Labour-Sieg weckt Interesse an Aktien
Labour-Wahlsieg weckt Interesse an britischen Aktien
J.P. Morgan und UBS empfehlen auf den Heimatmarkt fokussierte Nebenwerte, insbesondere Haus- und Wohnungsbaugesellschaften und Einzelhändler
Von Andreas Hippin, London
Britische Aktien sind niedrig bewertet und weisen im Vergleich zu anderen Märkten die höchste Dividenden- rendite auf. Dennoch werden sie seit dem EU-Austritt von vielen verschmäht. Nach dem Wahlsieg von Labour könnten sie von den Anlegern wiederentdeckt werden.
Nach dem Regierungswechsel in London besteht die Chance, dass britische Aktien von den Anlegern wiederentdeckt werden. Von Sell-side-Analysten werden ihre Vorzüge schon lange hervorgehoben. Doch bislang schreckte die politische Ungewissheit ab, obwohl das Land im Auftaktquartal die Rezession hinter sich ließ.
Natalie Bell, Fondsmanagerin bei Liontrust"Wir waren erfreut, im Wahlprogramm von Labour das ausdrückliche Commitment zu finden, die Investitionen von britischen Pensionsfonds in den heimischen Aktienmarkt zu erhöhen.“
„Wir sprechen bereits seit einiger Zeit mit unseren Kunden über die Anlagechancen, die sich aus den extrem niedrigen Bewertungen von britischen Aktien ergeben“, sagt Natalie Bell, Fondsmanagerin beim Assetmanager Liontrust. „Wir waren erfreut, im Wahlprogramm von Labour das ausdrückliche Commitment zu finden, die Investitionen von britischen Pensionsfonds in den heimischen Aktienmarkt zu erhöhen.“ Eine solche Reform wäre nach zehn Jahren, die von Mittelabflüssen geprägt waren, „transformativ“ für den Markt, sagt Bell.
Anleger warten ab
Die Statistik zeigt, dass es erheblicher Anstrengungen bedarf, um die Anleger zu überzeugen. Wie aus den jüngsten Daten der Investment Association hervorgeht, steckten britische Anleger im April 2,8 Mrd. Pfund in Fondsanteile. Allerdings verzeichneten auf heimische Papiere spezialisierte Fonds Abflüsse von 1,3 Mrd. Pfund.
Institutionelle Anleger halten sich schon seit dem EU-Referendum zurück, wenn es um britische Aktien geht. Und Pensionsfonds sind nicht dem Finanzmarkt verpflichtet, sondern denjenigen, deren Altersversorgung von ihrem Anlageerfolg abhängt. Deshalb orientieren sie sich bei ihren Investments nicht an nationalen Grenzen.
Nebenwerte im Fokus
Nachdem nun Klarheit darüber herrscht, wer in den kommenden Jahren regiert, könnten sich eine Reihe von Faktoren positiv auf britische Aktien auswirken: stabile politische Verhältnisse, sinkende Zinsen, eine rückläufige Teuerungsrate und die Rückkehr zu wirtschaftlichem Wachstum. Goldman Sachs erhöhte prompt ihre Wachstumsprognose für 2025 und 2026 um jeweils 0,1%.
Von der sich aufhellenden wirtschaftlichen Lage dürften Nebenwerte mehr profitieren als die im FTSE 100 notierten Gesellschaften, die lediglich etwas mehr als ein Fünftel ihres Umsatzes im Vereinigten Königreich erwirtschaften. Der Standardwerteindex gleicht eher einem Abbild des Weltgeschehens als einem Barometer der britischen Wirtschaft.
Hausbaugesellschaften auf der Kaufliste
J.P. Morgan empfahl zuletzt, den FTSE 250 im Vergleich zum FTSE 100 überzugewichten. Das Team des Aktienstrategen Mislav Matejka geht davon aus, dass Wohnungs- bzw. Hausbaugesellschaften und Lebensmitteleinzelhändler vom Wachwechsel in der Downing Street profitieren dürften. Banken kämen die weiterhin hohen Zinsen zugute.
Labour will den Wohnungsbau vorantreiben. Schatzkanzlerin Rachel Reeves versprach in ihrer Antrittsrede am Montag den Bau von 1,5 Millionen Wohneinheiten in der laufenden Legislaturperiode. Um es zu erreichen, sollen den Lokalverwaltungen verpflichtende Ziele gesetzt und die Planungsverfahren entrümpelt werden. Auch die Umwidmung von Grünflächen ist nicht mehr tabu.
„Abnormal billig“
Haus- und Wohnungsbaugesellschaften machten nach der Pandemie zunächst steigende Materialkosten und Personalmangel zu schaffen. Die rasant steigenden Zinsen belasteten ab 2022 zusätzlich.
Auch die UBS rät zum FTSE 250, allerdings ohne die darin enthaltenen Investment Trusts. Dabei handelt es sich um börsennotierte geschlossene Fonds. Die Nebenwerte seien „abnormal billig“ und würden im Falle einer Aufwertung des britischen Pfunds profitieren. Zudem deuteten die Modelle der Schweizer Großbank darauf hin, dass sich das zuletzt beobachtete zweistellige Gewinnwachstum ins kommende Jahr fortsetzen werde.
Ziegeleien mögliche Gewinner
Dabei setzt die UBS ebenfalls auf den Wohnungsbau. Unter den Kaufempfehlungen der Instituts finden sich die Hausbaugesellschaften Taylor Wimpey und Bellway. Ziegeleien wie Ibstock könnten von einer Zunahme der Bautätigkeit profitieren.
Auch der Einzelhandel hat es den Schweizern angetan. Aus Sicht ihrer Strategen könnten die Realeinkommen unter einer Labour-Regierung noch stärker steigen als ohnehin schon. Sie haben den Baumarktbetreiber Kingfisher auf der Kaufliste. Sollte Labour den Mindestlohn stark anheben und den Beschäftigten der Gig Economy entgegenkommen, könnten davon Discounter wie B&M profitieren.
Der kleine Luxus
Die Bäckereikette Greggs gehört zu den Unternehmen, die zuerst davon profitieren, dass die Menschen mehr Geld in der Tasche haben. Denn sie bietet den kleinen Luxus, den man sich dann gönnt. Der Liberum-Analyst Wayne Brown zählt die rasant wachsende Gesellschaft aus dem nordenglischen Newcastle deshalb zu den Firmen, die eine Erholung des Einzelhandels anführen werden.
Kurstreiber M&A
Übernahmen und Fusionen könnten sich als Kurstreiber erweisen. Andy Lund, Global Co-Head der Private Funds Group der Kanzlei Houlihan Lokey, geht davon aus, dass sich das Ende der politischen Ungewissheit im Verbund mit der sich aufhellenden wirtschaftlichen Lage positiv auf den M&A-Markt auswirken wird.
Andy Lund, Global Co-Head der Private Funds Group von Houlihan Lokey„Mit ihrem erklärten Fokus auf Wachstum wäre Labour weise, schon früh in ihrer Regierungszeit eine wirtschafts- und Private-Equity-freundliche Herangehensweise zu untermauern, insbesondere weil andere Jurisdiktionen wie Frankreich und die Vereinigten Staaten eigene politische Umbrüche durchmachen und potenzielle Kapitalabflüsse in stabilere Umgebungen riskieren."
„Mit ihrem erklärten Fokus auf Wachstum wäre Labour weise, schon früh in ihrer Regierungszeit eine wirtschafts- und Private-Equity-freundliche Herangehensweise zu untermauern“, sagt Lund, „insbesondere weil andere Jurisdiktionen wie Frankreich und die Vereinigten Staaten eigene politische Umbrüche durchmachen und potenzielle Kapitalabflüsse in stabilere Umgebungen riskieren.“