GASTBEITRAG ZUR SERIE: ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (133)

Gold sollte fester Bestandteil eines jeden Multi-Asset-Portfolios sein

Börsen-Zeitung, 29.8.2020 Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles - angesichts eines Plus von ca. 20 % in Euro gerechnet scheint sich dieses Goethe-Zitat wieder zu bewahrheiten. Das Edelmetall ist eine der besten Anlagen seit Jahresbeginn. War...

Gold sollte fester Bestandteil eines jeden Multi-Asset-Portfolios sein

Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles – angesichts eines Plus von ca. 20 % in Euro gerechnet scheint sich dieses Goethe-Zitat wieder zu bewahrheiten. Das Edelmetall ist eine der besten Anlagen seit Jahresbeginn. War es das schon, oder hat Gold weiter Potenzial? Lohnt es sich noch, Gold dem eigenen Portfolio beizumischen?Gold ist vor allem in Krisenzeiten begehrt, denn es gilt gemeinhin als sicherer Hafen. Zudem wird es als “langfristig wertstabil” verstanden und somit von Anlegern häufig als Absicherung gegen Inflation genutzt. Diese erklärt jedoch nur unzureichend die langfristige Wertentwicklung. Betrachtet man die Inflationsentwicklung in den USA, wäre eine 1970 gekaufte Goldunze heute 240 Dollar wert. Startet man nur zehn Jahre später, beträgt dieser Wert schon über 1 700 Dollar. Anhand der Inflation den fairen Wert von Gold zu bestimmen, ist somit sehr abhängig vom Betrachtungszeitraum und resultiert in einer extrem großen Spannbreite, wenngleich wir uns aktuell am oberen Rand dieser befinden.Entscheidend für den Goldpreis ist denn auch noch ein anderer Faktor: die erwartete Wertentwicklung anderer, nominaler sicherer Häfen wie deutscher oder US-Staatsanleihen. Während Gold als reale Anlage vor Inflation schützt, jedoch keine laufenden Erträge erwirtschaftet, zahlen sichere Staatsanleihen Kupons, erfahren aber als nominale Anlagen auf realer Basis Wertminderung. Entscheidend für die Wahl zwischen Gold oder sicheren Staatsanleihen ist somit ihre Umlaufrendite abzüglich der Inflation – die Realzinsen. Hierbei gilt: Je höher die Realzinsen, desto höher die Opportunitätskosten für Gold. Denn während die zukünftige Wertentwicklung von Gold ungewiss ist, entgehen dem Anleger “sichere” Kuponzahlungen.Dabei ergeben sich zunächst zwei Szenarien, in denen Gold an relativer Attraktivität gewinnt: (1) In einem Umfeld finanzieller Repression, wo Zentralbanken bewusst das Zinsniveau durch Senkung der Leitzinsen und Anleihekaufprogramme unterhalb die Inflationserwartungen setzen. (2) In einem Umfeld hoher und steigender Inflationserwartungen, wo Zentralbanken nicht restriktiv genug agieren, um diese einzudämmen. In beiden Fällen vereinnahmen Anleger in sicheren Staatsanleihen plötzlich einen negativen Realzins, d. h. einen Wertverlust. Gleichzeitig profitiert das Edelmetall auch von dem zunehmenden Vertrauensverlust der Anleger in das Währungssystem selbst. Ein drittes Szenario, in dem Gold an Beliebtheit gewinnt, ist ein Umfeld nicht tragfähiger Staatsverschuldung und die damit steigenden Ausfallrisiken vermeintlich “sicherer” Staatsanleihen. Hierbei verlieren Anleger das Vertrauen in den Staat als Schuldner und suchen stattdessen Sicherheit in Gold. Profiteur der GeldpolitikAktuell befinden wir uns im ersten Szenario. Ein großer Teil der Antwort der Zentralbanken auf die Coronakrise besteht aus Anleihekaufprogrammen und Leitzinsen nahe der Null-Prozent-Marke, um die Finanzierungskonditionen für die massiven Konjunkturprogramme, aber auch für Unternehmen möglichst gering zu halten. So kauft die EZB bis Mitte 2021 Anleihen im Wert von 1,35 Bill. Euro. Die Fed räumte sich sogar die Möglichkeit eines unbegrenzten Kaufprogrammes ein. In der Folge brach die Rendite zehnjähriger Treasuries von noch 1,9 % p. a. Anfang des Jahres auf zuletzt 0,7 % ein. Abzüglich der Inflationserwartungen von knapp 2 % liegt die Realverzinsung schließlich deutlich im negativen Bereich. Bundesanleihen sind sogar nominal schon seit Anfang 2019 negativ verzinst. Folglich muss ein Anleger für die Sicherheit deutscher Staatsanleihen bis zur Endfälligkeit einen garantierten Wertverlust in Kauf nehmen. Auch bei einer Goldinvestition fallen Kosten in Form von beispielsweise ETF- oder Schließfachgebühren an. Handelsübliche ETFs gibt es allerdings schon ab 0,15 % p. a. Die Gebühren liegen also weit unter dem aktuell negativen Niveau der Realzinsen. Somit sind die Opportunitätskosten für Gold derzeit de facto nicht existent. Eine Abkehr der aktuellen Niedrigzinspolitik dürfte in naher Zukunft nur bei Szenario 2 infolge signifikanter Inflationsraten erfolgen. Aber auch in diesem Fall bleibt Gold mittelfristig unterstützt. Denn um die Tragfähigkeit der im Kampf gegen die Coronakrise stark gestiegenen Schuldenberge vieler Staaten nicht zu gefährden und somit Szenario 3 aller Möglichkeit nach zu vermeiden, dürften die Realzinsen auch weiterhin negativ bleiben.Investoren wie Warren Buffett bezeichnen Gold gerne als nutzlos. Dank sehr geringer Korrelation gegenüber anderen Anlageklassen erweist sich das Edelmetall im Portfoliokontext allerdings sehr wohl als nützlich. Zwischen Aktien und Gold liegt die Korrelation der letzten dreißig Jahre bei gerade einmal 0,07. Zwischen Anleihen und Gold bei 0,39. Durch die Beimischung von Gold im Portfolio lässt sich deshalb eine Verbesserung des Risiko-Rendite-Verhältnisses erzielen. Ein globales Portfolio bestehend aus 60 % Aktien und 40 % Anleihen konnte seit 1990 eine Durchschnittsrendite von 6,5 % p. a. erzielen, bei einer Volatilität von 9,8 % p. a. Daraus ergibt sich ein Risiko-Rendite-Verhältnis von 0,66. Mischt man diesem 60/40-Portfolio nun anteilig 10 % Gold bei, bleibt die Rendite gleich, die Volatilität fällt jedoch auf 9,1 % und das Risiko-Rendite-Verhältnis steigt schließlich auf 0,71 an. Gleichzeitig sinkt der maximale Verlust von 35,9 % auf 31,6 %. Vor allem in Phasen höherer Volatilität bringt Gold nicht nur mehr Stabilität ins Portfolio, sondern verbessert auch die absolute Rendite. In ruhigeren Marktphasen reduziert es weiterhin die Volatilität und kostet den Anleger dabei nur sehr geringfügig Performance.Zwar unterscheidet sich rückblickend die optimale Allokation von Gold je nach Betrachtungszeitraum und Portfoliozusammensetzung, allerdings ist langfristig eine Gewichtung von wenigstens 5 % sinnvoll, um mehr Stabilität ins Portfolio zu bringen.Angesichts der starken Rally seit Jahresbeginn und Rekord-ETF-Beständen könnte man meinen, das Potenzial für weitere Investmentnachfrage dürfte begrenzt sein. Tatsächlich sind Anleger jedoch im Durchschnitt immer noch unterinvestiert in Gold. Die gesamte Kapitalisierung globaler Aktienmärkte beträgt ca. 90 Bill. Dollar. Der globale Anleihemarkt kommt auf ein Volumen von ca. 64 Bill. Dollar. Goldbestände von Investoren in Form von Barren, Münzen und ETFs belaufen sich hingegen auf nur 2,9 Bill. Dollar. Setzt man diese Bestände in Relation zur Gesamtkapitalisierung von Aktien- und Anleihemärkten, beträgt der Anteil von Gold in globalen Portfolien nur 1,8 %. Würden Investoren rund um den Globus also wenigstens 5 % Gold halten wollen, um ihre Portfolien robuster aufzustellen, müsste sich ihre aktuelle Allokation fast verdreifachen. Kurzfristig ist Gold weit gelaufen, teuer ist es relativ zu anderen Anlageklassen jedoch nicht.Neben Gold profitieren auch andere Edelmetalle wie Silber, Platin und Palladium von dem derzeitigen Umfeld. Zum einen haben sie mit dem stark gestiegenen Goldpreis an relativer Attraktivität gewonnen. Zum anderen finden diese Edelmetalle deutlich stärker Verwendung in der Industrie, so dass sie im Zuge der aktuellen Konjunkturerholung dort von einer steigenden Nachfrage profitieren. Während bei Gold die Nachfrage aus der Industrie bei unter 10 % liegt, sind es bei Silber rund 50 %. Dabei kommt Silber auch verstärkt bei Fotovoltaik-Anlagen zum Einsatz und profitiert so zusätzlich vom strukturellen Trend hin zu emissionsfreier Energiegewinnung. Allerdings rückte Silber zuletzt verstärkt in den Fokus der Anleger und hat sich deshalb seit seinem Tiefpunkt im März bereits mehr als verdoppelt, so dass die relative Attraktivität zu Gold weitgehend verschwunden ist.Bei Platin wird die Nachfrage zu über 60 % aus der Industrie bestimmt. Bei Palladium sind es nahezu 100 %. Beide Edelmetalle weisen dabei eine besonders hohe Abhängigkeit zum Automobilsektor auf, da sie vor allem in Diesel- bzw. Benzinkatalysatoren zum Einsatz kommen. Sie profitieren deshalb von der fortschreitenden Konjunkturerholung, wobei Platin außerdem dank des verstärkten Einsatzes in Wasserstoff-Brennstoffzellen langfristig wie auch Silber am Nachhaltigkeitstrend partizipieren könnte.Umgekehrt sollten Anleger sich allerdings bei Investments in diese Edelmetalle nicht in falscher Sicherheit wiegen. Denn um sichere Häfen, wie Gold einer ist, handelt es sich nicht. Im Gegenteil, aufgrund der hohen Abhängigkeit zur Industrie, leiden diese Metalle gerade in Krisenzeiten und Abschwüngen. So verloren alle drei in der Coronakrise über 35 % und reihten sich damit in die Verluste an den Aktienmärkten ein. Eine Beimischung macht deshalb vor allem taktisch in Phasen steigender Goldpreise bei konjunkturellem Aufschwung und hoher relativer Attraktivität Sinn. Kein Portfolio ohne GoldMit über 1 900 Dollar je Unze ist Gold gewiss nicht günstig. Trotzdem gibt es gute Gründe für dieses Preisniveau. Neben der fortwährenden Unsicherheit um das Coronavirus, dem Handelsstreit zwischen den USA und China und den US-Präsidentschaftswahlen profitiert das Edelmetall insbesondere von der global expansiven Geldpolitik und der damit hohen relativen Attraktivität gegenüber Anleihen.Zudem erweist sich Gold vor allem im Portfoliokontext als nützlich. Dank seiner geringen Korrelation zu anderen Anlageklassen kann der sichere Hafen mehr Stabilität ins Portfolio bringen und so langfristig das Risiko-Rendite-Verhältnis verbessern. Trotzdem ist das Gros der globalen Anlegerschaft noch immer signifikant unterinvestiert in Gold. Ein “Crowded Trade” ist das Edelmetall trotz jüngster Beliebtheit somit noch nicht. Im Gegenteil, Gold sollte fester Bestandteil eines jeden Multi-Asset-Portfolios sein. Ludwig Kemper, Multi-Asset-Stratege der Berenberg Bank