Kanadas Aktienmarkt stagniert

Sorgen um Immobilienmarkt, steigende Zinsen und konjunkturelle Risiken belasten

Kanadas Aktienmarkt stagniert

Mit einem im Vergleich zu Ende 2016 kaum veränderten Stand im Leitindex TSX schneidet Kanadas Aktienmarkt im laufenden Jahr im globalen Vergleich deutlich unterdurchschnittlich ab. Dabei zeigte das Land im ersten Halbjahr das höchste BIP-Wachstum der G7-Staaten.Von Markus Gärtner, TorontoKanadas banken- und rohstofflastiger Leitindex TSX notiert vor Beginn des Schlussquartals 2017 mit 152 89 Zählern ziemlich genau auf dem Stand von Ende 2016. Und das, obwohl das Ahornland mit einem BIP-Wachstum von 4 % im ersten Halbjahr die G7 anführte. Seit dem Allzeithoch vom 21. Februar von 15 685 Punkten geht es mit dem TSX langsam aber stetig bergab. Gemessen am S & P 500, der auf ein Plus von 11,9 % kommt, ist das ein mageres Abschneiden, das die Anleger enttäuscht.Verantwortlich dafür sind vor allem schwache Ölnotierungen, die sich erst im laufenden Monat wieder zu bessern begonnen haben und den Rohstoffsektor, der beim TSX ein Fünftel der Bewertung ausmacht, unter Druck setzten. Aber auch der Bankensektor, der nach einem guten ersten Quartal unter dem Eindruck der beginnenden Korrektur am Immobilienmarkt Rückschläge hinnehmen musste. Die Kanadier sind nach einem ausgeprägten Hypothekenrausch, der Mitte des vergangenen Jahrzehnts eingesetzt und sich in den beiden vergangenen Jahren stark beschleunigt hatte, stark verschuldet. Währung zieht anDie Prognosen fallen bei steigenden Leitzinsen, brummender, aber für 2018 schwächer prognostizierter Konjunktur sowie einem wieder erstarkenden Kanada-Dollar und den politischen Kapriolen im wichtigsten Absatzmarkt USA gemischt. Der “Loonie”, wie die Kanadier ihren Dollar nennen, hat seit Beginn der Leitzinserhöhungen im Juli zur US-Währung 6 % an Wert gewonnen und könnte der Konjunktur einen Dämpfer versetzen. Derzeit ist der Leitindex bei starken Kursgewinnen im Öl- und Gassektor, aber sinkenden Kursen bei Bergbaufirmen hin- und hergerissen. Vor allem weil der Ölpreis im September um 6 % zulegte, konnten Werte wie Encana (+ 12,8 % seit Ende August) und Suncor Energy (+ 6,5 %) deutlich zulegen. Dagegen hat die Aktie des auf Kohle, Kupfer und Zink spezialisierten Minenunternehmens Teck Resources seit Monatsbeginn rund 14,4 % eingebüßt. Der Staatsfonds China Investment Corp. hat im dritten Quartal seinen Anteil an Teck um mehr als ein Drittel auf 10,4 % reduziert. “Es gibt derzeit am Markt in Toronto zwei gegensätzliche Kräfte”, erklärt der Investmentstratege Kevin Headland bei Manulife Investments in Toronto: “Öl und Metalle. Sie haben zwei der größten Sektoren im Index, die den TSX in entgegengesetzte Richtungen ziehen.” Immobilienmarkt unter DruckAuch der Blick auf die einzelnen Sektoren macht deutlich, was den TSX stagnieren lässt. Dass der Index 2017 “eines der am schlechtesten abschneidenden Barometer ist”, wie die National Bank of Canada in ihrem “Monatlichen Aktienmonitor” vom September vermerkt, liegt an Energie- und Bankwerten, denn neun von insgesamt elf Sektoren im TSX sind seit Jahresbeginn im Plus.Beim Teilindex Banken, deren Marktführer Royal Bank das Schwergewicht im TSX stellt, stand 2017 an der Kurstafel in Toronto bis Ende August ein Branchenminus von 0,6 % zu Buche. Der Druck ging vom Immobilienmarkt aus, der in den Städten Vancouver und Toronto eine starke Korrektur begonnen hat. Führende Bankmanager wie der Finanzchef der TD Bank, Riaz Ahmed, sehen die Korrektur offiziell nur als “weiche Landung”. Weil sich der Ausblick für den Immobilienmarkt nach zwei Zinsanhebungen der Bank of Canada seit Juli – und einer dritten im Oktober oder Dezember, wenn die meisten Analysten Recht behalten – eintrübt, ist man in den Kreditabteilungen der kanadischen Banken jedoch sehr gespannt auf die Hypothekennachfrage der kommenden Monate, auch wenn die Vorstände darauf verweisen, dass sich mit den steigenden Zinsen die Geschäftsaussichten insgesamt verbessern würden. Kanadas Banken haben für das zweite Finanzquartal per Ende April, gute Gewinnsteigerungen gemeldet. Bei der TD Bank stieg der Nettogewinn zum Vorjahr um fast 22 %, die Nettogewinnmarge liegt aktuell bei 26,4 %. Hohe DividendenrenditenÜberdies bieten die kanadischen Banken hohe Dividendenrenditen. Bei der Royal Bank, deren Aktie nach dem Sommerloch 2017 wieder den Höchstkurs vom Februar erreicht hat, sind es fast 3,9 %. Bei der Toronto-Dominion Bank beträgt die Dividendenrendite mehr als 3,5 %. Für Anleger, die das Immobiliengewitter aussitzen wollen, keine schlechte Geduldsprämie. Es gibt aber nicht wenige Portfoliomanager und Analysten, die sich unter dem Strich vom Zinsanstieg positive Impulse für die Bankaktien erhoffen. “Die Banken- und Versicherungswerte”, sagt John Kinsey vom Vermögensberater Caldwell Securities, “waren für einige Zeit richtige Nachzügler, sie sollten bei steigenden Zinsen gut abschneiden.”Doch über dem Konjunkturhorizont ziehen Wolken auf. Dass das rasante BIP-Wachstum in Kanada über den Jahreswechsel hinaus anhält und mit steigenden Firmengewinnen für Auftrieb an der Börse sorgt, erwarten derzeit nicht viele Beobachter. Bei der Scotiabank sagen die Analysten eine weitere Zinsanhebung im laufenden Jahr sowie zwei zusätzliche für 2018 vorher, was für “langsameres Wachstum” 2018 sorgen soll. Die Prognose lautet auf ein BIP-Wachstum von 2,0 % in 2018, nach 3,1 % im laufenden Jahr.Doch steigende Zinsen, langsameres Wirtschaftswachstum und ein korrigierender Immobilienmarkt irritieren nicht alle Analysten. Die Vizepräsidentin Candice Bangsund vom Vermögensverwalter Fiera Capital in Montreal prognostiziert für Kanada, dass “Wachstum und langsam steigende Zinsen ein positives Umfeld für Aktien schaffen”. Mike Archibald, Portfoliomanager bei AGF Investments in Toronto, sieht den TSX wegen des schwachen Abschneidens im Jahresverlauf 2017 Boden gutmachen: “Der Nachholbedarf ist so groß, dass es hier definitiv etwas gutzumachen gibt.” Laut Archibald fehlt nur ein Funke, um die Aufholjagd zu zünden. Auch bei der National Bank of Canada wird mit einer Aufholjagd gerechnet. In ihrem jüngsten Aktienmonitor verweist die Bank auf den “signifikanten Bewertungsrückstand” des TSX gegenüber dem S & P 500.Helfen könnten dem TSX auch Prognosen, die den Ölpreis eher bei 60 als bei 50 Dollar je Barrel sehen. Laut dem Global Asset Management der Royal Bank tragen die Energieunternehmen 2017 fast die Hälfte zu den prognostizierten Gewinnsteigerungen im TSX bei. Bei der Canadian Imperial Bank of Commerce (CIBC) empfehlen die Analysten im neuesten Monatsbericht der Investment Strategy Group den Pipeline-Betreiber Enbridge als “Outperformer”, weil er durch die jüngst vollzogene 37 Mrd. Dollar schwere Fusion mit Spectra Energy in den USA umfangreich Infrastruktur zugekauft hat. Sie umfasst Projekte für insgesamt 30 Mrd. Dollar, die 2019 in Betrieb gehen sollen.