Anleihemärkte

Gefragte Safe Havens in Kriegszeiten

Bundesanleihen sind in Zeiten des Ukraine-Krieges gefragt. Aber es gibt auch eine hohe Volatilität. Im Blick haben die Anleger nun die Fed, die in dieser Woche zu ihren Zinsberatungen zusammenkommt.

Gefragte Safe Havens in Kriegszeiten

Von Kai Johannsen, Frankfurt

Der Markt der Bundesanleihen liefert seit Beginn des Ukraine-Krieges ein Spiegelbild der Märkte für risikobehaftete Assets. Das war in vergangenen Krisenzeiten wie der Subprime-Krise, der folgenden Bankenkrise, Rezession und Staatsschuldenkrise sowie bei früheren geopolitischen Krisen sehr häufig zu beobachten. Immer dann, wenn die Anleger das Risiko herausnehmen, also risikobehaftete Assets wie etwa Aktien verkaufen, steuern sie die sicheren Häfen an, wozu Bundesanleihen, aber auch Edelmetalle, Sachwerte oder bestimmte Devisen wie etwa die skandinavischen Währungen gehören. Während die Risky Assets Wert verlieren, zeigen die Safe Havens eine positive Performance.

Bekanntes Phänomen

Das ist nun erneut zu beobachten. Zeichnet sich eine Verschlimmerung des Ukraine-Krieges ab, werden die sicheren Häfen angesteuert, kommt es zu Entspannungssignalen oder noch so kleinen Hoffnungsschimmern wie etwa der Aussicht auf eine Gesprächsbereitschaft, gehen die Anleger aus den Bundesanleihen wieder heraus mit der Folge sinkender Kurse und folglich steigender Renditen. Da kann der Markt während eines Tages durchaus mehrfach die Richtung wechseln mit der Folge einer enorm ansteigenden Volatilität. Zwischen dem Tagestief der zehnjährigen Bundrendite und ihrem Tageshoch können dann durchaus 100% Differenz in Bezug auf das Tagestief liegen. In der Folge der Kriegswirren hat die zehnjährige Bundrendite auch schon mal einen Rückgang von rund 30 Basispunkten hingelegt, was den größten Renditesprung während eines einzigen Handelstages seit etwas mehr als einem Jahrzehnt darstellte. Das zeigt deutlich, welche Auswirkungen der Krieg auf die Finanzmärkte, in diesem Fall die Bundeswertpapiere zeigt. Abzulesen sind diese Implikationen für die Märkte aber offenkundig auch in anderen Segmenten. Zu nennen sind die kräftigen Preisanstiege bei Öl und Erdgas sowie diversen anderen Rohstoffen, Kursrückschläge an den Aktienmärkten etc.

Die Märkte werden wohl – leider – noch einige Zeit unter dem Einfluss des Ukraine-Krieges bleiben, sieht es doch nicht nach einem schnellen Ende des Konflikts aus. Damit thematisieren die Marktteilnehmer, welche Implikationen sich aus dem Krieg – je nach Dauer und Intension des Militärschlages – für die Inflation und auch das Wachstum ergeben. Kurzfristig könnte die Inflation – über höhere Energie- und Rohstoffpreise – noch weiter angeheizt werden. Was einige Investoren aber auf eine längere Sicht am Markt höher bewerten und damit für problematischer halten, sind die negativen Folgen für die wirtschaftliche Aktivität und damit für das Wachstum diverser Volkswirtschaften: Risiko einer Stagflation, also anhaltende Teuerung und Schübe derselben bei gleichzeitiger Stagnation der Wirtschaft – im schlimmsten Fall sogar ein Rückgang der konjunkturellen Aktivität.

Vor diesem Hintergrund der konjunkturellen und inflationären Perspektiven für die Volkswirtschaften loten die Marktteilnehmer auch die zu erwartenden Reaktionen der Notenbanken aus, allen voran der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Fed. Alles hängt in Bezug auf diese Aktionen nach Einschätzung vieler Akteure davon ab, wie sich der Kriegsverlauf gestalten wird. „Sofern es nicht kurzfristig zu einem erheblichen Wachstumsschock kommt – was nicht völlig ausgeschlossen werden kann –, dürften die Bedingungen für eine erste Anhebung des Einlagensatzes – der sogenannten Deposit Facility Rate – im Dezember erfüllt sein, so dass noch sechs Monate bis zum Ende der APP-Nettokäufe verbleiben“, meinen etwa Hugo Le Damany und François Cabau, Economist und Senior Eurozone Economist bei Axa Investment Managers. Dies geschehe im Einklang mit der überarbeiteten Forward Guidance, die den Zusammenhang zwischen dem Ende des APP und der Anhebung des Einlagensatzes lockern würde. „Trotz des EZB-Beschlusses­, der eine allmähliche Normalisierung vorsieht, kommen wir auf unsere frühere Forderung zurück – also vor dem Ausbruch des Ukraine-Russland-Konflikts –, dass der EZB-Rat wahrscheinlich zwei aufeinanderfolgende Zinserhöhungen bis zum 23. März vornehmen und im Dezember 2023 eine weitere durchführen wird“, so die Experten.

Spielraum nach unten

An den Märkten gehen viele davon aus, dass die Volatilitäten erst einmal erhalten bleiben. Viele Marktakteure erwarten, dass die Volatilität etwa bei Aktien hoch bleibt und dass die Aktien in diesem Umfeld noch durchaus weiteren Spielraum nach unten haben, der nicht gerade als unerheblich eingestuft wird. „Für Anleger bleibt die Unsicherheit groß, und die Volatilität wird weiterhin anhalten. Ungeachtet der zutiefst besorgniserregenden humanitären Krise, für die wir auf eine baldige Lösung hoffen, deutet die Geschichte auf eine relativ kurzlebige Marktvolatilität im Umfeld geopolitischer Ereignisse hin. Safe-Haven-Anlagen wie Gold, Staatsanleihen und der US-Dollar dienen als kurzfristige Absicherung. Es gilt, einen kühlen Kopf zu bewahren, diversifiziert zu bleiben und eine langfristige Perspektive einzunehmen, wenn Preisverwerfungen auftreten“, sagt etwa Ritu Vohora, Capital Markets Specialist beim Vermögensverwalter T. Rowe Price.

Auf kurze Sicht haben die Anleger nun die US-Notenbank im Blick. Die US-Währungshüter kommen in dieser Woche zu ihren turnusmäßigen geldpolitischen Beratungen im Offenmarktausschuss zusammen. Es wird vielerorten davon ausgegangen, dass die Fed ihren avisierten Kurs halten wird und den Leitzins erstmals seit Ausbruch der Covid-19-Krise wieder erhöht. „Die Aufgabe der Fed wird nicht einfacher. Russlands Einmarsch in die Ukraine hat Marktturbulenzen ausgelöst und die Rohstoffpreise in die Höhe getrieben – beides bedeutet Gegenwind für die Wirtschaft. Höhere Energie- und Lebensmittelpreise werden jedoch auch die ohnehin schon sehr unangenehme Inflationslage weiter verschärfen, und die Fed wird den Märkten wohl kaum sagen, dass sie ihre Pläne zur Straffung der Geldpolitik angesichts der sich verschlechternden Aussichten zurückschrauben kann“, sagt James McCann, Deputy Chief Economist bei Abrdn.

Tatsächlich werde erwartet, dass der aktualisierte Dot Plot, der die durchschnittliche Zinseinschätzung des Offenmarktausschusses zeige, in fast jeder Sitzung in diesem Jahr Erhöhungen vorsehe und der Leitzins einen Höchststand von über 2% erreichen werde. Fed-Chef Jerome Powell könnte diese Botschaft etwas abschwächen, indem er den Märkten mitteile, dass die Fed in einem sich schnell entwickelnden Wachstums- und Inflationsumfeld flexibel agieren werde. „Die eigentliche Botschaft dürfte jedoch lauten, dass das Hauptaugenmerk der Fed darauf liegt, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, selbst wenn sich dies als störend für die Märkte und die Wirtschaftstätigkeit erweist“, so McCann weiter.