Richard Gröttheim

„Internationale Kooperation ist zentraler Aspekt“

Laut dem Chef des schwedischen Pensionsfonds muss sich das Bewusstsein der Unternehmen für den Klimaschutz verändern. Bisher sei bei einigen Vertretern Greenwashing zu beobachten.

„Internationale Kooperation ist zentraler Aspekt“

Kai Johannsen.

Herr Gröttheim, was sind Ihre persönlichen Lehren aus der Covid-19-Pandemie?

Die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, sich als Individuum an die Restriktionen anzupassen, die die staatlichen Stellen in Schweden ergriffen haben, um diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Außerdem war es wichtig zu zeigen, dass man darüber auch ein gutes Vorbild für andere wird. International hat es uns aber auch gezeigt, dass ein kleiner Teil der Menschen sich vielleicht nicht so verhält, wie sie es eigentlich sollten, auch wenn in manchen Ländern die Restriktionen schon sehr schwerwiegend waren. Eine weitere Lehre ist, dass gerade die Führungsqualitäten in einer Krise wie dieser sehr wichtig sind. Wichtig sind Geduld, Klarheit und Offenheit, um eine Institution in die richtige Richtung zu leiten.

Und was sind die Lehren, die Sie aus der Sicht von AP7 gezogen haben?

Es hat uns vor Augen geführt, wie anpassungsfähig eine Organisation sein muss und wie schnell sie das sein muss, um ihre Geschäftsprozesse weiter führen zu können. Wir mussten sehr schnell mit neuen Technologien klarkommen, um eben ein Portfolio von 80 Mrd. Euro weiterhin so managen zu können, wie es erforderlich ist. Und das musste von zu Hause aus realisiert werden. Die Beschäftigten mussten schnell ihre Arbeit aus den Büros nach Hause verlegen. Dafür brauchten wir das entsprechende Equipment. Denn wir mussten das Portfolio ja weiterhin auf einer täglichen Basis managen und bewerten. Es war beeindruckend zu sehen, wie schnell und professionell das alles funktioniert hat und wie sich darüber eine Organisation wie unsere an die neue Situation anpassen konnte. Beeindruckend und für mich auch etwas überraschend war, wie schnell wir uns auch an die neuen Kommunikationstechnologien wie Videokonferenzen angepasst haben, um eben das Business fortführen zu können. Wenn mir jemand vor zwei Jahren gesagt hätte, dass das alles so gut funktionieren würde, hätte ich es wahrscheinlich nicht geglaubt.

Was ist innerhalb des ESG-Universums wichtig, um tatsächliche Auswirkungen in der realen Welt zu erzielen? Sehen oder erwarten Sie nachhaltige Veränderungen in der Realwirtschaft durch ESG-Ausrichtungen der Investments und nicht nur auf Portfolioebene?

Nehmen wir einmal den Klimaaspekt im Rahmen von ESG-Investments. Wir sind über unser Portfolio bei rund 3000 Firmen weltweit investiert. Es geht darum, das Verhalten der Unternehmen und ihrer Leitungen dahingehend zu verändern, dass sie sich gemäß des Pariser Klimaabkommens ausrichten. Manche Unternehmen wie die Kohleindustrie, die Automobilindustrie oder die Stahlindustrie sorgen immer noch für Umweltbeeinträchtigungen und Klimabelastungen. Es geht darum, diese Industrien nun auf den Weg des Übergangs zu bringen hin zu einer sauberen, weniger belasteten Wirtschaftswelt, einer Welt, die wir vielleicht in 10 oder 20 Jahren haben werden, die dann sehr viel mehr dem Pariser Klimaabkommen entsprechen wird. Es ist zudem wichtig, die Unternehmen dahingehend zu verändern, dass sie ein besseres Verhalten an den Tag legen. Heute ist der Fokus sehr stark auf Klimaaspekte ausgerichtet, es geht aber auch um Menschenrechte und sehr viele andere Aspekte mehr.

Was heißt das für die konkrete Beeinflussung?

Wenn wir uns nur an unserem Portfolio orientieren und beispielsweise sagen, dass wir den CO2-Fußabdruck des Portfolios auf ein bestimmtes Niveau reduzieren wollen und dann Anteile an Unternehmen verkaufen, die die Umwelt beziehungsweise das Klima stärker belasten, und andere kaufen, die sie weniger belasten, wird das die reale Wirtschaft nicht nachhaltig verändern. Wir werden darüber auch nicht die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen. Es muss das Verhalten der Unternehmen verändert werden, um einen Einfluss auf die reale Wirtschaft und das Klima zu erreichen. Ansonsten bleibt es weitgehend nur bei Einflüssen auf der Portfolioebene.

Welche Bedeutung hat die Zusammenarbeit zwischen internationalen, verantwortungsbewusst agierenden Kapitaleignern für die Auswirkungen auf die reale Welt? Was sind die diesbezüglichen Herausforderungen?

Diese internationale Kooperation ist der zentrale Aspekt. AP7 ist beispielsweise einer der bedeutendsten Kapitalgeber beziehungsweise Anteilseigner in Schweden. Aber es gibt auch andere Pensionsfonds wie etwa aus den Niederlanden, die ebenfalls sehr aktiv sind und auch wichtige Kapitalgeber darstellen. Aber jeder Einzelne von ihnen ist eben nicht groß genug, um die maßgeblichen Veränderungen bei Unternehmen und damit in der realen Welt allein herbeiführen zu können. Aber wenn diese Kapitalgeber quasi ein Pooling ihres gesamten Kapitals vornehmen und dann zu Unternehmen gehen und sagen: ‚Wir wollen, dass ihr euer Verhalten ändert‘ – dann sieht die Angelegenheit schon anders aus. Dann bekommen wir auch einen realen Impact auf die Wirtschaft. Die Herausforderung besteht natürlich darin, entsprechende Normen dafür aufzusetzen. Die Pensionsfonds müssen einen gemeinsamem View dafür entwickeln, in welche Richtung sich das jeweilige Unternehmen entwickeln soll. Die größte Kooperation, die wir im Klimabereich haben, ist die 100+ Action. Das zeigt, wenn wir zusammenarbeiten und Normen aufsetzen, können wir das Unternehmensverhalten ändern und einen nachhaltigen Einfluss auf die Wirtschaft erreichen.

Welche Bedeutung haben langfristige Perspektiven und Diver­sifikation bei der Anlage in Ihrem Portfolio eines Pensionsfonds?

Das sind die wichtigsten Punkte, die ein langfristig agierender Investor wie wir als Pensionsfonds AP7 beachten sollte. Wenn man ein breit diversifiziertes Portfolio hat, muss man auch alle damit verbundenen Risiken sehr genau beachten. Man kann dann einzelne Risiken im Portfolio erhöhen – zum Beispiel über bestimmte Instrumente. So machen wir es bei uns auch. Wir könnten das nicht machen, wenn wir kein breit diversifiziertes Portfolio hätten. So können wir aber die Risiken gezielt steuern, die wir auf einen langfristig ausgelegten Horizont in unserem Portfolio anstreben. Di­versifikation ist also der zentrale Punkt, um ein langfristig stabiles und nachhaltiges Portfolio erreichen zu können.

Was ist Ihre Perspektive zu ESG mit Blick auf Geschäftsmodelle etwa in Deutschland – zum Beispiel als aktiver Eigentümer bei europäischen Automobilherstellern?

In den vergangenen fünf Jahren waren wir in Deutschland in viele Angelegenheiten und Prozesse mit eingebunden und haben die Entwicklungen sehr stark mit begleitet. Die Investoren haben in den vergangenen Jahren sehr viel Druck auf die Unternehmen aufgebaut, insbesondere, wenn es um die ESG-Ausrichtung ging und dabei speziell um Klimaaspekte. Das Beispiel Volkswagen zeigt etwa, dass die deutschen Automobilhersteller heute auf einem sehr viel besseren Weg sind, als das noch vor fünf Jahren der Fall war. Das Bewusstsein für ESG und speziell für Klima bewegt sich in Europa und speziell auch in Deutschland in die richtige Richtung.

Wo sehen Sie die großen Herausforderungen für Green und Sustainable Finance in den kommenden Jahren?

Der entscheidende Punkt in diesem Zusammenhang ist: Wir stehen alle unter Zeitdruck! Wir müssen die Unternehmen dahin lenken, dass sie das Bewusstsein für Klima verändern und dass es sich hierbei um eine besorgniserregende Angelegenheit handelt, die die entsprechende Aufmerksamkeit in den Unternehmen und ihren Führungsetagen auf kurzfristige Sicht bekommen muss. Ich glaube, dass viele Unternehmen ihre eigenen Projektionen immer noch auf zu langfristige Zeiträume ausrichten. Sie müssen ihre Geschäftsmodelle schneller verändern, um die Klimaaspekte zu adressieren und schnell umsetzen zu können. Darüber müssen sie dann den realen Impact auf die Wirtschaft erreichen. Manchmal sehen wir bei Unternehmen dann doch eher Greenwashing statt realer Aktionen. Das ist die große Herausforderung, vor der wir Investoren stehen: Wir müssen den Unternehmen klarmachen, dass sie ihre Geschäftsmodelle schnell ändern müssen.

Und was sind die Herausforderungen in der Übergangsphase zu einer wirklich grüneren und nachhaltigeren (Wirtschafts-)Welt, und welche Risiken sind speziell mit dieser Übergangsphase verbunden?

Wir haben es hier zum einen mit dem Greenwashing-Risiko zu tun, zum anderen mit der Herausforderung, dass die Transition-Periode schnell ablaufen muss. Diese Übergangsphase wird uns mit sehr verschiedenen Gesichtern konfrontieren. Wir müssen mehr Angebote an alternativen be­ziehungsweise erneuerbaren Ener­gien haben, um von der Kohle wegzukommen. Da muss natürlich auch die politische Seite noch stärker eingebunden werden. Wir benötigen eine internationale CO2-Besteuerung. Das würde den gesamten Übergangsprozess, weg von der Kohle, natürlich befruchten und dann auch beschleunigen. Wir brauchen also andere Energiequellen und an­dere Wege beim Energiekonsum. Ge­rade die Umstellung auf Elektrifizierung – das E-Auto etwa – ist sehr wichtig.

Gibt es noch andere Aspekte?

Es ist auch wichtig, in der Gesellschaft das Bewusstsein zu ver­ankern, dass es in der Übergangsphase ein großes Angebot an neuer Energie beziehungsweise Energiequellen geben wird. Natürlich haben wir Wind- und Solarenergie, aber es wird auch eine Art Wettbewerb von alternativen Energieträgern geben. Wir brauchen natürlich noch Öl für die nächsten 20 Jahre als Energiequelle. Aber auch die Ölfirmen müssen dahin bewegt werden, dass sie sich mit neuen Energiequellen auseinandersetzen und entsprechende Aktivitäten entwickeln. In diesem Prozess brauchen wir die Einbindung von Investoren, Unternehmen und der Politik gleichermaßen. Und das muss schnell gehen und stellt deshalb eine große Herausforderung dar. Gerade ärmere Länder stehen dann verstärkt vor der Herausforderung, von der Kohle wegzukommen. Sie müssen schnell in diesen Prozess eingebunden werden, denn sie sind oftmals sehr abhängig von diesem Energieträger.

Das Interview führte