Katerstimmung in China
Die Antikorruptionskampagne in China macht den ausländischen Herstellern von Luxusspirituosen zu schaffen. Die Umsätze gehen teilweise dramatisch zurück. Dementsprechend stehen die Aktienkurse der Konzerne unter Druck.kko Frankfurt – Wer hierzulande an die chinesische Küche denkt, hat vor allem duftenden Reis, Tee oder süß-saure Soße im Sinn. Schnaps hingegen dürfte wohl den allerwenigsten als Erstes einfallen. Dabei wird in China so viel Hochprozentiges getrunken wie sonst kaum irgendwo: Im Jahr 2012 hatte das Land einen Anteil von fast 40 % am weltweiten Spirituosenkonsum. Für europäische Hersteller edler Tropfen war China bis zuletzt dementsprechend ein enormer Wachstumstreiber: Teurer Cognac und Scotch waren lange Zeit beliebte Geschenke unter chinesischen Geschäftsleuten – vor allem die besonders hochwertigen Sorten in edlen Verpackungen. Laut einer Studie der internationalen Messe für Weine und Spirituosen Vinexpo und der Beratungsagentur IWSR (International Wine & Spirit Research) hat sich der Branntweinkonsum des Landes zwischen 2007 und 2011 mehr als verdoppelt.Doch vergangenes Jahr hat sich der Markt gewandelt: Seit die Regierung in Peking Ende 2012 der Korruption den Kampf angesagt hat, sind die Umsätze europäischer Spirituosenhersteller eingebrochen. Übermäßiger Konsum und Luxus wurden an den Pranger gestellt und öffentlichen Veranstaltungen wurde eine Schrumpfkur verpasst. Unter anderem ist es Beamten nun verboten, teure Geschenke auf Staatskosten zu kaufen und auch die Bankette, die ohne hochpreisigen Schnaps gar nicht denkbar gewesen wären, fallen seither diskreter aus. Obendrein dürfen Staatsbedienstete keine Geschenke mehr als Gegenleistung für Verträge oder sonstige Gefälligkeiten annehmen. Kurz: Protz ist – wenn auch nicht ganz freiwillig – in China aktuell eher “out”. Wettbewerb verschärftLaut einer aktuellen Studie der US-Bank J. P. Morgan hat sich das Wettbewerbsumfeld für europäische Spirituosenhersteller in China damit deutlich verschärft. “Die neue Haltung der chinesischen Regierung in Verbindung mit der konjunkturellen Unsicherheit hat die Lagerbestände an Spirituosen im vergangenen Jahr deutlich steigen lassen. Und es ist bisher völlig unklar, wie lange dieser Zustand anhält”, fasst das Institut zusammen.Schwierigkeiten bereitet den europäischen Exporteuren wie Pernod Ricard und Rémy Cointreau, die bisher 20 bzw. 40 % ihres Gewinns in China gemacht haben, aber nicht nur der nachlassende Konsum, sondern auch das Preisumfeld. “2013 haben die Hersteller des heimischen Schnapses aÇÜBaiju’ die Preise teilweise um bis zu 60 % gesenkt”, beobachtet J. P. Morgan. Da der weiße Getreideschnaps direkt mit importierten Premium-Spirituosen wie Cognac konkurriere, seien kurzfristige Preiserhöhungen für die europäischen Produkte so gut wie unmöglich geworden.Ganz davon abgesehen ist es aus Sicht der US-Bank fraglich, ob chinesische Konsumenten nach einer “Normalisierung” der Lage überhaupt wieder zu Cognac und Whisky zurückkehren. “Es könnte auch sein, dass die Konsumenten künftig stärker zu hochwertigen Baiju-Schnäpsen tendieren, etwas Ähnliches haben wir auch in Japan beobachtet”, erklärt das Institut.Nach den Daten von IWSR dominiert hochprozentiger Baiju den chinesischen Spirituosenmarkt und deckt rund 99 % des gesamten Schnapskonsums ab. Der Markt des überwiegend aus Hirse hergestellten Destillats mit einem Alkoholgehalt zwischen 50 und 65 % ist stark fragmentiert und von regionalen Herstellern beherrscht. “Die internationalen Getränkehersteller sind in diesem enormen Markt bisher nur sehr begrenzt vertreten”, kommentiert J. P. Morgan. Rémy auf ZweijahrestiefSo hat sich etwa die französische Rémy Cointreau in den vergangenen Jahren fast ausschließlich auf das gut laufende Cognac-Geschäft verlassen. Die Sparte macht 80 % des operativen Gewinns der Franzosen aus, die Hälfte dessen kommt aus China. Luxusbrände wie der Cognac “Louis XIII” mit einem Preis von rund 2 500 Euro waren lange Zeit der Umsatzbringer schlechthin. Im jetzigen Umfeld wird Rémy Cointreau die schwache Diversifizierung allerdings zum Verhängnis.Auch das bevorstehende Neujahrsfest in der Volksrepublik Ende Januar werde wohl nicht für eine deutliche Erholung sorgen, teilte das Unternehmen diese Woche mit. Der Umsatz mit Cognac brach von Oktober bis Dezember um rund ein Drittel ein. In diesem Geschäftsjahr rechnet Rémy Cointreau beim operativen Gewinn mit einem prozentual “deutlich zweistelligen” Rückgang. Im ersten Geschäftshalbjahr 2013/14 fiel das operative Ergebnis um 7 % auf knapp 133 Mill. Euro. Das hatte bereits personelle Konsequenzen: Der Chef der Tochter Rémy Martin, Patrick Piana, nahm diese Woche seinen Hut, nachdem erst vor drei Wochen Cointreau-Chef Frédéric Pflanz sein Amt aufgegeben hatte. Die Aktie ist dementsprechend im Sinkflug: In dieser Woche markierte der Titel ein Zweijahrestief und notiert aktuell bei rund 59 Euro. Im Februar 2013 waren es noch fast 100 Euro. Und von einer Bodenbildung zu sprechen, wäre aus Sicht von J. P. Morgan noch verfrüht. Das Analysehaus senkt daher das Kursziel von 56 auf 49 Euro und bekräftigt die Einstufung mit “Underweight”. Mit der starken Ausrichtung auf den chinesischen Markt sei Rémy Cointreau im Vergleich zur Branche aktuell in einer sehr unvorteilhaften Position, argumentieren die Experten. Die Gewinnschätzungen für 2014 und 2015 werden von 2,52 auf 2,49 und für 2015 von 2,70 auf 2,67 Euro je Aktie nach unten revidiert. Geringere AbhängigkeitAuch der Wettbewerber Pernod Ricard leidet unter dem Konsumrückgang in China. Dessen Cognac-Marke Martell hat in China in den vergangenen Monaten einen Einbruch von etwa 12 % erlitten. Mit einem Fünftel Gewinnanteil macht das China-Geschäft bei Pernod Ricard allerdings weitaus weniger aus als etwa bei Rémy Cointreau. Geringer fallen auch die Kursverluste der Aktie aus: Auf Sicht eines Jahres hat das Papier knapp 7 % eingebüßt, verglichen mit fast 36 % bei Rémy Cointreau. J. P. Morgan rät bei der Aktie unverändert zum Halten und bestätigt das Kursziel von 82 Euro. Aktuell notiert der Titel bei 84 Euro.Die Aktie des weltgrößten Spirituosenherstellers Diageo, der die Marken Johnnie Walker, Buchanan und Crown Royal vertreibt, stuft J. P. Morgan zwar von “Overweight” auf “Neutral” herab und senkt die Ergebnisprognosen. Die Analysten betonen aber, dass Diageo die bevorzugte Aktie innerhalb der Spirituosenbranche bleibe. Das Geschäft in Schwellenländern sei bei Diageo deutlich kleiner als das vieler Wettbewerber und die mittel- und langfristigen Wachstumsaussichten der Briten seien weiterhin gut, heißt es. Eintritt in lokalen MarktSo hat Diageo im Gegensatz zu vielen Wettbewerbern unter anderem den Eintritt in den Baiju-Markt geschafft: Im Juli vergangenen Jahres übernahmen die Briten den chinesischen Hersteller ShuiJingFang. Und auch in anderem Ländern ist Diageo in den vergangenen anderthalb Jahren auf Einkaufstour gegangen, um regionale Spirituosen unter das eigene Dach zu holen. Mittlerweile gehören der türkische Raki-Produzent Mey Icki und die führende brasilianische Cachaça-Marke Ypioca zum Konzern. Zudem kaufte Diageo Beteiligungen an der mexikanischen Tequila-Marke Jose Cuervo und der indischen United Spirits. Bis 2015 wollen die Briten die Hälfte ihres Umsatzes in schnell wachsenden Ländern in Afrika, Asien, Pazifik und Lateinamerika machen.Kurzfristig belastet aus Sicht von J. P. Morgan dennoch die zuletzt schwächere Umsatzentwicklung den Börsenkurs. Aktuell sei daher kein Grund für einen Kauf des Titels auszumachen. Die Gewinnschätzungen für 2014 und 2015 werden um 3 bzw. 5 % auf 103,59 bzw. 110,36 Pence je Aktie reduziert. Im Gegensatz zu den Papieren von Rémy Cointreau und Pernod Ricard hat die Diageo-Aktie in den vergangenen zwölf Monaten allerdings um über 5 % zugelegt. Aktuell notiert der Titel bei rund 20 Pfund. Das Kursziel von J. P. Morgan liegt bei 19,70 Pfund.