Rohstoffmärkte

Konjunktur­sorgen drücken Ölpreis

Konjunktursorgen haben den Ölpreis gedrückt. Ein weiterer Rückgang ist wegen des knappen Angebots jedoch eher unwahrscheinlich. Andererseits könnten neue Sanktionen für einen Preisschub sorgen.

Konjunktur­sorgen drücken Ölpreis

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs und mit den Sanktionen der USA und der Europäischen Union gegen Russland ist der Ölpreis zunächst deutlich gestiegen, und zwar bis auf über 127 Dollar je Barrel Brent Crude Anfang März. Damit verband sich die Erwartung, dass es durch die Sanktionen zu einem weitgehenden Boykott des russischen Öls am Weltmarkt kommen könnte. Dazu ist es allerdings nicht gekommen, der Rückgang der russischen Ölproduktion ist geringfügig ausgefallen (vgl. Grafik). Inzwischen macht sich am Ölmarkt ein anderer Faktor in erheblichem Umfang bemerkbar. Die westlichen Sanktionen gegen Russland lösen durch die starke Verteuerung von Rohstoffen, die Knappheit von Düngemitteln und den enormen Preisanstieg beim Energieträger Erdgas eine weltweite Rezession bei gleichzeitig hoher Inflation aus. Dies hat bei den Akteuren am Ölmarkt erhebliche Sorgen geweckt, dass mit der ausgeprägten Rezession der weltweite Ölverbrauch einknicken könnte. Das hat kürzlich den Brent-Ölpreis zeitweise sogar unter die Marke von 100 Dollar je Barrel getrieben. Inzwischen ist die Brent-Notierung jedoch wieder deutlich über 100 Dollar geklettert.

In den kommenden Wochen und Monaten werden die beiden Faktoren eines knappen Angebots, das durch Sanktionen noch weiter eingeschränkt werden könnte, und der durch die Rezession geprägten schwachen Nachfrage den Ölpreis bestimmen, wobei es sowohl auf Angebots- wie auch auf Nachfrageseite zahlreiche Unwägbarkeiten und die Lage noch verschlimmernde Faktoren geben könnte.

Was die Angebotsseite betrifft, so leidet die Produktion darunter, dass im Rahmen der Hinwendung zu Klimazielen die Investitionen in die Ölindustrie seit Jahren knapp gehalten werden mit der Folge, dass die ungenutzten weltweiten Förderkapazitäten im historischen Vergleich sehr niedrig sind.

Dies ist auch der Grund, weshalb alle Bemühungen des amerikanischen Präsidenten Joe Biden, angesichts der im November bevorstehenden Kongresswahlen und extrem hoher Treibstoffkosten in den USA für eine Ausweitung des Angebots zu sorgen, gescheitert sind. Mit einer noch nie gesehenen Freigabe von Beständen aus der nationalen Ölreserve der USA im Volumen von 1 Mill. Barrel pro Tag (bpd) über 180 Tage versucht Biden der Knappheit entgegenzuwirken, aber nur mit begrenztem Erfolg. Auch Bidens jüngster Canossa-Gang zu dem von ihm bislang bekämpften saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin-Salman hat nichts gebracht, da sich dieser mit Blick auf das gute Verhältnis zu Russland nicht auf eine Produktionsausweitung festlegen ließ.

Strukturelle Knappheit

Die strukturelle Knappheit des weltweiten Ölangebots lässt den Ölpreis mit Blick auf die bereits erfolgte rezessionsbedingte Korrektur als gut unterstützt erscheinen. Das Ölangebot, so erwarten bisher viele Analysten, wird nicht mit dem Wachstum der Nachfrage mithalten können. So rechneten beispielsweise die Analysten der Opec mit einem Anstieg der weltweiten Ölnachfrage im laufenden Turnus um 3,4 Mill. bpd und im kommenden Jahr um 2,7 Mill. bpd, das zu einem Nachfrageüberhang von mehr als 2 Mill. bpd führen könnte. Das setzt jedoch voraus, dass es insbesondere in der EU nicht zu einem vollständigen Ausfall des russischen Erdgases kommt – sei es durch neue Sanktionen vor dem Hintergrund eines sich abzeichnenden militärischen Sieges Russlands in der Ukraine oder durch Gegensanktionen Russlands. Die Auswirkungen einer solchen Entwicklung auf die Konjunktur in Europa dürften äußerst gravierend sein, die Schätzungen der Ökonomen für diesen Fall erscheinen vielfach noch zu zurückhaltend. Für diese Entwicklung ist auch ein Rückgang des Ölpreises unter 100 Dollar wahrscheinlich. Einen weiteren das Preisniveau belastenden Faktor stellen denkbare neuerliche Lockdown-Maßnahmen im Reich der Mitte dar, die die Weltkonjunkturlokomotive China beeinträchtigen und somit die globale Rezession vertiefen könnten.

Andererseits sorgen die Bestrebungen der Europäischen Union, auf russisches Öl komplett zu verzichten, für eine Neuordnung der Lieferbeziehungen mit der Folge tendenziell steigender Preise. Vielfach importiert die EU nun russisches Öl über Umwege – beispielsweise in Form von Ölprodukten nach Verarbeitung in Indien. Auch das hebt wegen der Einschaltung von Mittelsmännern die Preise an.

Ein großes Fragezeichen verbindet sich derzeit noch mit der von der US-Finanzministerin Janet Yellen angestrebten Preisobergrenze für russisches Rohöl, die unter anderem dadurch durchgesetzt werden soll, dass der Transport von teurerem russischen Öl über Tanker und die Versicherung dieser Tanker unterbunden werden könnte. Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass der Plan sein Ziel erreicht, Russland von Öleinnahmen abzuschneiden und die russische Regierung damit zu Konditionen eines Friedensschlusses in der Ukraine zu zwingen, die im Interesse der USA und der EU liegen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Russland genügend Abnehmer außerhalb von EU und Nordamerika hat und dass sich – der Iran hat es erfolgreich vorexerziert – die Herkunft von Öl und Ölprodukten verschleiern lässt. Aber auch ohne den erwünschten Erfolg ist es denkbar, dass eine solche Maßnahme für einen neuen Preisschub am Ölmarkt sorgt.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.