Londons Goldmarkt verändert sich

Diskussion um elektronischen Handel - Einrichtung einer Terminbörse ebenfalls im Gespräch

Londons Goldmarkt verändert sich

In London wird über tiefgreifende Reformen des Goldhandels diskutiert. Dabei geht es um die Einführung des elektronischen Handels sowie die Einrichtung einer Terminbörse. Von Bedeutung ist auch das Vordringen chinesischer Banken.Von Gerald Hosp, LondonUnter London ist buchstäblich ein Schatz vergraben. Innerhalb des Großraums der britischen Hauptstadt, der von der Autobahn M 25 eingeschnürt wird, sollen in Tresorräumen der Zentralbank und von kommerziellen Instituten nach dem Stand im April gut 6 256 Tonnen Gold im Wert von 271 Mrd. Dollar lagern. Davon liegen allein 5 134 Tonnen in den unterirdischen Hallen der Bank of England. Insgesamt entspricht die Menge des Edelmetalls in London rund einem Fünftel aller weltweiten staatlichen Goldreserven. Diese Tresorräume sind auch ein wichtiger Bestandteil für den Anspruch der Themsestadt, bedeutendster Umschlagsplatz der Welt für physisch gehandeltes Gold zu sein. London ist zudem Heimstätte für den Referenzpreis der Branchenvereinigung London Bullion Market Association (LBMA), der wegen des sogenannten Gold-Fixings bekannt war und der globale Schrittmacher des Goldhandels ist. Archaisches RitualMit dem Skandal um die Manipulation von Benchmark-Zinsen geriet jedoch auch das archaisch anmutende Ritual zur Feststellung des Gold-Fixings ins Zwielicht. Die LBMA reformierte den Prozess bereits. Die Organisation wälzt aber weitere Pläne, um die Transparenz und die Liquidität am Markt zu erhöhen. Manche Banken sind wie die Deutsche Bank aus regulatorischen und wirtschaftlichen Gründen aus dem Goldgeschäft ausgestiegen, die Volumen sind zurückgegangen. Es kommt hinzu, dass ein großer Teil der Nachfrage nach Goldbarren aus Asien kommt. China ist derzeit der größte Nachfrager und auch selbst Produzent des Edelmetalls. Referenzpreis in SchanghaiIm April lancierte die Shanghai Gold Exchange (SGE) einen eigenen Referenzpreis für Goldbarren, der in der chinesischen Währung Yuan abgerechnet wird. Der in London erstellte Preis wird in Dollar ausgewiesen. Derzeit wird in der Branche darüber diskutiert, ob der Schanghai-Preis sein Londoner Pendant ergänzen wird oder dereinst sogar verdrängen könnte. Solange die chinesische Währung aber nicht völlig frei konvertierbar ist, dürfte der Reiz für internationale Akteure noch begrenzt sein. Außerdem benötigt es Zeit, um Vertrauen in einen neuen Referenzwert zu schaffen. Für John Mulligan von der Branchenorganisation World Gold Council in London bringt der Schanghai-Referenzwert vor allem mehr Transparenz und Effizienz am lokalen chinesischen Markt.China weitet seinen Einfluss auch direkt in London aus: Banken aus dem Reich der Mitte nehmen verstärkt am Handelsplatz teil. Eine Tochtergesellschaft von ICBC, dem größten chinesischen Finanzinstitut, erwarb vor wenigen Tagen die Tresorräume von Barclays in London. Die britische Großbank zieht sich aus dem Edelmetallgeschäft zurück und fand in ICBC einen Käufer für die erst vor vier Jahren eröffneten Lagerhallen, in denen rund 2 000 Tonnen Gold, Silber, Platin und Palladium aufbewahrt werden können. ICBC wurde zudem Mitglied des Unternehmens, das das elektronische Gold-Clearing – das Feststellen gegenseitiger Forderungen, Verbindlichkeiten und Lieferungen – organisiert. Zusammen mit den chinesischen Instituten Bank of China und China Construction Bank nimmt ICBC auch an der Preisfindung teil. Derzeit sind 13 Banken dafür lizenziert. Während der Londoner Goldpreis jahrzehntelang mittels einer Telefonkonferenz ermittelt wurde, läuft der Prozess seit 2015 als elektronische Auktion ab, die vom Börsenbetreiber Intercontinental Exchange organisiert wird. Damit wird einem zuvor unregulierten Markt genauer auf die Finger geschaut. Manipulationsvorwürfen soll damit entgegengetreten werden.Das Ausbreiten der chinesischen Banken wird in London aber nicht als schleichende Übernahme verstanden, sondern als Ausdruck der Anziehungskraft des Handelsplatzes. Die jüngste Schweizer Außenhandelsstatistik zeigt zudem, dass im April mehr Barren aus Schweizer Goldraffinerien nach Großbritannien als nach China, Indien und Hongkong zusammen ausgeführt wurden. Gold fließt nicht nur aus dem Westen nach Osten. Dies spiegelt die Nachfrage nach Gold-Finanzprodukten wie Exchange Traded Funds (ETF), deren Gold häufig in London gelagert wird. London muss sich aber weiter verändern, um sich gegen Schanghai, Hongkong oder Singapur zu behaupten.Die große Frage für den Londoner Goldmarkt lautet: Soll auch weiterhin wie seit mehr als hundert Jahren direkt zwischen Käufern und Verkäufern gehandelt werden? Oder soll dies über eine elektronische Goldbörse getätigt werden? Der außerbörsliche Handel mit den Goldbarren in London, der vom Preisfindungsprozess getrennt abläuft, erfolgt immer noch per Telefon oder über ein bankinternes System. Seamus Donoghue, Chef der Technologiefirma Allocated Bullion Solutions in Singapur, bezeichnet den Mechanismus als defekt. Andere Finanzmärkte hätten schon lange auf elektronische Systeme umgestellt. Die regulatorischen Vorgaben sind gestiegen. In einem ersten Schritt will die LBMA die Transparenz erhöhen und hat den Aufbau eines elektronischen Registers ausgeschrieben, in dem alle Transaktionen vermerkt werden. Neue KontraktgrößenWeiter gehende Vorschläge umfassen eine Terminbörse für Gold mit physischer Lieferung. Dahinter sollen die London Metal Exchange (LME), die in den Händen der Hongkonger Börse ist, der World Gold Council und mehrere Banken stecken. Dies wäre neue Konkurrenz für Börsen in New York, Schanghai und Tokio. Zudem könnten auch Goldkontrakte lanciert werden, die auf in Asien übliche Barrengrößen laufen. Diskutiert wird auch über ein zentrales Clearing, was noch nicht Realität ist. Wie auch immer die Diskussion ausgeht: Für Donoghue ist es klar, dass die Umstellung des außerbörslichen Goldhandels in London auf eine elektronische Plattform nur eine Frage der Zeit ist.