Green und Sustainable Finance boomt auch 2021
kjo Frankfurt
Das Emissionsvolumen an nachhaltigen Finanzierungen – sogenanntes Green Financing, Social Financing und Sustainable Financing ebenso wie Sustainability-Linked Financing – hat bereits im Juni dieses Jahres mit rund 422 Mrd. Euro den entsprechenden Umfang des gesamten Jahres 2020 von 414 Mrd. Euro übertroffen. Dabei war das erste Quartal 2021 mit einem Volumen von 234 Mrd. Euro der stärkste Begebungszeitraum in der vierzehnjährigen Historie dieses Marktsegments. Dies geht aus einer Studie von Capmarcon hervor, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Capmarcon ist eine auf Unternehmensfinanzierungen spezialisierte Beratungsgesellschaft und entwickelt Strategien zur Kapitalbeschaffung und Bilanzstrukturoptimierung.
Immenser Finanzbedarf
Zwar hätten neue regulatorische Anforderungen wie Offenlegungsverordnung und EU-Taxonomie sowie ein wachsendes Marketing-Bewusstsein für Umweltfragen zu einer größeren Attraktivität nachhaltiger Finanzierungen geführt. Wirklich treibende Kraft sei aber auch im ersten Halbjahr der immense Finanzbedarf infolge der staatlichen Maßnahmen zur Covid-19-Bekämpfung gewesen. Insbesondere öffentliche Kreditnehmer hätten sich zunehmend grün und sozial gezeigt. Auf Unternehmen der Realwirtschaft sei nur rund ein Drittel aller Emissionen entfallen.
Die Wirkung nachhaltiger Finanzierungen gliedere sich – mit abnehmender Intensität – in vier Kategorien: Umweltbezogenes Green Financing diene zum Beispiel der Förderung erneuerbarer Energien oder der Kreislaufwirtschaft. Gesellschaftliches Social Financing solle soziale Probleme abbauen helfen. Sustainability Financing kombiniere die genannten beiden grünen und sozialen Kategorien. Sustainability-Linked Financing berücksichtige einzelne Indikatoren auf dem Weg hin zu einer nachhaltigeren (Finanzmarkt-)Welt.
Nach einem bereits sehr dynamischen vorangegangenen Jahr hat sich das Emissionsvolumen laut Capmarcon im ersten Halbjahr 2021 gegenüber der Vorjahresperiode mehr als verdreifacht. Staatliche Emittenten brachten demzufolge verstärkt großvolumige Emissionen an den Markt. So begab allein in die Kommission der Europäischen Union (EU), die am Markt auf eine sehr rege Resonanz mit ihren Emissionen trifft, 50,1 Mrd. Euro an nachhaltigen Titeln. Vom französischen Staat kamen Emissionen in Höhe von 32 Mrd. Euro, der italienische Staat emittierte eine Anleihe über 8,5 Mrd. Euro. Viele weitere Debütemissionen folgten. Nennenswerte Begebungen der öffentlichen Hände sind laut Capmarcon auch in Nordamerika und Asien üblich. Das durchschnittliche Transaktionsvolumen sei von 340 Mill. Euro auf 419 Mill. Euro gestiegen. Die Instrumente nachhaltiger Finanzierungen seien zu 91% Anleihen gewesen, nur 9% des Volumens kamen in Form von bilateralen/syndizierten Krediten oder als Schuldschein.
Skandinavien treibt an
Unternehmen aus dem Immobiliensektor haben laut Capmarcon in den ersten sechs Monaten dieses Jahres deutlich mehr grüne Finanzierungen am Markt platziert. Das Volumen habe sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 11 Mrd. auf 14 Mrd. Euro erhöht. Diese Entwicklung sei in erster Linie den Transaktionen skandinavischer Immobilienbestandshalter zu verdanken. Die gleiche Tendenz sei in Asien festzustellen. In Deutschland finanzierten Immobilienunternehmen erstmals grün. Hingegen sei global nur eine geringe nachhaltige Belebung im Sektor Verkehr/Logistik festzustellen. Dafür habe das Geschäft mit Unternehmen, die erstmals nachhaltig finanzierten, wieder angezogen. Ein kräftiges Plus nachhaltiger Begebungen von solchen Schuldtiteln sei auch bei Banken/Finanzdienstleistern festzustellen gewesen.
In allen Regionen der Welt seien im ersten Halbjahr 2021 mehr nachhaltige Finanzierungen arrangiert worden als in der Vorjahresperiode: Am stärksten sei der prozentuale Zuwachs in Asien gewesen, hier habe sich der Umfang von 15 Mrd. Euro auf 69 Mrd. Euro (+365%) erhöht. Australien kehre aus seinem „Dauer-Lockdown“ zurück mit 6,7 Mrd. Euro nach 3 Mrd. Euro. Ebenfalls sehr dynamisch zeige sich Europa, hier hätten sich nachhaltige Finanzierungen von 76 Mrd. Euro auf 250 Mrd. Euro erhöht (+226%). Damit seien europäische Adressen unverändert die größte Gruppe an Kreditnehmern für grüne oder soziale Mittelverwendungen. Infolge sei der Euro mit einem Anteil von 52% die weltweit wichtigste Emissionswährung für nachhaltige Finanzierungen. Auf den Dollar würden 30% entfallen, auf den chinesischen Renminbi 5%. Die – neben dem britischen Pfund – große Bedeutung der schwedischen und norwegischen Krone als Emissionswährung ist Konsequenz der stark nachhaltigkeitsorientierten Investoren in Skandinavien.
Obwohl die Unternehmen der Realwirtschaft die eigentlichen Initiatoren für mehr Umweltschutz sein sollten, entfällt auf sie seit Jahren ein Anteil am Volumen nachhaltiger Finanzierungen von nicht mehr als 35% , heißt es in der Studie weiter. Besonders zurückhaltend sei – gemessen an der Wertschöpfung – der Dienstleistungssektor. Offenbar falle es Unternehmen gerade hier schwer, die vorhandenen Potenziale für mehr Nachhaltigkeit zu identifizieren. Im ersten Quartal 2021 wurde in Europa etwa gleich viel an nachhaltigen Finanzierungen arrangiert wie in den ersten neun Monaten des Jahres 2020: 142 Mrd. Euro. Das zweite Quartal dieses Jahres war laut Capmarcon etwas schwächer, dennoch wurden im ersten Halbjahr 250 Mrd. Euro erreicht, nur unwesentlich weniger als im Gesamtjahr 2020 (262 Mrd. Euro). Zu den treibenden Kräften dieser Entwicklung gehörten Finanzdienstleister.