Svein Aage Aanes

In Norwegen stehen die Zeichen auf Zinssteigerungen

Svein Aage Aanes, Head of Fixed Income und Forex bei DNB Asset Management, legt im Interview der Börsen-Zeitung dar, wie Norwegens und Schwedens Volkswirtschaften von der Pandemie getroffen wurden und auf welchen Kurs sich die Investoren an den Anleihemärkten in den beiden Ländern einstellen müssen.

In Norwegen stehen die Zeichen auf Zinssteigerungen

Kai Johannsen.

Herr Aanes, wie hat sich die norwegische Wirtschaft unter dem Eindruck der Covid-19-Pandemie entwickelt?

Die norwegische Wirtschaft wurde, wie die meisten anderen Volkswirtschaften auch, von der Covid-19-Pandemie hart getroffen. Das Bruttoinlandsprodukt – BIP – verzeichnete im Jahr 2020 ein Minus von 3,1% – in absoluten Zahlen eine massive Abschwächung, die dennoch weniger heftig ausfiel als in vielen anderen europäischen Ländern. Wie überall war ein Rückgang des privaten Konsums vor allem im Dienstleistungssektor der Hauptgrund für das schwache BIP. Die Arbeitslosigkeit stieg im Frühjahr 2020 kurzzeitig auf 10% an. Doch als die Wirtschaft im Laufe des Jahres wieder Fahrt aufnahm, ging die Arbeitslosigkeit zurück und lag Ende 2020 bei etwa 5%. Im Jahr 2021 hat sich diese positive Entwicklung fortgesetzt. Die wiederholten Lockdown- und Öffnungsmaßnahmen haben den Konjunkturmotor immer wieder ins Stocken gebracht, aber insgesamt war die Wachstumsdynamik recht stark. Für 2021 werden nun ein BIP-Wachstum von 3,8% und ein Rückgang der Arbeitslosigkeit auf 3,3% erwartet.

Welche Perspektiven zeichnen sich für Norwegens Wirtschaft in den kommenden sechs beziehungsweise zwölf Monaten ab?

Vorbehaltlich unvorhergesehener Entwicklungen wie neuer Virusvarianten, bei denen sich die Impfstoffe als weniger wirksam erweisen, sind die Aussichten für die nächsten sechs bis zwölf Monate gut. Wie bereits erwähnt, liegt die Wachstumsschätzung für 2021 bei fast 4% und für 2022 in ähnlicher Höhe. Die Arbeitslosigkeit wird gegen Ende 2022 voraussichtlich auf knapp über 2% sinken. Wir gehen davon aus, dass der private Konsum und hier insbesondere der Dienstleistungsbereich Haupttreiber des Wachstums sein wird. Die Ersparnisse der norwegischen Haushalte sind während der Pandemie stark gestiegen – und so dürfte sich die aufgestaute Nachfrage im kommenden Jahr deutlich in den Wirtschaftszahlen niederschlagen. Norwegen steht in diesen Tagen mit Blick auf die von den Behörden angestrebte Impfquote kurz vor der vollständigen Wiedereröffnung, das heißt der Aufhebung aller noch verbliebenen Covid-Beschränkungen. Derzeit haben etwa 90% aller Erwachsenen eine Impfdosis erhalten, etwas mehr als 80% sind vollständig geimpft. Und obwohl die Zahl der neuen Covid-Fälle nach wie vor für norwegische Verhältnisse recht hoch liegt, bleibt die der Krankenhausaufenthalte auf niedrigem Niveau.

Wie hat die Norges Bank auf die Pandemie reagiert, und wie wirkungsvoll waren die Maßnahmen?

Die Norges Bank antwortete auf die Pandemie im März vorigen Jahres zunächst mit einer sofortigen Senkung des Leitzinses von 1,5% auf 0,25%, gefolgt von einem weiteren Zinsschritt im Mai 2020 auf 0%. Diese Zinssenkungen haben sich vermutlich mit Blick auf den Cash-flow der Haushalte und Unternehmen positiv ausgewirkt – auch wenn die Stimulierungseffekte auf Investitionen und Nachfrage in der außergewöhnlichen Pandemiesituation sehr gering ausfielen. Während die norwegische Notenbank von einer quantitativen Lockerung in Form von Quantitative Easing – QE – absah, wurde ein vollständig von der Regierung finanzierter Pandemie-Anleihefonds – ähnlich wie in Zeiten der Finanzkrise – auf den Weg gebracht, der den Ankauf norwegischer Investment-Grade- und Hochzinsanleihen in Höhe von bis zu 50 Mrd. norwegischen Kronen – NOK – vorsah. Aber genau wie im Jahr 2008 dauerte es aufgrund der parlamentarischen Hürden viel zu lange, und bis der Fonds seine Arbeit aufnehmen konnte, war die Hauptkrise auf dem Anleihemarkt vorüber – so hatte dieser bis August 2021 lediglich 8,8 Mrd. NOK investiert.

Gab es weitere Maßnahmen?

Darüber hinaus setzte die Norges Bank zwei weitere, mit Blick auf das Funktionieren des Marktes vermutlich entscheidende Maßnahmen um. Zum einen intervenierte sie – zum ersten Mal seit 1998 – auf den Währungsmärkten als Reaktion auf die massive Abschwächung sowie Volatilität der NOK, die eine Gefahr für die Liquidität auf den Kreditmärkten darstellten. Die extrem schnelle und starke Abschwächung der NOK führte zu einem massiven Bedarf an liquiden Mitteln für Devisenabsicherungsgeschäfte und einen verstärkten Ausverkauf auf den inländischen Kreditmärkten. Sowohl die Ankündigung der Zentralbank zu handeln als auch die verhältnismäßig kleine Intervention an sich brachten ein gewisses Maß an Ruhe in die Märkte. Zum anderen stellte die Zentralbank den Banken Liquidität mit einer Laufzeit von bis zu zwölf Monaten zur Verfügung, was die Finanzierungsunsicherheiten verringerte. Aus Sicht der Märkte erwies sich die Reaktion der Norges Bank also als durchaus wichtig. Noch wichtiger war mit Blick auf die Realwirtschaft jedoch das finanzpolitische Handeln der Regierung in Form von Unterstützungspaketen für Haushalte und Unternehmen – und Norwegen ist in der glücklichen Lage, diese Maßnahmen ohne staatliche Kreditaufnahmen zu realisieren.

Welcher künftige Kurs lässt sich aktuell für die norwegische Geldpolitik ableiten? Wo sehen Sie in sechs und zwölf Monaten den Leitzins?

Wir rechnen mit Zinserhöhungen – die erste angekündigte Erhöhung von null auf 0,25% ist bereits am 23. September erfolgt. Die Norges Bank hat ziemlich klar ihre Pläne kommuniziert, die Zinssätze recht schnell wieder auf ein normaleres Niveau anzuheben. Da die norwegische Wirtschaft aus ihrer Sicht mit Blick auf die Ressourcennutzung und die Arbeitsmarktentwicklung den Krisenmodus verlässt, sieht der Zinspfad der Norges Bank in den nun folgenden drei geldpolitischen Sitzungen gemäß aktueller Wirtschaftslage weitere Erhöhungen um je 0,25% vor. Mit dieser Geschwindigkeit würde die Norges Bank den Leitzins bis zum Juni nächsten Jahres auf 1% bringen, wenn alles nach Plan läuft. Zwei weitere derzeit von der Zentralbank angedachte Zinserhöhungen sind bis 2025 in langsamerem Tempo geplant. Begründet wird der angestrebte Zinspfad nicht mit der Notwendigkeit, die norwegische Wirtschaft abzukühlen, sondern mit den Inflationserwartungen und der Annahme, dass diese bis dahin deutlich unter dem Inflationsziel bleiben werde.

Wie präsentierte sich die Krone während der Pandemie? Welche Perspektiven zeichnen sich für die Krone ab?

Wie immer ist der Zinspfad der Zentralbank sowohl mit Aufwärts- wie Abwärtsrisiken behaftet. Einerseits könnten wir einen noch stärkeren Anstieg des privaten Verbrauchs erleben, der ab Juni nächsten Jahres zu einem steileren Zinspfad führen könnte. Ich glaube nicht, dass es vor Juni 2022 zu schnelleren Zinserhöhungen als geplant kommen wird, aber wenn das Wachstum positiv überrascht, könnten wir im Herbst nächsten Jahres ein oder zwei zusätzliche Zinserhöhungen erleben. Sollte es sich auf der anderen Seite als schwieriger herausstellen, die Arbeitslosigkeit nach dem anfänglichen Nachfrageschub zu senken, oder sollte es zu unvorhergesehenen Ereignissen mit Belastungen für die Weltkonjunktur kommen, sieht es weniger rosig aus. In diesem Fall wäre es für die Zentralbank ein Leichtes, die eine oder andere Zinserhöhung zu verschieben und bei Bedarf langsamer vorzugehen. Alles in allem erscheint der von der Norges Bank vorgestellte Zinspfad recht ausgewogen, was auf einen Zentralbankzins von 0,75% in sechs Monaten und 1% in zwölf Monaten hindeuten würde.

In welcher Verfassung zeigte sich der norwegische Staatsanleihemarkt während der Krise?

Der norwegische Markt für Staatsanleihen erwies sich während der Krise als erwartungsgemäß stark – zum einen, weil der Markt recht illiquide und das Volumen gering ist und zum anderen auch, weil ein Großteil des ausstehenden Volumens durch Indexnachbildung in den Reserven der Zentralbanken in aller Welt gehalten werden. Als absoluter Inbegriff risikoloser Anlagen auf dem norwegischen Markt haben sich Staatsanleihen in der Krise insgesamt gut entwickelt.

Gut gelaufen ist in den vergangenen Monaten auch der skandinavische Primärmarkt für Unternehmensanleihen: Was waren die Haupttreiber, und welche Performance konnte erzielt werden?

Die skandinavischen Märkte für Unternehmensanleihen haben in 2021 bisher sehr gut abgeschnitten, sowohl mit Blick auf die Neuemissionen als auch auf die Performance. Was die Neuemissionen betrifft, so haben wir sowohl im Investment-Grade- als auch im High-Yield-Bereich ein Rekordvolumen an Emissionen verzeichnet. Bei den Hochzinsanleihen etwa haben wir Ende Juli bereits fast den bisherigen Jahres-Emissionsrekord von 2017 erreicht. Das Emissionsvolumen auf dem nordischen High-Yield-Markt lag Ende Juli bei 186 Mrd. nkr gegenüber 207 Mrd. nkr Ende 2017. Außerdem konnte unser nordischer High-Yield-Anleihefonds mit einer Rendite von fast 8% in nkr im bisherigen Jahresverlauf auch eine starke Wertentwicklung verzeichnen. Zentrale Treiber hierfür waren die gleichen wie überall: ein starker Glaube an ein anhaltendes Wirtschaftswachstum bei abflauender Pandemie und reichlich Liquidität aufgrund der Politik der Zentralbanken in aller Welt.

Was erwarten Sie in den nächsten Monaten in Sachen Emissionstätigkeit der Investment-Grade-Unternehmen und der High Yielder?

Wir gehen von einer starken Emissionstätigkeit bis in den Dezember hinein aus. Die nach wie vor niedrigen Zinssätze in Kombination mit relativ engen Credit-Spreads machen den Markt auch in den kommenden Wochen attraktiv für Emittenten. Für den Bereich der Hochzinsanleihen rechnen wir ebenfalls mit weiteren Erstemissionen im Zuge einer fortschreitenden Verlagerung der Finanzierung weg von den Banken hin zur Marktfinanzierung.

Schweden ging in der Pandemiebekämpfung einen Sonderweg. Wie hat sich dies auf die schwedische Wirtschaft ausgewirkt?

Schweden hat sich eindeutig für ein anderes Modell zur Bekämpfung der Pandemie entschieden und sich weniger auf Maßnahmen als auf die Verantwortung des Einzelnen verlassen. Diese Strategie hat – zumindest bisher – zu einer höheren Zahl von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen geführt, aber in wirtschaftlicher Hinsicht hat sich der Weg als gar nicht so schlecht erwiesen. Das BIP sank im Jahr 2020 um 2,8% und damit weniger deutlich als in der übrigen Eurozone. Die Arbeitslosigkeit stieg im gleichen Zeitraum um 1,5% auf 8,3%. Die Wachstumserwartungen für 2021 und 2022 liegen bei 4,2% beziehungsweise 3,8%. Somit wird sich die Produktionslücke in der schwedischen Wirtschaft voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2022 schließen.

Mit welcher wirtschaftlichen Entwicklung rechnen Sie in Schweden in den kommenden zwölf Monaten?

Schweden befindet sich in einer guten Position, um vom aktuellen Aufschwung im weltweiten Produktionszyklus zu profitieren. Die schwedischen Einkaufsmanager­indizes für das verarbeitende Gewerbe liegen nahe am Rekordniveau, was die Wachstumsaussichten für die schwedische Wirtschaft in Höhe von etwa 4% für die nächsten zwei Jahre untermauert. Wie in Norwegen und den meisten anderen Ländern auch wird das Wachstum des privaten Konsums zur Hauptantriebsfeder.

Schwedens Zentralbank musste ebenfalls zum Quantitative Easing greifen. Wie effektiv waren die Maßnahmen, und mit welchem Kurs rechnen Sie in der Geldpolitik der Sveriges Riksbank in den kommenden sechs und zwölf Monaten?

In Schweden lief bereits ein QE-Programm zur quantitativen Lockerung, als die Krise ausbrach, welches daraufhin in Umfang und Dauer erhöht wurde. Dies zeigte eindeutig Wirkung, da die Zinssätze auch für längere Laufzeiten niedrig gehalten wurden. Leider umfasste das schwedische Programm keine Unternehmensanleihen, so dass es nach Krisenbeginn zu massiven Abflüssen aus schwedischen Kreditfonds kam, da es keine Käufer für dieses Kreditrisiko gab und insgesamt 35 schwedische Kreditfonds für Rücknahmen geschlossen werden mussten. Erst im Juni 2020 beschloss die schwedische Zentralbank, Unternehmensanleihen in ihr QE-Programm aufzunehmen, und begann im September vergangenen Jahres mit dem Kauf. Der Umfang im Rahmen des Programms ist recht gering, aber die Zentralbank will auch künftig auf dem Markt präsent bleiben und gewonnene Erfahrungen nutzen, um den Umfang des Programms in Krisenfällen künftig rasch erhöhen zu können. Aber ähnlich wie in Norwegen bin ich der Auffassung, dass in der speziellen Pandemiekrise die Finanzpolitik eine wichtigere Rolle für die Unterstützung der Wirtschaft gespielt hat als die Geldpolitik.

Wie hat sich Schwedens Staatsanleihemarkt unter dem Einfluss des QE-Programms entwickelt? Und womit rechnen Sie perspektivisch auf Sicht von sechs und zwölf Monaten?

Als die Pandemie ausbrach, hat die Sverige Riksbank sofort gehandelt und das laufende QE-Programm für den Ankauf von Staatsanleihen ausgeweitet. Im Laufe des Jahres 2021 wird die Riksbank insgesamt 91 Mrd. schwedische Kronen – SEK – zusätzlich zu dem im ursprünglichen Programm beschlossenen Volumen ankaufen – derzeit hält sie 367 Mrd. SEK in schwedischen Staatsanleihen. Durch ihr Handeln blieb der Zinssatz für zehnjährige Staatsanleihen im Jahr 2020 bei null Prozent. In diesem Jahr ist der Zinssatz für zehnjährige Anleihen etwas gestiegen, worin sich bereits Erwartungen auf Zinserhöhungen für 2024/2025 abzeichnen dürften.

Wie hat sich die Schweden-Krone entwickelt, und welchen Kurs prognostizieren Sie auf sechs und zwölf Monate?

Wie die NOK schwächelte auch die SEK in der Anfangsphase der Pandemie deutlich. Die Abwärtsbewegung fiel jedoch mit 10% gegenüber dem Euro wesentlich geringer aus als bei der NOK mit 25% gegenüber dem Euro. Seit Ende März 2020 hat sich die SEK dann auf ein ähnliches Niveau wie im Februar 2020 erholt. Wir pflegen keine Währungsprognosen abzugeben, da wir in diesem Bereich keine Risiken eingehen. Bei fortgesetzter Normalisierung des Welthandels und der Produktion sehen wir die schwedische Wirtschaft jedoch gut aufgestellt. Dies könnte zu etwas früheren Zinserhöhungen führen als derzeit veranschlagt – und damit auch zu einer gewissen Stärkung der SEK in der Zukunft.

Das Interview führte

BZ+
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