DEVISENWOCHE

Gewinner und Verlierer im Handelskrieg

Von Ulrich Leuchtmann *) Börsen-Zeitung, 26.6.2018 Es riecht nach Handelskrieg. Nach US-Zöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte und Gegenmaßnahmen der EU drohte der US-Präsident am Freitag (via Twitter) mit der nächsten Eskalationsstufe: einem...

Gewinner und Verlierer im Handelskrieg

Von Ulrich Leuchtmann *)Es riecht nach Handelskrieg. Nach US-Zöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte und Gegenmaßnahmen der EU drohte der US-Präsident am Freitag (via Twitter) mit der nächsten Eskalationsstufe: einem Strafzoll von 20 % auf Importe von Autos aus der EU. Auch in den Handelsbeziehungen der USA zu China sieht es düster aus: Die USA erlassen Zölle auf chinesische Importe im Wert von 50 Mrd. Dollar, China zahlt mit gleicher Münze (d. h. mit Zöllen auf Importe im gleichen Umfang) heim, woraufhin die USA Zölle auf chinesische Waren im Umfang von 200 Mrd. Dollar androhen. Die USA und ihre Handelspartner sind auf dem besten Weg, sich in eine Spirale immer umfassenderer und/oder höherer Strafzölle zu begeben, die schon bald so umfänglich werden könnten, dass realwirtschaftliche Konsequenzen und Konsequenzen für die Märkte drohen. Nicht nur das. Über die unmittelbaren handelspolitischen Maßnahmen hinaus beschädigt die US-Regierung die Architektur der multila-teralen Kooperation der Handelspolitik, konkret: die Welthandelsorganisation WTO und ihr Regelwerk. Zum einen lehnt die US-Regierung offen multilaterale Koordinationsmechanismen ab. Zum anderen missbrauchen die USA für jedermann sichtbar das WTO-Regelwerk, indem sie einerseits Zölle pro forma mit Argumenten der “nationalen Sicherheit” (also WTO-konform) rechtfertigen, andererseits der Präsident mit keinen Zweifel daran lässt, dass nackter, blanker Protektionismus – also ein Verstoß gegen den Geist der WTO – das Ziel der US-Handelspolitik ist. Bei den Auswirkungen auf den Devisenmarkt sind somit zwei Aspekte zu unterscheiden: (1.) die unmittelbaren Auswirkungen der eskalierenden Strafzölle und (2.) die Gefahr, dass der Ausstieg der USA aus dem WTO-Konsens die multilaterale Koordination in handelspolitischen Fragen beschädigt. Unmittelbare Folgen Strafzölle auf Importe der USA erhöhen die Nachfrage nach heimischen Produkten. Klar, wenn deutsche, japanische und koreanische Autos in den USA teurer werden, tendieren US-Konsumenten eher zu heimischen Modellen. Aus Sicht des Devisenmarktes sind dabei zwei Aspekte relevant: (a) Zum einen wächst der Investitionsbedarf in den USA, denn vermehrte Auto-Produktion dort heißt: Die Automobilindustrie muss neue Investitionen tätigen, um die gestiegene Nachfrage befriedigen zu können. Höhere Direktinvestitionen ausländischer Autokonzerne in US-Fabriken oder zusätzliche Wertpapieremissionen der US-Unternehmen werden nötig – und damit steigt der Kapitalzufluss in die USA. Und das wiederum heißt: Die Dollar-Nachfrage steigt. (b) Hinzu kommt der inflationäre Effekt. Ausländische Autos werden teurer, weil die Importeure die Zollabgabe teilweise auf die Endverbraucher umlegen werden. Aber auch heimische Autos werden im Preis steigen. Der Auslastungsgrad der heimischen Produzenten steigt und damit – angesichts eines bereits jetzt blitzblank geräumten US-Arbeitsmarktes – deren Produktionskosten: Zusätzliche Arbeitskräfte können nur über höhere Löhne gewonnen werden. Hier liegt die Krux: Ist höhere Inflation ein dollarpositives oder -negatives Argument? An sich ist eine höhere US-Inflation schädlich für den Dollar. Wenn seine Kaufkraft im Inland schneller erodiert, ist das eigentlich auch für seine Kaufkraft am Devisenmarkt negatives Argument. Allerdings kommt es auf das Verhalten der Fed an. Sie ist die einzige große Zentralbank, die momentan auf steigende Inflation relativ aggressiv mit höheren Zinsen reagieren dürfte. Entsprechende inflationäre Effekte im Euroraum würden bei der EZB wohl nur Erleichterung auslösen, nicht aber schnelle Zinserhöhungen – dafür ist die Kerninflation noch zu weit von ihrem Ziel entfernt. Nicht nur Dollar-positivIst ein Währungskrieg also eindeutig dollarpositiv? Der Markt ist momentan noch skeptisch. Grund dafür sind die Sorgen vor realwirtschaftlichen Konsequenzen. Wären die Folgen des Handelskrieges für den US-Arbeitsmarkt und das US-Wachstum dramatisch, würde die Fed sicherlich nicht mit aggressiven Zinserhöhungen reagieren – egal was die Inflation macht. Hohe Inflation und schwaches Wachstum: Das wäre in der Tat das Worst-Case-Szenario für die US-Währung. Allerdings gilt auch hier: Es kommt nicht nur auf die Folgen für die USA an. Für stärker exportorientierte Volkswirtschaften wie China oder Deutschland besteht ebenfalls eine erhebliche Fallhöhe – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Geldpolitik außerhalb der USA. So ist es kein Zufall, dass Chinas Zentralbank am Wochenende den Mindestreservesatz gesenkt hat – also die Geldpolitik gelockert hat. Der gegenüber dem Dollar schwache Renminbi ist die logische Konsequenz dieser lockeren Geldpolitik, die u. a. durch Sorgen vor realwirtschaftlichen Konsequenzen der US-Zölle motiviert sein dürfte. Würde die WTO dysfunktional, würde über die aktuellen Maßnahmen der USA, Chinas und Europas hinaus eine “Beggar Thy Neighbor”-Politik drohen, eine Situation, in der jeder gegen jeden versucht, sich mit höheren Zöllen Vorteile zu ergattern. Bilaterale Handelsabkommen sind kein Ersatz für die WTO. Denn sie sind tendenziell Vereinbarungen zulasten Dritter. Gut für diejenigen Staaten, die sie abschließen, aber keine nachhaltige Strategie, die dauerhaft globalen Freihandel befördern würde. Momentan sieht der Devisenmarkt verständlicherweise in einem solchen Prozess vor allem Gefahren für die Währungen von Schwellenländern. Diese haben seit Ende der 1990er Jahre vor allem von Freihandel und damit zunehmendem Welthandel profitiert. Der Wachstumsschub der Schwellenländer Anfang dieses Jahrtausends war vor allem wachstumsgetrieben. Und daher wäre ihr Rückschlagpotenzial in einem globalen Handelskrieg groß. Allerdings gilt es auch hier zu unterscheiden. Etliche Länder, die von der Globalisierung profitierten, sind längst einen Schritt weiter. So ist in China seit etlichen Jahren ein deutlicher Prozess der Deindustrialisierung zu beobachten. Der Anteil der im verarbeitenden Gewerbe Beschäftigten nimmt seit 2013 deutlich ab. Der Grad, zu dem Schwellenländer immer noch vom Welthandel abhängen, variiert – und damit ihre Anfälligkeit gegenüber einem möglichen globalen Handelskrieg. Jedoch ist dieser Grad für einzelne Volkswirtschaften schwer messbar. Und so lange werden die Währungen von Schwellenländern über einen Kamm geschoren: Sie leiden alle, je mehr die Gefahr eines Handelskrieges wächst.—- *) Ulrich Leuchtmann ist Leiter des Devisen-Research der Commerzbank.