Goldpreis nimmt Rekord ins Visier
Gold nimmt Rekord ins Visier
Nahost-Krieg treibt Notierung an – Spekulanten auf falschem Fuß erwischt
Der Goldpreis ist zuletzt stark gestiegen, er steht kurz vor seinem Rekordniveau. Angefacht hat das Interesse an dem Edelmetall der neue Nahost-Krieg. Außerdem sind spekulative Adressen an den Terminmärkten, die auf weiter steigende Zinsen gesetzt hatten, auf dem falschen Fuß erwischt worden.
ku Frankfurt
Der Goldpreis hat sich zuletzt sehr positiv entwickelt. Seit dem Beginn des neuen Nahost-Kriegs hat sich das gelbe Metall in Dollar gerechnet um 9,5% verteuert. Damit wurde sogar die Preisentwicklung bei Rohöl von plus 7% übertroffen, obwohl bei dem Energieträger die Auswirkungen einer Eskalation des Kriegs besonders gravierend wären. Der Goldpreis hat auch die anderen Edelmetalle hinter sich gelassen, die im bisherigen Jahresverlauf leichte Preisrückgänge verzeichnen. Mit aktuell fast 2.000 Dollar würde ein Anstieg von nur 3% den Goldpreis auf Rekordniveau treiben.
Wie die Rohstoffanalysten der Commerzbank anmerken, haben damit die bisher wichtigsten Faktoren für den Goldpreis an Bedeutung eingebüßt. Sie nennen hier in erster Linie die Entwicklung der US-Anleiherenditen und den Kurs des Dollar. "Offensichtlich profitiert Gold von seiner Rolle als sicherer Hafen in Zeiten von erhöhter Unsicherheit und Risikoaversion", betonen sie. Nach Einschätzung der Experten der Commerzbank haben spekulative Finanzanleger entscheidend zur jüngsten Rally des Goldpreises beigetragen. Sie sahen sich zuletzt gezwungen, ihre Short-Positionen abzubauen, indem sie sich mit dem Metall eindeckten. Diese Akteure hatten auf einen weiter fallenden Goldpreis gesetzt. Angesichts robuster amerikanischer Konjunkturdaten sei die Erwartung weiterer Zinserhöhungen durch die amerikanische Notenbank Federal Reserve geschürt worden, so die Commerzbank, was die Anleiherenditen habe ansteigen lassen.
Dann brach allerdings der Nahost-Krieg aus. "Der Swing bei der spekulativen Marktpositionierung um gut 82.000 Kontrakte innerhalb von zwei Wochen entsprach Käufen von 256 Tonnen Gold über den Terminmarkt", erläutern die Experten der Commerzbank. Dies sei mehr, als seit Jahresbeginn aus den von Bloomberg erfassten Gold-ETFs abgeflossen sei.
Damit stellt sich die Frage, wie es beim Goldpreis weitergeht. Der Preisanstieg werde an Dynamik verlieren, wenn der Rückenwind durch die Käufe seitens der spekulativen Anleger nachlasse, glaubt man bei der Commerzbank. Zudem sei es möglich, dass die Fed anders als mittlerweile am Markt erwartet die Leitzinsen doch weiter anheben müsse, zumal das Wirtschaftswachstum in den USA im dritten Quartal auf das Jahr hochgerechnet bei knapp 5% gelegen habe. Noch weiter steigende Zinsen würden das Umfeld für Gold noch schwieriger machen, was in diesem Fall nach Ansicht vieler Analysten für einen Rückgang des Goldpreises sorgen könnte.
Eskalation treibt Preis
Bei einer schwerwiegenden Eskalation des bisher auf Israel und den Gazastreifen begrenzten Kriegs würde die Lage allerdings ganz anders aussehen. "Eine regionale Eskalation des Konflikts würde den Goldpreis weiter antreiben", meinen die Analysten der schweizerischen Großbank UBS. Die Strategen der australisch-neuseeländischen ANZ Group sind davon überzeugt, dass der Krieg für weitere Mittelzuflüsse bei Gold sorgen wird. Damit wäre dann wohl ein neues Rekordniveau beim Goldpreis zu erwarten. Allerdings glaubt man bei der ANZ Group, dass weitere Anstiege beim Goldpreis auch davon abhängen, dass der Zyklus der Zinsanhebungen durch die Fed zu Ende geht. Dies werde für rückläufige US-Renditen sorgen, was die Opportunitätskosten der Goldhaltung senke.
Was den Markt für physisches Gold betrifft, so ist die Nachfrage im dritten Quartal im Vorjahresvergleich um 6% auf 1.147 Tonnen gestiegen. Dies berichtet der Branchenverband World Gold Council (WGC) in seinem jüngsten Quartalsbericht. Nimmt man allerdings Schätzungen zur Nachfrage aus dem OTC-Bereich (Over the Counter) hinzu, dürfte er auf 1.267 Tonnen gestiegen sein. Das gesamte weltweite Angebot an Gold ist in den drei Monaten im Vorjahresvergleich um 6% gestiegen, und die Minenproduktion erreichte sogar einen diesjährigen Rekord von 2.744 Tonnen, so dass sich hinsichtlich Angebot und Nachfrage keine auffällige Diskrepanz ergibt.
Als langfristig von großer Bedeutung könnte sich die derzeit nach wie vor sehr hohe Nachfrage der Zentralbanken nach Gold erweisen. Die weltweiten Notenbanken kauften im dritten Quartal 337 Tonnen, was den bisher dritthöchsten Wert darstellt. Im Vergleich zu dem sehr hohen Vorjahreswert stellt dies zwar einen Rückgang um 27% dar, allerdings rechnet der WGC damit, dass es erneut ein starkes Gesamtjahr hinsichtlich der Käufe der Zentralbanken wird. Im gesamten ersten Halbjahr haben die Zentralbanken insgesamt bereits 800 Tonnen gekauft.
China kauft Gold
Dabei sind es kaum die Notenbanken der großen westlichen Industrieländer, die sich für Gold interessieren. Führend ist diesmal wieder die People’s Bank of China, die im Quartal 78 Tonnen kaufte, gefolgt von der polnischen Zentralbank mit 57 Tonnen und der Türkei mit 39 Tonnen. Am Markt als Käufer aufgetreten sind zudem Indien, Usbekistan, die Tschechische Republik, Singapur, Katar, Russland, die Philippinen und Kirgistan. Diese Käufe sind im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um eine mögliche Rückkehr zur Unterlegung von Währungen mit Gold und/oder anderen Rohstoffen zu sehen.
Diese Ideen werden insbesondere in Schwellenländern und in anderen Staaten diskutiert, die ein nicht immer spannungsfreies Verhältnis mit den USA haben. Hier scheint es auch um Perspektiven zu gehen, Alternativen zu dem westlich geprägten und von den USA dominierten Weltfinanzsystem zu schaffen – gerade auch vor dem Hintergrund, dass die westlichen Länder immer mehr finanzielle Sanktionen gegen Staaten aus anderen Weltregionen verhängen. Zwar gibt es aktuell keine offiziellen Pläne zur Unterlegung von Währungen mit Gold. Sollte es jedoch dazu kommen, würde sich der Goldmarkt grundsätzlich ändern, und das Edelmetall wäre anders zu bewerten.