Im InterviewClaus Born, Franklin Templeton

„Das sind Entwicklungen, die mich optimistisch machen“

Der Schwellenländerexperte Claus Born von Franklin Templeton sieht positive Entwicklungen an den chinesischen Aktienmärkten. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt Born, was der Trigger für eine richtige Rally im Reich der Mitte sein könnte und was nach der jüngsten Schwächephase inzwischen wieder für Indien spricht.

„Das sind Entwicklungen, die mich optimistisch machen“

Im Interview: Claus Born

„Das sind Entwicklungen, die mich optimistisch machen“

Franklin-Templeton-Portfoliomanager sieht gute Chancen in China – Indische Large Caps sind nach Abkühlung wieder attraktiv bewertet

Der Schwellenländerexperte Claus Born von Franklin Templeton sieht positive Entwicklungen an den chinesischen Aktienmärkten. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt Born, was der Trigger für eine richtige Rally im Reich der Mitte sein könnte und was nach der jüngsten Schwächephase inzwischen wieder für Indien spricht.

Herr Born, blickt man auf die großen Emerging Markets China und Indien, so haben sich diese zuletzt sehr unterschiedlich entwickelt. In China war es in den letzten Jahren für Aktionäre eher schwierig, Geld zu verdienen. Was erwarten Sie für die Zukunft an diesen Märkten?

Das sind natürlich unterschiedliche Fälle, aber ich bin in beiden durchaus optimistisch. Die Sicht, dass man in China in den letzten Jahren kein Geld verdienen konnte, würde ich gerne ein bisschen challengen. Richtig ist, dass es in den letzten drei Jahren eine große Herausforderung darstellte, Geld zu verdienen,  weil die Börsenindizes in China massiv korrigiert haben. Das letzte Jahr war allerdings ein sehr gutes Börsenjahr für China und sogar unter den top-performenden Märkten im Jahr 2024. In Dollar ist der Markt um ungefähr 20% gestiegen. Das war kein stetiger Anstieg, sondern nahm Fahrt auf, als die Regierung im dritten Quartal Stimulus-Maßnahmen angekündigt hat. Auch DeepSeek hat für einen Boost gesorgt. Mit der Wahl von Donald Trump wurde das dann wieder etwas zurückgenommen.

Trotzdem sehen Sie inzwischen eine bessere Stimmung für China?

Ja. China ist auch in diesem Jahr wieder unter den besten Märkten zu finden. China hat schon Anfang letzten Jahres interessant ausgesehen, wenn man sich die Gewinnerwartungen zu diesem Zeitpunkt angeschaut hat. Die Bewertungen waren am unteren Ende der historischen Bandbreite. Die Stimmung für China war trotzdem so schlecht, wenn man Ende 2023, Anfang 2024 mit Investoren über China sprechen wollte, wurde viel einfach abgeblockt. Nach dem dreijährigen Bärenmarkt war die Stimmung absolut unten. Das war wie eine Achterbahn, denn drei Jahre zuvor war die Stimmung noch wirklich euphorisch, sodass Anleger zu diesem Zeitpunkt häufig gefragt haben, soll ich in irgendwas anderes außer China überhaupt noch investieren?

Was macht China nun weiterhin interessant?

Es ist ein sehr diversifizierter Aktienmarkt und natürlich gibt es ein großes Wirtschaftswachstum. Wir haben da eine hoch innovative Wirtschaft, nicht nur im Bereich von künstlicher Intelligenz, sondern auch im Bereich der Solarenergie, bei erneuerbaren Energien generell, auch in vielen anderen Bereichen. Da findet man immer Unternehmen, in die man investieren kann. Das Bewertungsniveau ist auch nach den kleinen Rallys, die wir in China gehabt haben, immer noch unter dem langfristigen Durchschnitt. Die Gewinnaussichten sind auch gut, so dass da durchaus noch Luft nach oben sein sollte. Insbesondere, da chinesischen Investoren noch gar nicht so richtig in Erscheinung getreten sind. Die sind bisher nicht im großen Stil an die Börse zurückgekehrt. Wenn chinesische Investoren wieder mehr an der eigenen Börse investieren, könnte das der Trigger für eine richtige Rally sein.

Da hakt es aber weiterhin. Wegen der Immobilienkrise, die ja nach wie vor nicht überstanden ist?

Da gibt es mehrere Einflussfaktoren. Die Immobilienkrise hat auf die Stimmung geschlagen. Chinesen haben sehr viel Geld auf Bankkonten liegen, mehr als in der Vergangenheit und wesentlich mehr als im Aktienmarkt. Vom Immobilienmarkt lassen natürlich auch sehr viele nun die Finger. Die letzten Jahre haben die Chinesen vorsichtiger gemacht. Bei der Immobilienkrise hatte man vorher lange gedacht, da geht es nur nach oben. Das war eine grundsätzlich falsche Annahme und schon eine recht traumatische Erfahrung. Dazu kam die Corona-Krise, unter der die chinesische Bevölkerung durch längere Lockdowns mehr gelitten hat, als westliche Bevölkerungen. Beides hat die Sparneigung auch in sichere Anlagen hochgetrieben. Da sind wir noch nicht ganz raus, aber irgendwann kommt immer die Talsohle. Wir könnten da durchaus nah dran sein.

Was macht Sie so optimistisch?

Die chinesische Regierung möchte das Konsumklima stärken. Darüber hinaus möchte man den Aktienmarkt für Anleger attraktiver machen. Das ist wichtig, weil der Aktienmarkt ursprünglich insbesondere für Unternehmen, die Anteile dort platzieren wollten, attraktiv war. Aktionärsrechte und -interessen standen nicht so im Vordergrund. Das hat sich seit Anfang letzten Jahres geändert. Es gibt jetzt einen neuen Regulator, der dafür sorgen möchte, dass der chinesische Aktienmarkt für Sparer interessant ist und dass sich Anleger dort wohl und sicher fühlen. Bei den Listings wird mehr kontrolliert und es werden Anreize dafür geschaffen, dass es mehr Ausschüttungen gibt und generell eine aktionärsfreundlichere Politik gefahren wird, denn so ein Markt, der drei Jahre runtergeht, ist natürlich auch für die Wirtschaftspolitik der Regierung kein schönes Zeugnis. Das alles sind Entwicklungen, die mich optimistisch machen, dass wir da irgendwann den Turnaround sehen werden. Auf keinen Fall würde ich den chinesischen Aktienmarkt langfristig abschreiben.

Kurzfristig haben wir allerdings mit Donald Trump wieder jemanden, der nicht nur China, sondern so ziemlich alle Märkte durcheinanderbringt. Gerade gegenüber China schaukelte sich das zuletzt rhetorisch wieder hoch. Wie schätzen Sie das ein?

Ich glaube nicht, dass China in einen heißen Krieg mit den USA einsteigen möchte. Es hat kaum eine Minute gedauert, bis die chinesische Regierung auf die Zölle der Trump-Regierung mit eigenen Zöllen gegenüber den USA reagiert hat. Diese Zölle waren auf Punkte ausgerichtet, die den Amerikanern weh tun, insbesondere in der Landwirtschaft. Man möchte sich nicht einschüchtern lassen und viele Politiken von Donald Trump sind darauf ausgerichtet, Angst zu machen. Darüber hinaus hat man sich inzwischen weniger abhängig gemacht von Exporten in die USA, als das noch unter der ersten Trump-Regierung der Fall war.

Wenn es in China wieder aufwärtsgehen sollte, welche Branchen sehen Sie dann vorne? Ist das Technologie, die im letzten Herbst gefragt war, als vielen auffiel, wie viel günstiger chinesische Titel im Vergleich zu amerikanischen sind?

Wenn ich mir unser Emerging-Markets-Portfolio anschaue, dann haben wir schon einen sehr starken Fokus auf Technologie. Wir haben schon letztes Jahr unsere Positionen aufgebaut bei Unternehmen wie Alibaba und Tencent. Für diese Unternehmen sprechen sehr günstige Bewertungen und eine extrem gesunde Bilanzsituation. Dazu kommt ein Wandel in der Einstellung der chinesischen Regierung gegenüber Internet- und Technologieunternehmen. Zuletzt gab es ein Treffen der chinesischen Regierung mit Technologieunternehmern, inklusive Jack Ma von Alibaba. Damit hat die Regierung gezeigt und unterstrichen, wie wichtig diese Unternehmer sind. Nach der Regulierungswut, die es vor vier Jahren gab, ist bei der Regierung die Erkenntnis gereift, wir brauchen diese Unternehmer, wir brauchen diesen Drive von Leuten, die Sachen entwickeln wollen, die Geld verdienen wollen. Das ist ein wichtiges Zeichen und macht diesen Bereich noch mal interessanter.

Wie sehen Sie den anderen großen asiatischen Markt? Indien lief in den letzten Jahren sehr lange sehr gut, hat zuletzt aber geschwächelt. Wo sehen Sie die Gründe dafür?

Der 26. September des letzten Jahres war der Peak des indischen Marktes. Seitdem haben wir eine Korrektur von ungefähr 20% im indischen Markt gesehen. Es gab schon handfeste Trigger für diese Korrektur. Ab dem dritten Quartal gab es eine weniger positive Gewinnentwicklung bei indischen Unternehmen. Daraufhin sind die Gewinnerwartungen im indischen Markt nach unten angepasst worden. Das hat zu einer Kurskorrektur geführt. Das geringere Gewinnwachstum geht auf eine Verlangsamung der Konjunktur zurück. Das ist nicht ganz untypisch für ein Wahljahr, weil Wahljahre immer durch Unsicherheiten gekennzeichnet sind. Insbesondere bei großen, weitreichenden Entscheidungen treten Investoren dann häufig schon mal etwas auf die Bremse. Das ist auch in Indien geschehen.

Und wie geht es nun weiter?

Wir sehen seit dem Jahresende wieder mehr Aktivität und denken, dass sich das auch in den Unternehmensergebnissen und den Wachstumsraten widerspiegeln sollte. Bei den Ergebnissen vom ersten, oder spätestens vom zweiten Quartal sollte es wieder nach oben gehen. Wir hatten zuletzt eine Korrektur der Gewinnprognosen um ungefähr 7% und Korrekturen im Markt von 20%. Die Bewertungen sind also günstiger geworden, insbesondere bei den Large Caps. Der Large Cap-Bereich war auch nie so überbewertet wie Small Caps und Mid Caps. Die Korrektur hat mittlerweile zu attraktiven Kursen geführt. Wir haben in Indien schon im Laufe des letzten Jahres unseren Anteil im Small- und Mid Cap-Bereich aktiv nach unten gefahren und gleichzeitig den Large Cap-Bereich aufgestockt.

Sie sind also für Indien in näherer Zukunft positiv gestimmt? Die grundsätzlich guten Bedingungen des Landes bestehen ja weiterhin.

Wir sprechen hier von einer Konjunkturabkühlung. Das ist ja keine Rezession. Wir haben immer noch Wachstumsraten von um die 6%. Und wir denken, dass sich das mittelfristig bei sechseinhalb, 7% einpendeln sollte. Langfristig sehen wir keine Änderung in den Trends. Von der Regierung werden weiterhin Reformen implementiert. Wir sehen weiter einen Ausbau der Infrastruktur und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen.

Man hat sich jetzt auch ein bisschen um den Konsumenten gekümmert. Angestellte mit einem Einkommen von bis zu 15.000 Dollar pro Jahr müssen gar keine Steuern mehr zahlen. Das ist recht viel, weil der typische Angestellte in Indien 10.000 bis 12.000 Dollar verdient. Gerade für die urbane Mittelschichte ist das natürlich eine Erleichterung. Davon sollte insbesondere der Nicht-Basiskonsum profitieren.

Welche Sektoren halten Sie in Indien noch für spannend?

Wir sind am meisten im Nicht-Basis-Konsumgüterbereich engagiert und auch im Gesundheitsbereich. Es gibt in Indien sehr viele Krankenhausbetreiber, die an der Börse notiert sind und da sind wir in einigen ausgewählten investiert. Höherwertige Gesundheitsdienstleistungen haben ein sehr hohes Wachstumspotenzial in Indien. Insbesondere wenn man zu mehr Geld kommt, wenn man einen Job bekommt oder eine Krankenversicherung hat, sind das Ausgaben, die man priorisiert.

Sehen Sie neben China und Indien noch andere Märkte, bei denen Sie sagen, da lohnt es sich, mal einen Blick drauf zu werfen? Argentinien hat zuletzt für viele Schlagzeilen gesorgt.

Argentinien und Milei sind auf jeden Fall nie langweilig. Nachdem er an die Macht gekommen ist, gab es am argentinischen Aktienmarkt eine Rally. Die Kurse haben knapp 150% angezogen. Seit Jahresanfang geht die Kurve nun wieder nach unten. Wir haben eine Korrektur von knapp 25% gesehen und ich sehe da auch noch keine Bodenbildung. Den Markt muss man vielleicht noch ein bisschen beobachten. Aber Argentinien ist ja auch kein Emerging Markets im klassischen Sinne. Aus dem MSCI Emerging Markets Index ist Argentinien vor ein paar Jahren rausgeflogen. Und das Land ist ja noch nicht mal in den Frontier Markets-Index gekommen, sondern schwebt als Einzelindex im MSCI-Universum herum. Der argentinische Peso ist ziemlich überbewertet. Da muss man mal sehen, wie sich das weiterentwickelt.

Welche Länder haben Sie dann eher auf dem Schirm?

Wenn man in Südamerika bleibt, sieht man, dass sich der brasilianische Markt dieses Jahr wieder etwas erholt hat, insbesondere durch die Erholung des brasilianischen Reals. Und Brasilien ist auch eines der Länder innerhalb unseres Emerging Markets-Portfolios, bei denen wir übergewichtet sind. Wir finden vergleichsweise sehr günstige Bewertungen im brasilianischen Markt. Gleichzeitig sind die Unternehmen gesund. Die Dividenden sind derzeit die höchsten in Lateinamerika und auch im Vergleich zur Vergangenheit. Da ist also durchaus Potenzial da.

Was ist mit Mexiko?

Auch Mexiko ist günstig bewertet, natürlich auch durch den Stress mit Donald Trump und den Zöllen. Die US-amerikanische und die mexikanische Wirtschaft sind extrem eng integriert. Ob sich diese Zölle da überhaupt durchsetzen lassen und aufrechterhalten? Die Frage, ob das dauerhaft möglich ist, muss man sich stellen. Der mexikanische Markt ist recht attraktiv, wenn man sich das im historischen Vergleich anschaut. Sehr gesunde Unternehmen, die darüber hinaus nicht nur in Mexiko tätig sind. Die haben über die letzten 20 Jahre in vielen Fällen auch Unternehmen in den USA und im Rest von Lateinamerika übernommen.

Zur Person: Claus Born ist Senior Vice President und institutioneller Portfoliomanager für Franklin Templeton Emerging Markets Equity mit Sitz in der Frankfurter Niederlassung. Born verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung auf den Aktienmärkten der Schwellenländer. Bis 2014 war er Mitglied der Portfoliomanagement-Teams der Lateinamerika- und Frontier-Markets-Strategien.

Das Interview führte Tobias Möllers. Das vollständige Interview lesen Sie unter www.boersen-zeitung.de.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.