Rohöl

Hektische Käufe am Ölmarkt

Der Brent-Ölpreis befindet sich fast auf dem höchsten Stand seit sieben Jahren. Am Markt herrscht Konjunkturoptimismus mit Blick auf die milden Krankheitsverläufe der Omikron-Virusvariante.

Hektische Käufe am Ölmarkt

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Der Ölpreis hat an den wenigen Handelstagen seit Beginn des Jahres bereits kräftig zugelegt. Am Montag ist die Notierung der wichtigsten Rohölsorte Brent Crude fast bis auf 87 Dollar je Barrel geklettert. Das Hoch lag bei 86,71 Dollar, so teuer war die Sorte zuletzt am 3. Oktober 2018. Sollte der Ölpreis über 86,74 Dollar klettern, würde es sich sogar um ein Siebenjahreshoch handeln. Innerhalb eines Monats ergibt sich bereits ein Anstieg von 18%. Auf Sicht von einem Jahr hat sich der Energieträger um 60% verteuert. Eine ähnliche Entwicklung zeigen andere stark konjunkturabhängige Rohstoffe, wie zum Beispiel Kupfer. Die wichtigste US-Benchmark-Sorte West Texas Intermediate (WTI) notierte am Montag bei 83,67 Dollar je Barrel, womit sie noch in etwa 1 Dollar vom Siebenjahreshoch trennt.

Eine der Hauptursachen für den starken Preisanstieg ist ein fast schon extremer Konjunkturoptimismus, der sich vor allem darauf stützt, dass mit der hoch ansteckenden, aber mit milden Krankheitssymptomen verbundenen Omikron-Variante des Coronavirus ein baldiges Ende der Pandemie in Sicht ist. Es gibt weltweit bereits eine ganze Reihe von Virologen, die diese Ansicht vertreten. Die Rohstoffanalysten der Commerzbank sprechen daher von einer ausgelassenen Stimmung und von Partylaune.

Derzeit gibt es eine ganze Reihe von Nachrichten, die diese positive Einschätzung unterstützt. So haben beispielsweise die Ölraffinerien in China im Jahr 2021 einen Anstieg der Produktion gegenüber Vorjahr um 4,3% auf ein neues Rekordhoch ausgewiesen. Im dritten Quartal hatte es noch wegen der Pandemie einen Rückgang gegeben, im Dezember schon wieder einen recht deutlichen Anstieg um 2,1%.

„Verrückte Zahl“

Händler sprechen derzeit nach Angaben von Reuters von „hektischen Käufen“ von Rohöl, wobei die Nachrichtenagentur einen namentlich nicht genannten Händler von Nordseeöl zitiert, der Preisanstieg von 10% seit Jahresbeginn stelle eine „verrückte Zahl“ dar, die die Knappheit des Energieträgers widerspiegele. Stark nachgefragt sei derzeit praktisch jede Sorte. Analysten gehen mit Blick auf die Käufe davon aus, dass sich der Preisanstieg noch eine Weile fortsetzen könnte. Dies erwartet beispielsweise auch der weltgrößte Ölhändler Vitol. Die Knappheit manifestiert sich auch darin, dass sich der Markt in einem ausgeprägten Zustand der Backwardation befindet. Darunter versteht man einen Zustand, in dem die Kontrakte mit kurzer Laufzeit zu deutlich höheren Notierungen gehandelt werden als die Kontrakte mit längerer Laufzeit. Dies zeigt eine aktuelle Knappheit auf dem Ölmarkt an. Nach Einschätzung der Commerzbank macht der Zustand der Backwarda­tion den Ölmarkt auch für Finanzanleger attraktiver, da diese bei einem Kontraktwechsel Ölkontrakte günstiger erwerben können. Dementsprechend nehmen auch die Engagements spekulativer Investoren zu. In der Woche zum 11. Januar sind die spekulativen Netto-Long-Positionen nach den Daten der Intercontinental Exchange (ICE) sowie der Commodity Futures Trading Commission (CFTC) um 44400 bei Brent Crude und 25300 bei WTI gestiegen. Nach Berechnungen der Commerzbank liegen sie bei Brent auf dem höchsten Stand seit Oktober vergangenen Jahres, bei WTI sind sie so hoch wie zuletzt im November 2021.

Die Knappheit ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass in der Branche nicht damit gerechnet worden ist, dass der von der starken Verbreitung der Omikron-Variante ausgelöste Nachfragerückgang so gering ausfällt. Hinzu kommt, dass im Zusammenhang mit den Unruhen in Kasachstan ein Ausfall der dortigen Ölproduktion von immerhin 1,60 Mill. Barrel pro Tag (bpd) erwartet worden war. Durch das rasche Eingreifen von Truppen des von Russland geführten Militärbündnisses Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) wurde die Ordnung rasch wiederhergestellt, was auch gerade in vielen westlichen Ländern, deren Konzerne in Kasachstan Rohstoffe abbauen, für Erleichterung gesorgt hat.

Andernorts gibt es jedoch Angebotsknappheit. So gibt es Förderausfälle unter anderem in Libyen, Kanada und Ecuador, mit der Folge, dass die Lagerbestände in den USA und Kanada, zu denen kurzfristig aktuelle Zahlen veröffentlicht werden, gesunken sind. Die Energy Information Administration der US-Regierung hat in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass die Lagerbestände an Rohöl auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2018 gefallen seien.

Belastendes wird ignoriert

Wie die Analysten der Commerzbank anmerken, werden derzeit am Ölmarkt grundsätzlich eher belastende Nachrichten überhaupt nicht wahrgenommen. So wird beispielsweise ignoriert, dass es Libyen inzwischen wieder gelungen ist, die Ölproduktion deutlich zu steigern. War sie zum Jahreswechsel auf 700000 bpd zurückgefallen, sind es inzwischen wieder 1,2 Mill. bpd nach dem Ende der Blockade der restlichen Ölfelder und der Wiedereröffnung der Ölfelder im Osten des Landes. „Dass der Ölpreis auf die Normalisierung der Produktion nicht negativ reagiert, ist bemerkenswert“, kommentiert Carsten Fritsch von der Commerzbank.

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