Geld oder BriefGerresheimer

Gerresheimer im Übernahmefieber

Übernahmefantasie bewahrt die Aktie von Gerresheimer auch bei schlechten Nachrichten vor dem Absturz. Dennoch sehen Analysten vor allem Luft nach oben – nicht nur wegen der Aussicht auf eine ordentliche Prämie bei einem etwaigen Kaufangebot.

Gerresheimer im Übernahmefieber

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Gerresheimer im Übernahmefieber

Von Annette Becker, Köln

Die Gewinnwarnung im vergangenen Herbst hat der Aktie von Gerresheimer einen gehörigen Schlag versetzt. Ausgehend von 97 Euro rauschte die Aktie allein am 30. September um gut 17% nach unten. Von diesem Kurssturz, der zutiefst auf 64 Euro führte, hat sich der MDax-Wert bis heute nicht vollständig erholt. Zwar gab es gelegentlich Ausbruchsversuche, beispielsweise als im Oktober bekannt wurde, dass sich der Hedgefonds Eminence Capital des aktivistischen Investors Ricky Chad Sandler bei dem Spezialverpackungshersteller mit 5,4% eingekauft hat. Die damit verbundenen Kursgewinne waren jedoch nur von kurzer Dauer.

Erst am 7. Februar wendete sich das Blatt. Der Hersteller von Spezialverpackungen für die Pharma- und Kosmetikindustrie bestätigte ad hoc einen Pressebericht, nach dem es Übernahmeinteressenten gebe. Gerresheimer führe Diskussionen mit Private Equity Investoren über ein mögliches Übernahmeangebot, hieß es. Zugleich wurde auf den informellen und unverbindlichen Charakter der Gespräche verwiesen.

Interesse von Finanzinvestoren

Der MDax-Wert legte daraufhin einen Kurssprung auf gut 80 Euro hin. Seither bewegt sich die Aktie in einer engen Handelsspanne. Zu dem im Februar 2024 erreichten Jahreshoch bei 109 Euro fehlen noch mehr als 20%. Auch die am Mittwoch vorgelegte Bilanz samt des enttäuschenden Ausblicks auf 2025 trugen nicht gerade zur Stimmungsaufhellung bei. Zumal auch der versprochene Kapitalmarkttag auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Diesen hatte Gerresheimer ursprünglich nutzen wollen, um die Zukunftsperspektiven nach der Akquisition des Wettbewerbers Bormioli Pharma im Detail aufzuzeigen.

Hierzu müsse zunächst der Ausgang der Gespräche abgewartet werden, beschied Vorstandschef Dietmar Siemssen in der Analystenkonferenz. Dabei nannte er weder Ross noch Reiter, noch ging er auf die inhaltliche Diskussion ein. Zum Kreis der Interessenten gehören laut Bloomberg Warburg Pincus, KKR, EQT und Bain sowie mit Phillips-Medisize neuerdings auch ein strategischer Investor.

Logische Folge

Wenngleich sich die Analysten nur murrend mit den Nicht-Aussagen zufriedengaben, hat sich an den positiven Einstufungen für die Aktie wenig geändert. Von 20 Researchhäusern sprechen sich 17 für den Kauf oder die Übergewichtung der Aktie aus. Die restlichen drei Analysten raten zum Halten des Dividendentitels, wie der Website des Unternehmens zu entnehmen ist. Zwar wurde die Seite zuletzt am 12. Februar aktualisiert. Die Kurzanalysen auf die am Mittwoch vorgelegten Zahlen legen allerdings nahe, dass sich an den Einschätzungen wenig verändert hat. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 104 Euro, wobei J.P. Morgan am Donnerstag nachlegte und ein Ziel von 122,50 (zuvor: 111,40) Euro ausrief.

Die Übernahmespekulationen werden als logische Folge der deutlichen Unterbewertung im Wettbewerbsvergleich angesehen. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von knapp 18 bezogen auf 2024 rangiert Gerresheimer zumindest deutlich abgeschlagen zu den vom Unternehmen herangezogenen Peers Becton Dickinson, Thermo Fisher und West Pharamaceutical Services. Letztere bringt es trotz jüngstem Kursabsturz auf ein KGV von 32.

Zwei separate Einheiten

Hinzu kommt, dass sich Gerresheimer nach der größten Übernahme der Firmengeschichte geradezu für eine Aufspaltung anbietet. Mit Bormioli, deren Geschäft Siemssen als vollständig komplementär einstuft, teilt sich der Verpackungshersteller ohnehin in zwei separate Segmente auf: den Geschäftsbereich Plastics & Devices (P&D) und die Division Moulded Glass. Laut Siemssen wird Bormioli Gerresheimer gerade im Segment P&D mit hochwertigen und damit margenträchtigen Produkten bereichern. Zugleich soll aus dem kombinierten Behälterglasgeschäft, das neben der Pharmaindustrie auch die Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie beliefert, ein „globales Powerhouse“ geschaffen werden.

Grundsätzlich herrscht unter Analysten Einigkeit hinsichtlich des langfristigen Wertsteigerungspotenzials für die Aktie. Allen voran die Aussicht auf lukrative Verträge im Zusammenhang mit GLP-1-Produkten, besser bekannt als Abnehmspritze, gilt als einer der wichtigsten Wachstumstreiber. Kurzfristig sind die Aussichten allerdings weniger rosig. Auf dem Geschäft lasten die Verwerfungen am Markt für Injektionsfläschchen sowie Bremsspuren in der Kosmetikindustrie.