"In letzter Phase des Bullenmarktes"

Pictet-Chefstratege: Noch zu früh zum Aussteigen - Euro-Aktien und US-Staatsanleihen empfohlen

"In letzter Phase des Bullenmarktes"

Pictet Asset Management glaubt, dass das Ende des Aktien-Bullenmarktes nicht mehr fern ist. Allerdings sei es für den Ausstieg zu früh, sagte Chefstratege Luca Paolini in einem Pressegespräch.ck Frankfurt – Nach Auffassung von Pictet Asset Management ist das Umfeld für Investoren in diesem Jahr herausfordernder geworden. Vor sechs Monaten seien die Wachstumsdaten noch stärker als erwartet gewesen und die Inflation in den USA habe noch deutlich unter dem 2-Prozent-Ziel gelegen, sagte Chefstratege Luca Paolini in einem Pressegespräch in Frankfurt. Nun liege die Inflation in den entwickelten Volkswirtschaften über 2 %, und die Wachstumsraten seien gesunken, auch wenn das Wachstum noch recht stark sei. Diese Veränderung sei auch die fundamentale Ursache für die Aktienmarktkorrektur im Februar. Unternehmensmargen fallen”Wir sind in der letzten Phase des Bullenmarktes”, sagte Paolini. Es sei aber zu früh zum Aussteigen. Der Bullenmarkt sei noch nicht vorbei. Er befinde sich in einer späten Phase. Damit gehe eine höhere Volatilität einher. Das Wachstum liege immer noch über dem Trend. In den USA liege die Arbeitslosenrate mit 3,8 % auf einem Niveau, das zuletzt in den sechziger Jahren zu sehen gewesen sei. Die Folge sei, dass die Löhne steigen würden. “Wir können die Wachstumsraten von rund 3 % in den USA und mehr als 2 % in Europa nicht halten.” Die Unternehmensmargen würden durch das knappe Arbeitskräfteangebot fallen. So etwas sei in der letzten Phase eines Konjunkturzyklus normal, ebenso wie steigende Investitionen der Unternehmen. Derzeit werde erwartet, dass die Unternehmensmargen in den USA von 11 % auf 13 % im Jahr 2020 steigen werden. Das sei überzogen und bedeute ein Risiko für das Jahr 2019 und vielleicht auch schon für 2018.Eine entscheidende Frage sei, wie weit die kurzen Zinsen steigen könnten, bis es zu Turbulenzen an den Aktienmärkten komme. Im zurückliegenden Jahr seien die Auswirkungen der Fed-Zinsanhebungen an den Aktienmärkten gleich null gewesen. Mit einem US-Leitzins von 2 % hätten die kurzen Zinsen real bei 0 % gelegen. “In der Vergangenheit hatten wir noch nie in einer späten Zyklusphase einen Realzins von 0 %.” Die Zinsen seien noch nicht problematisch. “Wenn die Realzinsen auf 1 bis 1,5 % steigen, bekommen wir ein Problem, das heißt, wir haben noch ein bis zwei Jahre Zeit.”Das zweite Risiko neben den Gewinnmargen bestehe darin, dass die Inflation so deutlich steige, dass die Fed ihren Leitsatz noch stärker erhöhe. Dies sei ein Risiko für das Jahr 2019. Die EZB habe bei einer Kerninflation von 1 % keine Eile, die Zinsen anzuheben. Im kommenden Jahr werde die EZB sie um 25 oder 50 Basispunkte erhöhen, sofern die globale Konjunktur gut laufe. Die Finanzbranche sei von den Notenbanken besessen, entscheidend seien aber Konjunktur und Gewinne. Allerdings gebe es eine starke Korrelation zu den Bewertungen. Die Notenbanken hätten für mehr Liquidität gesorgt. Damit habe mehr Geld für Finanzanlagen und Immobilien zur Verfügung gestanden, und das habe die Bewertungen nach oben getrieben. Wenn das Geldmengenwachstum stärker sei als das Wachstum, gebe es mehr Geld für Finanzanlagen. Das habe sich nun verändert, so dass es schwierig sei, sich Aktienerträge vom mehr als 5 bis 10 % vorzustellen. Es gebe noch Potenzial nach oben, aber nicht so viel wie im zurückliegenden Jahr. Zu hohe GewinnerwartungenDer Konsens für die Unternehmensgewinne sei in den zurückliegenden sieben Jahren stets zu hoch gewesen. Im zweiten Halbjahr 2017 habe es wieder positive Überraschungen gegeben, das setze sich fort, sei aber mittlerweile auch eingepreist. Derzeit werde für die USA ein Wachstum der Unternehmensgewinne von 22 % erwartet. Dafür sei ein Wirtschaftswachstum von 6 % erforderlich. Es sei somit unwahrscheinlich, dass die Erwartungen erfüllt würden, was 2018 oder 2019 zum Problem werden könnte. Dies sei ein Grund dafür, dass Pictet US-Aktien skeptisch einschätze. Im Januar sei die Bewertung mit einem KGV von 20 und einem Shiller-KGV von 33 extrem hoch gewesen. Nun seien die Bewertungen gefallen, weil die Gewinne stark gestiegen seien. Zykliker extrem teuerInsgesamt gebe es derzeit nur noch wenige Assetklassen, die im historischen Vergleich billig seien. Das gelte etwa für die europäischen Emerging Markets. Aber gebe es etwa im Falle Russlands oder der Türkei gute Gründe für die niedrige Bewertung. Das Gleiche gelte auch für die Lokalwährungsanleihen der Türkei, Brasiliens und Argentiniens. Neben den US-Aktien seien sehr zyklische Branchen wie etwa der Industriesektor extrem teuer, und zwar fast überall auf der Welt. Das Risiko sei, dass die Investoren für die Konjunktur zu optimistisch geworden seien.Pictet rät unter anderem zu Euroland-Aktien und US-Staatsanleihen. Paolini begründete das mit den Bewertungen. Zwar seien US-Aktien immer teurer als europäische, was auf das höhere Wachstum, mehr Flexibilität für US-Unternehmen und eine flexiblere Wirtschaftspolitik zurückzuführen sei. Bis 2013 hätten allerdings die Aktienrisikoprämien Europas und der USA stark korreliert. Seit 2014 seien sie jedoch auseinandergelaufen; die europäische Aktienrisikoprämie liege deutlich höher als die der USA. Die europäischen Bewertungen seien somit deutlich niedriger bei steigenden Gewinnen und im Vergleich zu den US-Unternehmen niedrigeren Verschuldungsquoten. Anleger würden in den kommenden Monaten Erträge von den Aktienmärkten erhalten, aber mehr in Europa und auch in Japan als in den USA. Darüber hinaus würden sich in den kommenden Monaten eventuell Einstiegsgelegenheiten in den Emerging Markets ergeben.Auf der Anleihenseite böten wiederum die Vereinigten Staaten mehr Potenzial als Europa. Das könne angesichts des stärkeren Wachstums, der höheren Inflation und des steigenden Treasury-Angebots erstaunlich scheinen. 3 % in der zehnjährigen Laufzeit schienen angemessen zu sein. In der Vergangenheit seien die Renditen aber stets gesunken, wenn sie wie jetzt das Niveau des Trendwachstums erreicht hätten. Paolini glaubt zudem, dass die Fed in den kommenden sechs Monaten etwas weniger aggressiv sein wird. Zudem sei in Treasuries vieles schon eingepreist.