„Das ist ein echter Game Changer“
Im Interview: Stephen Freedman
„Das ist ein echter Game Changer“
Pictet-Analyst sieht sieben Trends am Aktienmarkt – DeepSeek könnte gesamte KI-Wertschöpfungskette verändern – Holz bietet vielfältige Möglichkeiten
Stephen Freedman, Aktienstratege bei Pictet Asset Management, erklärt im Interview der Börsen-Zeitung, welche Trends sich für 2025 am Aktienmarkt abzeichnen. Beim Thema KI sieht er eine bedeutende Veränderung. Außerdem erklärt Freedman, warum er den Rohstoff Holz neu für sich entdeckt hat und was man damit alles machen kann.
Herr Freedman, die Pictet-Gruppe hat sieben Trends identifiziert, die im Jahr 2025 besonders im Fokus stehen. Welche sind das?
Wir unterscheiden zwischen Megatrends, die als globale sozioökonomische, ökologische oder technologische Kräfte des Wandels wirken und zehn bis 15 Jahre andauern. Darüber hinaus gibt es dynamischere Trends, die innerhalb dieser Megatrends auftreten und oft nur zwei bis drei Jahre relevant sind, bevor sie von anderen Entwicklungen abgelöst werden. Für das Jahr 2025 ist die Thematik der künstlichen Intelligenz besonders hervorzuheben. Die generative KI hat eine riesige Welle ausgelöst, die weiterhin anhalten wird. Ein weiterer Trend betrifft dreidimensionale integrierte Schaltungen, auch bekannt als 3D-Chips, die eine effizientere Chip-Technologie ermöglichen. Im Gesundheitswesen sind sogenannte CDMOs, also Vertragshersteller und -entwickler, ein bedeutender Trend, der das Outsourcing in der Branche vorantreibt. In der Holzwirtschaft sehen wir spannende Entwicklungen in der nachhaltigen Nutzung von Holz. Resilienz ist ein weiterer Trend für uns. Und schließlich haben wir im Bereich der Ernährung die sogenannten funktionalen Nahrungsmittel identifiziert.
Lassen Sie uns konkret auf die einzelnen Trends eingehen. Sie haben als erstes KI genannt. Das hört man von vielen Investmenthäusern, Sie blicken jedoch darüber hinaus und betrachten auch die Bereiche Robotik und Automatisierung. Was erwarten Sie hier?
Alles im Bereich der Automatisierung ist eng miteinander verknüpft. Die Frage ist immer, mit welchen Daten diese Modelle trainiert werden können. Und gerade in gewissen Bereichen der Automatisierung liegt der große Vorteil darin, dass Systeme mit synthetischen Daten trainiert werden können, anstatt ausschließlich auf reale Daten angewiesen zu sein. Ein bekanntes Anwendungsbeispiel sind selbstfahrende Autos. Diese Technologie lässt sich jedoch auch hervorragend in der Verfahrenstechnik bei der Prozessautomatisierung einsetzen.
Was erwarten Sie beim Thema KI?
Seit der Veröffentlichung unserer Trend-Studie hat sich mit dem chinesischen Modell DeepSeek eine bedeutende Entwicklung ergeben. Aus unserer Sicht ist das ein echter Game Changer. Wir erleben eine Demokratisierung des Einsatzes generativer KI-Modelle. Die ökonomische Logik hat sich verändert, da DeepSeek vergleichbare Leistungen zu bestehenden Modellen bei deutlich geringeren Kosten bietet. Dies könnte die gesamte Wertschöpfungskette verändern. Ökonomische Akteure können durch Kreativität mehr erreichen, was möglicherweise zu einer größeren Kluft zwischen erfolgreichen Anwendern und „Nachzüglern“ führen könnte. Wir befinden uns am Anfang einer neuen Phase im Einsatz dieser generativen KI-Modelle.
Im Bereich Technologie richten Sie Ihren Fokus auch auf 3D-Chips. Was können diese Chips und, wer ist in diesem Markt gut positioniert?
Hierbei spielt das Moore'sche Gesetz im Halbleiterbereich eine wichtige Rolle, das besagt, dass sich die Leistungsfähigkeit und Effizienz alle zwei Jahre verdoppeln. Mit der bisherigen zweidimensionalen Technologie stoßen wir an physikalische Grenzen, was in den vorigen Jahren zu einem Umdenken geführt hat. Aus diesem Grund dürfte sich die Umstellung von zwei- auf dreidimensionale Halbleiter fortsetzen. Die großen Produzenten wie TSMC sind dabei, diese Logik anzuwenden und weiter zu erforschen. Wir stehen also noch am Anfang dieses Trends.
Sie haben auch einen Trend aus dem Pharmabereich genannt: CDMOs. Was genau ist das, und wie können Anleger von diesem Trend profitieren?
CDMOs, also Contract Development and Manufacturing Organizations, übernehmen bestimmte Bereiche der Wertschöpfungskette im Pharma- und Biotechnologiebereich, wie die Entwicklung und Herstellung von Medikamenten. Biotechunternehmen, die nicht in die hohen Fixkosten der Produktion investieren möchten, können diese Aufgaben beispielsweise an CDMOs auslagern, wodurch Pharmaunternehmen Risiken teilen können. Anleger können in Unternehmen investieren, die solche spezialisierten Dienstleistungen anbieten. In der Schweiz ist Lonza ein bedeutender Akteur in diesem Bereich, ebenso wie Thermo Fisher. Wir beobachten, dass der Anteil der Produktion, der bei diesen CDMOs stattfindet, steigt und wir erwarten, dass dieser Trend weiter zunehmen wird.
Auch Holz zählt für Sie zu den Trends des Jahres. Sie haben den Rohstoff für sich neu entdeckt. In welchen Bereichen kann Holz denn noch zum Einsatz kommen?
Es gibt eine Vielzahl von Anwendungsbereichen entlang der gesamten Holzwertschöpfungskette. Holz wird nicht nur als traditionelles Baumaterial verwendet, sondern auch als Ersatz für Beton in größeren Strukturen, insbesondere durch die Technik des kreuzweise verleimten Holzes - Cross Laminated Timber. Mit dieser Fertigungstechnik, bei der verschiedene Schichten von Holz gekreuzt werden, kann eine Widerstandsfähigkeit vergleichbar zu Beton erreicht werden. Das ermöglicht sogar den Bau von Hochhäusern mit bis zu 20 Stockwerken.
An welche Bereiche denken Sie noch?
Holzfasern kommen auch zunehmend im Textilbereich zum Einsatz, was zu leistungsfähigeren und biologisch abbaubaren Materialien führen kann, beispielsweise für Sporttextilien. Auch im Energiesektor sehen wir, dass Holz als Energieträger zum Einsatz kommt, etwa bei der Herstellung von Bioethanol der zweiten Generation. Nachhaltige Forstwirtschaft und langlebige Holzprodukte tragen zur Verringerung des CO2-Fußabdruckes bei und sind ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.
Die meisten Investmenthäuser sehen einen steigenden Energiebedarf voraus. Worauf setzen Sie in diesem Bereich?
Unser Fokus liegt darauf, den CO2-Fußabruck zu reduzieren, sowohl durch den Einsatz erneuerbarer Energien als auch durch die Steigerung der Energieeffizienz. Besonders interessant sind für uns Investitionen in Unternehmen, die anderen dabei helfen, ihre Energieeffizienz zu verbessern. Dies hat positive Auswirkungen sowohl auf die CO2-Bilanz als auch auf die wirtschaftliche Effizienz, und wir sehen hier interessante Geschäftsmodelle. Solche Unternehmen finden sich in der Industrie, im Verkehrssektor und im Bauwesen, etwa durch bessere Wärmedämmung und Energiemanagement in großen, komplexen Gebäuden. Diese Aspekte erscheinen uns vielversprechend und sind wesentliche Bestandteile unserer Umweltportfolios.
Resilienz ist ein Stichwort Ihres sechsten Trends. Können Sie das näher erläutern?
Im Klimabereich gibt es zwei wesentliche Tendenzen. Erstens hat man lange vermieden, über Klimaadaptation zu sprechen, um den Fokus auf die Reduktion des CO2-Ausstoßes zu behalten. Mittlerweile ist jedoch klar, dass das Thema Resilienz unvermeidlich ist. Es geht darum, die Fähigkeit zu erhöhen, auf Schocks – sei es wirtschaftlich, bei Naturkatastrophen oder klimabedingt – zu reagieren, indem die Infrastruktur verbessert wird. Resilienz ist weniger polarisierend in der Klimadiskussion und gewinnt daher zunehmend an Bedeutung.
Als siebten und letzten Trend für das Jahr 2025 nennen Sie Sportlernahrung und so genanntes Functional Food. Was steckt dahinter?
Hier treffen die Segmente Sport und Ernährung aufeinander, besonders im Gesundheitsbereich. Es wird intensiv geforscht, wie Vitamine, Mineralstoffe, Probiotika und Nahrungsergänzungsmittel Leistungsfähigkeit und Gesundheit verbessern können. Besonders interessant erscheinen uns Unternehmen, die die Zutaten für solche Produkte herstellen. Hier liegt die größte Wertschöpfung. US-Gesundheitsminister Kennedy plant Maßnahmen zur Prävention im Nahrungsbereich, die dazu führen könnten, dass viele Konzerne ihre Produkte umformulieren müssen. Die Zutatenhersteller wären in der Lage, die Formeln anzupassen.
Zur Person: Stephen Freedman ist seit 2019 als Sustainability and Research Manager, Thematic Equities, bei Pictet Asset Management. Bevor er zu Pictet stieß, war er bei UBS Wealth Management tätig, zuletzt als Head of Sustainable Investing Solutions für Amerika in New York. Zuvor war Freedman in verschiedenen Positionen im Bereich Investment Strategy tätig, u.a. als Head of Thematic Investing Strategy und Head of Tactical Asset Allocation.
Das Interview führte Tobias Möllers.
Das Interview führte Tobias Möllers.