Green Bonds sind teure Bonds
Von Thomas Weber*)
Die Studie einer Online-Plattform für Gebrauchtwagen hat gezeigt, dass schwarze und graue Fahrzeuge im Schnitt fast 10% teurer sind als vergleichbare Autos in anderen Farben. Besonders günstig waren hingegen Pkw mit einer goldenen oder silbernen Lackierung, deren Durchschnittspreis rund 25% nach unten abwich. Was für den Gebrauchtwagenmarkt gilt, ist auch am Kapitalmarkt zu beobachten, wo grüne Anleihen oftmals zu höheren Preisen gehandelt werden als konventionelle. Das Phänomen ist unter dem Begriff ‚Greenium‘ bekannt und beschreibt den Renditeunterschied zweier Bonds mit gleicher Laufzeit und auch sonst identischen Merkmalen, die sich nur im Format – grün oder klassisch – unterscheiden.
Besonders gut lässt sich das Greenium bei Twin-Bonds der Bundesrepublik Deutschland ableiten, die eine exakt gleiche Laufzeit haben. Bei den Bonds mit Fälligkeit im August 2030 liegt die Rendite des grünen Pendants aktuell rund 2,5 Basispunkte (BP) oder 0,025% niedriger als bei der Anleihe ohne grüne Struktur. Dabei schwankte das Greenium in den vorigen zweieinhalb Jahren zwischen 7,3 BP und −0,4 BP mit einem Durchschnitt von 3,6 BP.
Hohe Bandbreite
Ähnliche Beobachtungen lassen sich auch am Markt für Unternehmensanleihen machen, allerdings ist hier die Ableitung des Greenium durch die Komplexität der Instrumente erschwert. Zu berücksichtigen sind das Nominalvolumen, der Emissionszeitpunkt, der Rang, Kündigungsoptionen oder sonstige Besonderheiten in den Anleihebedingungen, die einen Renditeunterschied rechtfertigen. Um erneut die Analogie des Gebrauchtwagenmarktes heranzuziehen, ist ein Preisvergleich nur sinnvoll, wenn man Fahrzeuge desselben Herstellers mit dem gleichen Baujahr, ähnlichem Kilometerstand und identischer Ausstattung vergleicht. Denn wenn neue Sportwagen meist schwarz und alte Kleinwagen meist silbern sind, ist nur scheinbar die Farbe das ausschlaggebende Kriterium. Unter möglichst weitgehender Berücksichtigung der genannten Merkmale und mithilfe einer linearen Interpolation zur besseren Vergleichbarkeit der Laufzeiten ergab sich in unserer Analyse von 13 Unternehmen ein Renditeunterschied zwischen grünen und konventionellen Anleihen von durchschnittlich 5,5 BP (0,055%). Wie bei den Twin-Bonds der Bundesrepublik ist die Schwankungsbreite mit einer Spanne von −3,5 BP bis 9,6 BP relativ hoch.
Interessant ist, dass das Greenium in der Phase des starken Anstiegs der Risikoaufschläge Mitte des vergangenen Jahres abgenommen hat und kurzzeitig sogar negativ wurde. Green Bonds haben sich in diesem schwierigen Umfeld folglich schlechter entwickelt als der Gesamtmarkt. Ebenfalls auffällig sind die großen Unterschiede beim Greenium zwischen einzelnen Emittenten. So liegt die Renditedifferenz bei Unternehmen wie Air Liquide, EDF und Mercedes teilweise im zweistelligen Basispunktbereich, während sie bei den beiden deutschen Versorgern Eon und EnBW fast nicht feststellbar ist. Es fällt auf, dass das Greenium gerade bei Emittenten mit vielen ausstehenden Green Bonds eher klein ausfällt. Demgegenüber besteht bei Unternehmen, die bislang nur ein oder zwei grüne Bonds emittiert haben, ein relativ großer Renditeunterschied.
Diese Beobachtung bringt uns zu der Frage, wie die Existenz des Greenium überhaupt zu erklären ist. Denn das Kreditrisiko ist – bei sonst gleichen Anleihebedingungen – bei beiden Bondgattungen als identisch einzustufen. Auch wenn die Erlöse grüner Anleihen zweckbeschränkt sind, steht das gesamte Unternehmen als Schuldner für Zins- und Rückzahlungen ein. Eine Erklärung ist, dass es sich bei nachhaltigen Finanzinstrumenten um einen eigenen Markt handelt, in dem ein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage herrscht. Zwar ist das Volumen nachhaltiger Bonds in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Allein im Jahr 2022 wurden grüne Euro-Unternehmensanleihen mit einem Volumen von rund 64 Mrd. Euro emittiert. Allerdings hat die Nachfrage aufgrund der großen Bedeutung der Thematik und des Wachstums von nachhaltigen Anlageprodukten überproportional zum Angebot zugenommen.
Großer Seltenheitswert
Die Knappheit von Green Bonds führt dazu, dass Investoren bereit sind, einen Renditeabschlag hinzunehmen, um solche Anleihen halten zu können. Dies gilt insbesondere für Bonds von Unternehmen, die nur wenige nachhaltige Instrumente emittieren und damit einen hohen Seltenheitswert aufweisen. Gerade Emittenten aus den Bereichen Konsumgüter, Telekommunikation oder Chemie sind bei nachhaltigen Investoren gefragt, da sie die Chance bieten, das von Energieunternehmen und Versorgern dominierte Portfolio zu diversifizieren.
Eine Rolle spielen unseres Erachtens auch die nichtmonetären Vorteile, die mit grünen Instrumenten verbunden sind. Die positive Außenwirkung, Vorteile bei der Vermarktung oder die Erfüllung regulatorischer Anforderungen bieten einen Mehrwert, der eine Kursprämie rechtfertigt. Nicht überzeugt sind wir von dem Argument, dass es strukturelle Unterschiede in der Investorenbasis gibt, die dazu führen, dass Green Bonds weniger schwankungsanfällig sind als konventionelle Anleihen. Die Tatsache, dass das Greenium in der Schwächephase Mitte 2022 geringer wurde, spricht eher für das Gegenteil. Allerdings könnten die tendenziell etwas kleineren Emissionsgrößen und die damit verbundene geringere Liquidität, und nicht etwa die ‚Farbe‘ der Anleihe, hierbei der ausschlaggebende Punkt gewesen sein.
Greenium nimmt wohl ab
Ob der Kauf grüner Anleihen für Investoren sinnvoll ist, lässt sich pauschal nicht beantworten. Sofern Nachhaltigkeitsüberlegungen keine Rolle spielen, sind konventionelle Bonds das attraktivere Investment, da sie tendenziell eine höhere Rendite bei gleichem Kreditrisiko bieten. Allerdings wird der Anteil der Investoren, die in dieser Hinsicht keine Präferenzen oder Vorgaben haben, immer kleiner. Dann empfiehlt es sich, zunächst bei Emittenten, die bereits viele grüne Anleihen ausstehen haben, zu investieren, da hier die Renditenachteile am geringsten oder gar nicht mehr vorhanden sind. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass das Greenium mit der Zeit abnehmen wird. Denn angesichts des erwarteten Marktwachstums bei grünen Anleihen dürfte die Knappheit immer mehr abnehmen. Einen Unterschied könnte jedoch die Europäische Zentralbank (EZB) machen, die angekündigt hat, klimafreundliche Emittenten und Green Bonds bei ihren Anleihekaufprogrammen zu bevorzugen. Das könnte so weit gehen, dass die EZB das über 380 Mrd. Euro große Corporate-Bond-Portfolio aktiv umschichtet und Bonds von weniger klimafreundlichen Unternehmen verkauft, um in Emittenten mit einer besseren Klimabilanz sowie Green Bonds zu investieren. So würde das bestehende Ungleichgewicht bei Angebot und Nachfrage zunächst noch größer werden.
*) Thomas Weber ist Leiter des Corporate Bond Research der DZ Bank.