere die Erfolgsaussichten der Kündigungsschutzklage eine wichtige Rolle, schließlich sind Arbeitgeber umso eher dazu bereit, eine Abfindung zu zahlen, je größer ihnen das Risiko erscheint, den Prozess zu verlieren.

Für Arbeit­nehmer/Arbeitnehmerinnen sind demgegenüber soziale Gesichtspunkte wichtig, wie das Lebensalter, Unterhaltspflichten oder die Chance, einen neuen Job zu finden, schließlich beeinflussen diese Umstände die Angst vor einer möglichen Arbeitslosigkeit und deren Folgen. Mit der Vereinbarung „Abfindung gegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ lassen sich dann letztlich beide Parteien ihre wechselseitigen Risiken abkaufen.

Dass im Fall Galeria ein Anspruch auf eine Abfindung bestehen soll, der – gemessen an der langjährigen Beschäftigungszeit vieler Betroffener – eher gering erscheint, liegt daran, dass es sich in zweifacher Hinsicht um einen Spezialfall handelt. Der geplante Personalabbau stellt eine sogenannte „Betriebs­änderung“ dar, die Arbeitgeber dazu verpflichtet, mit dem Betriebsrat einen Sozialplan abzuschließen, der die wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen abmildern soll.

Betriebsräte sind hier regelmäßig dazu in der Lage, weitaus größere Abfindungen auszuhandeln. Das liegt daran, dass sie über die gesetzliche Notwendigkeit zum Abschluss eines Sozialplanes die Betriebsänderung als solche bis zu einem gewissen Grad blockieren können.

Aufgrund der Anfang Februar erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens waren dem hier zuständigen Gesamtbetriebsrat jedoch enge Grenzen gesetzt. Im Falle der Insolvenz ist gesetzlich vorge­schrieben, dass die in einem Sozialplan vorgesehene Abfindung maximal 2,5 Bruttomonatsverdienste der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen betragen darf.

Hintergrund ist, dass ein solcher Anspruch aus dem Sozialplan nicht als normale Insolvenzforderung mit einer – oft wertlosen – Quote be­friedigt wird. Vielmehr wird er als Masseforderung vorrangig und grundsätzlich in voller Höhe erfüllt. Diese privilegierte Gläubigerstellung bezahlen die betroffenen Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen mit einem vergleichsweise schmalen Sozialplanvolumen.

*) Daniel Hammes ist Rechtsanwalt in der Wirtschaftskanzlei FPS in Frankfurt.