Soziale Risiken

Gerechte Klima-Transition wird zum Anlagethema

Mit dem Klimawandel gehen große soziale Risiken einher. Das stellt auch Investoren vor Herausforderungen – Assetmanager können allerdings auch zu einer gerechten Transition beitragen.

Gerechte Klima-Transition wird zum Anlagethema

Der Übergang zu einer kohlenstoff­armen Wirtschaft wird drastische Anpassungen und Herausforderungen für die Gesellschaft mit sich bringen. Schon allein, um die Balance zwischen Investitionschancen und -Risiken zu wahren, sollten Assetmanager auf eine gerechte Umsetzung achten und diese bei Anlageentscheidungen berücksichtigen.

Der Klimawandel wird inzwischen als systematisches Risiko verstanden, und die Reduktion der CO2-Emissionen steht in vielen Teilen der Erde ganz oben auf der Agenda. Dabei wird der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Welt zu einer Zeit stattfinden, in der das Lebensumfeld vieler Menschen noch ungewisser wird. Nach mehr als zwei Jahrzehnten kontinuierlichen Fortschritts bei der Armutsbekämpfung und Wohlstandsverteilung ist diese Entwicklung bereits vor dem Ausbruch des Coronavirus ins Stocken geraten. Die Pandemie hat zu einer neuen Komplexität der erwarteten Auswirkungen des globalen Temperaturanstiegs geführt. Entwicklungsländer sind hiervon tendenziell besonders stark betroffen. Der Wandel hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft muss dies berücksichtigen und für entsprechende Ausgleiche sorgen.  

Dabei ist das Konzept des gerechten Übergangs („Just Transition“) keineswegs neu. Es liegt an der Schnittstelle von Umwelt- und Sozialthemen und wurde in den frühen 1990er Jahren von dem US-Gewerkschaftsführer Tony Mazzocchi propagiert, um den Konflikt zwischen Arbeitsplätzen und Umwelt zu lösen. Im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 wurde darauf Bezug genommen. Im Kern geht es um die Erkenntnis, dass der Weg zu kohlenstoffarmen Energien, Gebäuden, Verkehrsmitteln und Produktionsverfahren dramatische Anpassungen und Herausforderungen für Länder und Industrien sowie die Gesellschaft als Ganzes mit sich bringt.

Wenn es nicht gelingt, die sozialen Auswirkungen dieser Herausforderungen zu antizipieren, könnten diese den klimatischen Fortschritt aufhalten und gleichzeitig die Ungleichheiten auf lokaler und globaler Ebene verstärken sowie das fragile Gleichgewicht zwischen Entwicklungs- und Industrieländern stören.

Für Assetmanager und andere Anleger hätte eine daraus resultierende nochmals erhöhte Instabilität erhebliche Folgen. Investitionen würden durch ein langfristiges Risiko-Ertrags-Ungleichgewicht nachhaltig erschwert oder sogar über längere Zeiträume hinweg in negativen Renditen münden.

Verschiedene Ansätze nötig

Auch aus diesem Grund sollten Vermögensverwalter das im Entstehen begriffene Konzept der „Just Transition“ unterstützen, diesbezüglich Einfluss auf Firmen und Politik nehmen und entsprechendes Verhalten in ihre Anlageentscheidungen aktiv mit einfließen lassen. Dabei wird die Beurteilung in den verschiedenen Sektoren unterschiedliche Ansätze erfordern. Sie wird aber sicherlich eine Betrachtung darüber beinhalten, wie sich Geschäftsmodelle entwickeln, wie Humankapital verwaltet wird und wie Unternehmen ihre Rolle als Arbeitgeber und Interessenvertreter entwickeln.

Eine Orientierung kann dabei die Just-Transition-Methodik der World Benchmarking Alliance (WBA) geben. Sie hat im Juli 2021 Indikatoren veröffentlicht, die sich zur Bewertung der Ausrichtung von Unternehmen an den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens und ihrer Ansätze für einen verantwortungsvollen Übergang eignen. Die Methode umfasst sechs Hauptbereiche der Unternehmensbewertung. Zu ihnen zählen der soziale Dialog mit den Stakeholdern, die Planung gerechter Übergänge, die Bereitstellung von menschenwürdigen und umweltfreundlichen Arbeitsplätzen, die Umschulung und Fortbildung von Arbeitnehmern sowie das soziale Wirkungsmanagement und schließlich die Lobbyarbeit im vorgenannten Sinne. Die WBA hat in den drei emissionsintensiven Sektoren Öl und Gas, Versorgungsunternehmen und Automobilhersteller inzwischen 180 Unternehmen hinsichtlich der oben genannten Aspekte bewertet.

Insgesamt stehen wir noch am Anfang der Messungen, wie stark einzelne Unternehmen zu einem gerechten Übergang in eine kohlenstoffarme Wirtschaft beitragen. Die wachsende Aufmerksamkeit für dieses Thema sowie aktive und verantwortungsbewusste Investoren haben jedoch bereits zu ersten Verhaltensänderungen geführt. Wir sind davon überzeugt, dass aktives Engagement der Vermögensverwalter, beispielsweise durch eine Beteiligung an der „Coalition for a Just Transition“ dabei helfen wird, bewährte Praktiken, aber auch Vorreiter und Nachzügler in den am stärksten betroffenen Sektoren zu identifizieren.

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