GASTBEITRAG ZUR SERIE ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (44)

Im Faktor-Investing ist Anpassungsfähigkeit gefragt

Börsen-Zeitung, 27.10.2018 Das von der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken geprägte Kapitalmarktumfeld der vergangenen Jahre hat zu einer Polarisierung innerhalb der Investmentbranche geführt. Die großen Verlierer waren dabei jene vermeintlich...

Im Faktor-Investing ist Anpassungsfähigkeit gefragt

Das von der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken geprägte Kapitalmarktumfeld der vergangenen Jahre hat zu einer Polarisierung innerhalb der Investmentbranche geführt. Die großen Verlierer waren dabei jene vermeintlich aktiven Assetmanager, die in Wahrheit jedoch lediglich an ihren Vergleichsindizes geklebt hatten. Sie verloren ihr verwaltetes Vermögen entweder an passive Strategien wie Exchange Traded Funds (ETF) oder an Anbieter mit dokumentiertem Investment-Talent, konzentrierten Portfolios und hohem Active Share.Das somit zwischen diesen Polen entstandene Vakuum beginnen institutionelle Investoren nun mit Faktorstrategien zu füllen. An der Spitze der Entwicklung marschieren dabei seit jeher die großen Institutionen oder Staatsfonds, insbesondere aus Nordeuropa dem Nahen Osten und aus Asien. Faktoren erklären RenditeIm Grunde basieren solche Faktorstrategien auf der Analyse, welche unterschiedlichen, klar quantifizierbaren Eigenschaften sich auf die Wertentwicklung von Aktien auswirken beziehungsweise die relative Wertentwicklung einzelner Aktien prognostizieren. Der Indexanbieter MSCI beispielsweise zählt dazu die Dividendenrendite, die Volatilität, die Qualität – gemessen an Eigenkapitalrendite, Verschuldung und Gewinnvariabilität -, das Momentum der Kursentwicklung und die Größe, also die Marktkapitalisierung des Emittenten. Und ein genauerer Blick beispielsweise auf den Faktor “Größe” zeigt, wie er die Wertentwicklung in den vergangenen Jahren beeinflusst hat: So haben Aktien von europäischen Unternehmen mit niedriger oder mittlerer Marktkapitalisierung ihre Pendants mit hoher Marktkapitalisierung seit dem Jahr 2001 um 189 % übertroffen (Quelle: DWS, Thomson Reuters Datastream).Wer richtig analysiert hat, welche Faktoren gerade die Aktienmärkte dominieren, kann also Portfolios zusammenstellen, die langfristig Überrenditen liefern. Ideales UmfeldDieser Ansatz lässt sich grundsätzlich zwar auch auf Anleihen anwenden, in der Umsetzung stehen dem aber höhere Hürden im Weg. So sind Aktienkurse sehr transparent, da fast alle Transaktionen gut sichtbar über Börsen abgewickelt werden. Bei Anleihen stellt sich die Situation jedoch anders dar, da die Kurse häufig nicht von wenigen zentralen Spielern, sondern zahlreichen Akteuren gestellt werden. Auch ist die Liquidität bei einzelnen Aktien hoch, da es in der Regel nur eine Gattung gibt, auf die sich das gesamte Handelsgeschehen konzentriert.Auf der Anleihenseite hingegen gibt ein Emittent normalerweise eine ganze Reihe von Papieren aus, die mit unterschiedlichen Laufzeiten und Konstruktionsmerkmalen versehen sind. Da sich die Liquidität dadurch auf eine Vielzahl von Anleihen verteilt, können einzelne Transaktionen sehr teuer werden. Anpassungen lohnen sich potenziell nur dann, wenn sie tatsächlich gravierend ausfallen. Kleinere Kurskorrekturen wird man vor diesem Hintergrund nicht durchführen. Entscheidend für die Charakteristik eines nach diesem Ansatz zusammengestellten Portfolios ist in erster Linie die Zahl der Faktoren. Dabei gilt: Je weniger man von ihnen berücksichtigt, desto größer kann die Outperformance ausfallen – allerdings natürlich auch die Underperformance.Kleinere, dafür aber langfristig stabile Überrenditen können durch eine wesentlich breitere Palette an Faktoren erzielt werden. Das DWS-Modell beispielsweise basiert auf 200 verschiedenen Faktoren, mit deren Hilfe die relative Attraktivität einzelner Aktien bestimmt wird. Mittels eines proprietären Algorithmus werden jene Faktoren ausgewählt, welche die aktuelle Marktentwicklung am besten erklären. Auf Veränderungen des Marktumfelds reagiert das Modell durch die Auswahl anderer Faktoren und ist so in der Lage, sich schnell und flexibel anzupassen. Strukturbrüche meisternDie Fähigkeit, sich selbst an radikale Veränderungen des Marktumfelds anzupassen, ist dabei maßgeblich für den langfristigen Erfolg einer Faktorstrategie. Denn einschneidende Ereignisse wie die Finanzmarktkrise führen immer wieder zu Strukturbrüchen in der Relevanz von Faktoren: Hatten vor dieser Zäsur etwa das Kurs-Buchwert-Verhältnis oder das erwartete Umsatz- und Gewinnwachstum Prognosekraft, waren in der Krise vor allem Faktoren gefragt, die mit Risikoaversion assoziiert war. So standen seinerzeit plötzlich auch nur noch tatsächliche Cashflows wie angekündigte Dividenden im Fokus der Märkte.Die Existenz solcher Strukturbrüche ist übrigens auch der Grund, warum die Möglichkeiten maschineller Lernverfahren an den Kapitalmärkten potenziell überschätzt werden. Die stabilen Phasen sind oftmals einfach zu kurz, um es Maschinen zu ermöglichen, Muster verlässlich zu identifizieren.—-Zuletzt erschienen:- (43) Big Data – Milliardengeschäft und Beschleuniger des technologischen Fortschritts, Pictet Asset Management- (42) Champions der Nische oder Large Caps von morgen? Lampe Asset Management—-Ferdinand Haas, Head of Product Strategy, DWS