IM INTERVIEW: YUICHI MURAO, NOMURA ASSET MANAGEMENT

"Japan ist kein deflationäres Land mehr"

Head of Investment: Sehr positive makroökonomische Veränderungen - Corporate-Governance-Verbesserungen ein Treiber

"Japan ist kein deflationäres Land mehr"

Japan verbinden viele Investoren mit Deflation sowie hoher Abhängigkeit von Exporten und damit vom Außenwert des Yen. Doch die Vorstellungen ausländischer Anleger treffen manchmal nicht ganz die Realität des Landes, meint Yuichi Murao, Head of Investment, Japan Equity von Nomura Asset Management. Murao ist für den japanischen Aktienmarkt zuversichtlich, weil seiner Einschätzung bedeutende positive Veränderungen stattfinden.- Warum sollten Anleger Ihrer Meinung nach ein Auge auf Japan werfen?In Japan erleben wir einige sehr positive makroökonomische Veränderungen zum Besseren. So sehen wir nun eine positive Potenziallücke. Das Land hat die Deflation überstanden, auch das Nachfragedefizit ist überwunden. Wir haben ein Wachstum über dem Potenzial, und das ist inflationär. Das Potenzialwachstum lag lange bei 1 %. Jetzt verbessert es sich. Die Gründe sind die steigende Arbeitsbevölkerung sowie die steigende Produktivität der japanischen Unternehmen.- Gerade mit Japan assoziiert man doch eine alternde Bevölkerung. Wie kommt denn der Anstieg der Arbeitsbevölkerung zustande?Dazu tragen mehrere Faktoren bei. So gibt es seit dem Jahr 2012 einen stetigen Anstieg der Teilnahme der Frauen am Arbeitsleben. Hinzu kommt eine zunehmende Teilnahme älterer Japaner. Außerdem wächst die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer stark. Sie liegt mittlerweile bei 1,3 Millionen Menschen. Die Restriktionen für Arbeitsgenehmigungen werden gelockert, und wir erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Die Arbeitsbevölkerung wird weiter steigen, und das wird das Wirtschaftswachstum stützen.- Wie entwickelt sich die Kaufkraft der Bevölkerung?Die japanische Arbeitslosenrate liegt bei sehr niedrigen 2,4 %. Seit dem Jahr 2013 steigen die Löhne, und wir gehen davon aus, dass sie unter den gegebenen Voraussetzungen weiter steigen werden. Das ist für die Einnahmen der privaten Haushalte positiv.- Wie entwickelt sich die Investitionstätigkeit?Kapazitätsengpässe und Kapitalstockknappheiten sorgen dafür, dass die Erzeugerpreise steigen. Davon sind nicht nur die produzierenden Branchen, sondern auch der Dienstleistungssektor betroffen. Die Unternehmen erhöhen ihre Investitionen, ablesbar beispielsweise an steigenden Maschinenaufträgen und Software-Umsätzen. Nach Jahrzehnten der Deflation waren die japanischen Unternehmen sehr konservativ. Das hatte zur Folge, dass sie in den zurückliegenden zehn Jahre unterinvestiert waren. Jetzt müssen sie aber investieren, um die steigende Nachfrage zu bedienen. Wir sehen bedeutende Veränderungen, von denen wir wollen, dass internationale Investoren sie verstehen. Japan ist kein deflationäres Land mehr.- Wie ist es um die Gewinne der japanischen Unternehmen bestellt?Obwohl die Wirtschaft des Landes nicht sonderlich stark gewachsen ist, haben sich die Gewinne je Aktie in den zurückliegenden fünf Jahren nahezu verdoppelt, ebenso die Aktienkurse. Für das im März 2019 endende Fiskaljahr rechnen wir mit einem Gewinnwachstum von 8,7 %, gefolgt von einem weiteren Wachstum von 8,4 % im Fiskaljahr per März 2020. Die Eigenkapitalrendite ist auf 10,4 % gestiegen und nähert sich damit dem europäischen Niveau von 12,7 % an. Sie hat damit auch das höchste Niveau seit den achtziger Jahren erreicht. Wir sehen aber noch Spielraum beim Financial Leverage.- Welche Rolle spielen die Veränderungen in der Corporate Governance?Durch den neuen Governance Codex haben die japanischen Unternehmen ein gesteigertes Bewusstsein bezüglich des Shareholder Value. Die Folge sind steigende Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe. Die Unternehmen versuchen nun, durch mehr Auskehrungen die Eigenkapitalrendite zu erhöhen. Eine stetig zunehmende Zahl von Unternehmen besetzen ihre Boards mit unabhängigen Mitgliedern. Die Veränderungen in der Corporate Governance sind eindeutig ein im Vergleich zu anderen Aktienmärkten positiver Treiber.- Wie hoch ist die Abhängigkeit der Unternehmensgewinne vom Außenwert des Yen?Viele denken, dass die starke Gewinnentwicklung auf die Abschwächung des Yen zurückzuführen ist. Mit Blick auf die exportorientierten Branchen stimmt das auch. Im laufenden Zyklus haben wir aber gesehen, dass die Erholung auch vom Binnensektor getragen worden ist. Ursache ist die verbesserte Angebots-/Nachfragesituation. Die Preissetzungsmacht der Unternehmen hat sich dramatisch verbessert. Auch das ist eine bedeutende Veränderung in Japan.- Welche Bedeutung hat China für den japanischen Aktienmarkt?Erhebliche Chancen gehen unter anderem von dem sich verbessernden Lebensstandard in Asien aus. Geografische Faktoren und kulturelle Ähnlichkeiten haben zur Folge, dass japanische Konsumprodukte eine aktive Rolle in den asiatischen Märkten spielen. Beispiele für entsprechende Aktien sind Unicharm, ein Anbieter unter anderem von Windeln, der Babyflaschenhersteller Pigeon und Suzuki, die unter anderem am indischen Automobilmarkt führend ist.- Welche Investmentthemen des Technologiebereichs bietet interessante Investmentgelegenheiten?Beispielsweise die Produktionsautomatisierung, ein Thema, das man auch unter dem Begriff “Industrie 4.0” kennt. Die Nutzung von Maschinen oder IT-Systemen zur Automatisierung von Fabrikproduktionsprozessen ist einer der großen Trends unserer Zeit. Die Vorteile sind Einsparungen bei den Arbeitskosten, Verbesserungen durch die höhere Präzision von Maschinen, erhöhte Effizienz und so weiter. Japanische Unternehmen, die von diesem Trend profitieren, sind Keyence, Fanuc und SMC. Ein weiteres bedeutendes Thema ist die Informationsgesellschaft. Eine riesige, exponentiell gewachsene Masse an Informationen ist nun weltweit und zu jeder Zeit einfach zugänglich. Beispiele für in diesem Thema positionierte börsennotierte Unternehmen sind M3, ein führendes Medizin-Portal, MonotaRO und Nidec.- Welche weiteren Themen würden Sie hervorheben?Beispielsweise die Alterung der japanischen Bevölkerung. Die Zahl der über Fünfundsiebzigjährigen wird Schätzungen zufolge von 14 Millionen im Jahr 2010 auf 23 Millionen im Jahr 2030 steigen. Ihr Anteil an der Bevölkerung wird sich dadurch von 10 % auf 20 % erhöhen. Davon werden beispielsweise Anbieter von Produkten für alte Menschen wie etwa Unicharm profitieren. Außerdem gibt es Unternehmen, die in der sehr schnell wachsenden Energieeffizienzbranche engagiert sind. Japan ist eines der energieeffizientesten Länder der Welt und exportiert viele entsprechende Produkte und Technologien in andere Länder. Beispiele für in dieser sehr schnell wachsenden Branche engagierte Unternehmen sind Nidec, Daikin Industries und Mitsubishi Electrics.- Wie gehen Sie bei der Aktienselektion vor, wie ist Ihr Fonds strukturiert?Wir fahren zu 100 % einen Bottom-up-Ansatz. Wir binden uns nicht an eine Benchmark und haben auch keine Branchenrestriktionen. Unser Ziel ist ein Ertrag von insgesamt 40 % in fünf Jahren bzw. von 7 % jährlich. Im Durchschnitt halten wir 30 Aktien in unserem Portfolio. Wir fokussieren uns auf Unternehmen mit nachhaltig hohen Eigenkapitalrenditen. Denn solche Unternehmen erfahren naturgemäß eine Aktienkursaufwertung. Einer unserer Vorteile ist, dass wir eine der größten lokalen internen, auf Japan fokussierten Research-Mannschaften haben. Allein im zurückliegenden Jahr haben wir mehr als 3 000 Unternehmensbesuche durchgeführt. Unser leitender Portfoliomanager verfügt über eine Berufserfahrung von 25 Jahren, die durchschnittliche Branchenerfahrung unserer Analysten liegt bei nahezu 17 Jahren. Unsere Portfoliomanager nutzen die hauseigenen Analysten sowie auf uns zugeschnittenes Research von externen Analysten.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.