Anlagestrategie 2022

Gegenwind bei Aktien­bewertungen

Die Fondsgesellschaft Union Investment setzt vermehrt auf Aktien. Immobilien werden als Baustein für ein Portfolio immer wichtiger. Allerdings sei die Dekarbonisierung eine Herkulesaufgabe.

Gegenwind bei Aktien­bewertungen

wbr Frankfurt

Die Fondsgesellschaft Union Investment hat ihre Kapitalmarktstrategie 2022 an der Erwartung ausgerichtet, dass die Pandemie zu Ende gehen wird. Das sagte Jens Wilhelm, für das Anlagegeschäft zuständiger Vorstand, auf der Risikomanagementkonferenz des Hauses. Für die kommenden Monate rechnet Wilhelm aber noch mit einem harten Winter in Bezug auf die Pandemie. Er weist darauf hin, dass die Anpassungsprozesse der Volkswirtschaften mehr Zeit bräuchten als in früheren Jahren.

Verschiedene Faktoren stimmen Wilhelm zuversichtlich für die Märkte. Er rechnet beispielsweise damit, dass ein größerer Teil des verlorenen Wachstums im nächsten Jahr aufgeholt werde. Bei der Inflation ist Union Investment ebenfalls optimistisch und geht davon aus, dass in den USA die Preissteigerungsrate von aktuell 6,2% auf 2,8% im kommenden Jahr zurückgehen werde. In der Eurozone geht die Gesellschaft ebenfalls von einer Halbierung der Inflationsrate von rund 4% auf 2% im kommenden Jahr aus.

EZB-Geldpolitik „zu locker“

Wilhelm hofft, dass die Notenbanken weiterhin besonnen agieren. „Eine Normalisierung der Geldpolitik hat längst begonnen“, sagte Wilhelm. Kritisch sieht er allerdings die Kommunikation der EZB, die ihre Politik nicht immer so klar vermittele wie die Fed. In der Eurozone werde die Geldpolitik „für unseren deutschen Geschmack“ zu locker bleiben.

Risiken sieht Wilhelm in China. Zwar sei die Krise beim Immobilienkonzern Evergrande nicht der Leh­man-Moment für China, aber er rechne damit, dass das Wachstum des Landes deutlich von 8% auf 5% zurückgehen werde. Das werde entsprechende Auswirkungen auf den Rest der Welt haben, besonders auch auf Deutschland, das sehr stark von China abhängig sei.

Unterm Strich beurteilt Wilhelm das Umfeld für die Märkte positiv. Sein Haus geht von einem weltweiten Gewinnwachstum von 8% im kommenden Jahr aus, rechnet aber mit einem Gegenwind bei den Aktienbewertungen. „Bei den Anleihen wird es weiter schwierig“, sagt Wilhelm. Schon jetzt zeigten sich die Sorgen vor steigenden Zinsen in einer höheren Volatilität. Das Renditeniveau werde leicht anziehen, für die zehnjährige Bundesanleihe rechnet er mit einem Anstieg über die 0-%-Grenze. „Es bleibt schwierig, mit sicheren Anleihen eine akzeptable Rendite zu bekommen.“

Anders als zuletzt zählen Unternehmensanleihen nicht mehr zu den Favoriten von Union. Interessanter seien Rohstoffe. Wilhelm verweist darauf, dass in letzter Zeit zu wenig Geld in Exploration investiert worden sei und dass andererseits der Umbau der Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit sowie der Fokus auf E-Mobilität vermehrt Rohstoffe wie Lithium und Kupfer verlange.

Positiv gestimmt ist Union Investment weiterhin für Gewerbe- und Wohnimmobilien. Diese Assetklasse bleibe ein wichtiger Baustein für jedes institutionelle Portfolio. Allerdings brauche man in Zukunft eine – wie im Aktienbereich – stärkere Einzeltitelselektion auch bei Immobilienportfolios.

Bei den einzelnen Nutzungsarten geht das Haus differenziert vor und setzt beispielsweise weiter auf Büroimmobilien, die langfristig als eine Art Anker für Dienstleistungsunternehmen dienen würden. Das interessante Segment Logistik sei allerdings mittlerweile sehr teuer, sagt Martin Brühl, Geschäftsführer bei Union Investment Real Estate: „Vor Jahren hat man für eine gute Logistikimmobilie das 12-Fache der Jahresmiete bezahlt, heute ist es das 30-Fache.“ Sehr positiv ist der Manager für Freizeitimmobilien im Bereich Ferien und Hotel gestimmt. „Die Reiselust ist ungebrochen, und Hotelimmobilien sind zukunftsfähig“, sagt Brühl ungeachtet der jüngsten Einbrüche.

Wohnimmobilien wiederum stehen aus Sicht von Union Investment für einen stabilen Cash-flow und erweisen sich in Krisen als überaus resilient. Brühl warnt allerdings davor, als Eigentümer auf die letzten Renditepunkte zu schielen. Wohnungen hätten eine soziale Komponente und diese müsse man als Investor ernst nehmen. Dies gelte auch im Hinblick darauf, dass Eingriffe in diesen Markt bis hin zur Enteignung ein großes Diskussionsthema seien.

Über alle Nutzungsarten hinweg ist auch bei Immobilien das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger ge­worden. „Die Dekarbonisierung im Immobilienbereich ist eine Herkulesaufgabe.“ Auch wenn die Umstellung ein weiter Weg sei, komme man mit Blick auf die Taxonomie daran nicht vorbei. Brühl: „Kurzfristig bereitet das Thema ESG im Immobiliensektor Schmerzen, doch langfristig macht es die Investments krisensicher.“

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