Rohstoffe

Industriemetall-Superzyklus beschleunigt, nicht verlangsamt

Das langfristige Nachfragewachstum von Industriemetallen dürfte sich beschleunigen. Die Dekarbonisierung dürfte den kommenden Superzyklus antreiben.

Industriemetall-Superzyklus beschleunigt, nicht verlangsamt

Nicht nur Öl und Gas erlebten seit Jahresanfang heftige Kursschwünge an den Rohstoffmärkten, auch Industriemetalle fuhren Achterbahn. Im ersten Quartal konnten sie mit 23% in Dollar gemessen noch an die starke Performance des letzten Jahres anknüpfen. Dabei profitierten sie neben der starken Konjunktur bei knappem Angebot auch von dem heftigen Anstieg der Energiepreise, welche einen erheblichen Teil der Produktionskosten ausmachen. Mit dem Beginn des zweiten Quartals folgte allerdings ein Absturz von mehr als 25%. Denn während sich im Westen die Rezessionssorgen aufgrund der restriktiven Zentralbanken und des anhaltenden Russland-Ukraine-Kriegs verfestigten, ging China in seinen bisher längsten Corona-Lockdown. Kurzfristig bleiben Industriemetalle von dem schlechten Konjunkturausblick im Westen und der damit voraussichtlich rückläufigen Nachfrage belastet. Und gibt es kein Abrücken von der Null-Covid-Politik in China, bleibt dort ebenfalls der Nachfrageausblick ungewiss.

Viel Positives

Dennoch gibt es auch viel Positives zu vermelden. Denn nicht nur die Nachfrage, sondern auch das Angebot leidet unter der hohen Inflation der Inputkosten. Gepaart mit den wieder niedrigeren Metallpreisen verbuchen Produzenten zum Teil jetzt schon Verluste. So dürften derzeit etwa 20% der globalen Aluminiumproduktion unprofitabel sein. Produktionskürzungen dürften folgen und das Angebot (weiter) reduzieren. Zusammen mit bereits sehr niedrigen Lagerbeständen gibt es aus fundamentaler Sicht keine Anzeichen für signifikante Überkapazitäten, die länger fallende Preise rechtfertigen würden. Zudem ist das Ausmaß des Abverkaufs mittlerweile vergleichbar mit Abverkäufen vergangener Rezessionen der letzten 30 Jahre. Der größte Teil des Preisverfalls dürfte also hinter uns liegen. Auch hält der langfristige Trend: Industriemetalle sind zentral in vielen Schlüsseltechnologien im Kampf gegen den Klimawandel. Kupfer etwa findet dank seiner hohen Leitfähigkeit Einsatz rund um das Thema Elektrifizierung. So benötigt Windstrom etwa viermal, Solarstrom sogar bis zu zwölfmal mehr Kupfer als die herkömmliche Stromgewinnung. Aluminium kommt beim Leichtbau zum Einsatz, Nickel ist ein zentraler Rohstoff in der Batterieherstellung. Studien verschiedener Organisationen kommen zu dem Schluss, dass sich die Nachfrage nach diesen Metallen in den kommenden 30 Jahren vervielfachen dürfte, sollten wir die Klimaerwärmung auf unter zwei Grad begrenzen wollen.

Nach dem aktuellen Stand ist die Angebotsseite allerdings auf einen solchen Nachfrageschub nicht vorbereitet. Denn die für ein steigendes Angebot erforderlichen Investitionen wurden seit der Finanzkrise kräftig heruntergefahren. Um das neue Nachfragewachstum durch die Energiewende zu befriedigen, müssen Produzenten wieder mehr investieren. Diese Investitionen schlagen sich allerdings erst mit erheblicher Verzögerung in neuem Angebot nieder.

Denn Planung und Bau einer Mine sind sehr zeitaufwendig (sechs bis 20 Jahre Vorlaufzeit). Diese Kombination aus strukturell stark steigender Nachfrage und einem darauf unvorbereitetem Angebot ist dabei keineswegs ein neues Phänomen. In den vergangenen 100 Jahren waren es immer Phasen schneller Industrialisierung gepaart mit anfänglich knappen Produktionskapazitäten, die einen Rohstoffboom – auch Superzyklus genannt – auslösten, der über Konjunkturzyklen hinweg für steigende Rohstoffpreise sorgte. Anders als damals dürfte es aber nicht die Industrialisierung, sondern die Dekarbonisierung sein, die den kommenden Superzyklus antreibt. Davon dürften vor allem Industriemetalle profitieren.

Man könnte die schlechte Performance von Industriemetallen seit Jahresanfang so deuten, dass auch wenn wir uns am Anfang eines Superzyklus befinden, dieser nun zumindest (erheblich) verzögert wird. Tatsächlich dürften die jüngsten Entwicklungen jedoch eher das Gegenteil bewirken. War die Motivation zur Dekarbonisierung unserer Gesellschaft und Wirtschaft bis zum Ausbruch des Russland-Ukraine-Krieges „nur“ eine Frage der Nachhaltigkeit, hat die hohe Energieabhängigkeit Europas von russischem Gas gezeigt, dass es sich hierbei auch um eine Frage der geopolitischen Sicherheit handelt. Aber auch in anderen Ländern dürften die stark gestiegenen Preise für Öl und Gas Anreize setzen, vermehrt auf erneuerbare Energien zu setzen. Insgesamt dürfte das langfristige Nachfragewachstum von Industriemetallen sich also beschleunigen.

Weniger Investitionen

Im Gegensatz dazu dürfte sich das Angebotswachstum sogar verlangsamt haben. Auch hier sind die Energiepreise ein Katalysator. Die missliche Lage gefallener Metallpreise bei gestiegenen Input- und Finanzierungskosten dürfte nicht nur auf die Profitabilität der Produzenten drücken, sondern schließlich auch in weniger Investitionen für den Bau neuer Minen münden.

Zudem hemmt auch die Dekar­bonisierung selbst Investitionen. Klimaneutrale Technologien befinden sich noch in der Entwicklung, sodass zum Beispiel der Aluminiumkonzern Alcoa kürzlich erklärte, nicht weiter in Produktionskapazitäten zu investieren, bis die von ihnen gegenwärtig entwickelte Technologie einsatz­fähig sei.

Der Nachfrageausblick für die kommenden Monate bleibt also mit großer Unsicherheit behaftet. Allerdings haben Industriemetalle diese Unsicherheit in weiten Teilen mittlerweile eingepreist. Zudem ist das langfristige Aufwärtspotenzial in­takt. Aus unserer Sicht bietet sich daher eine günstige Gelegenheit, noch in den Superzyklus der Indus­triemetalle einzusteigen.

Zuletzt erschienen:

Stunde der Wahrheit für Infrastrukturinvestments (238), Colum­bia Threadneedle