Loys AG für Aktien zuversichtlich
Christopher Kalbhenn.
Herr Boydak, die Aktienmärkte tun sich derzeit etwas schwer mit weiteren Avancen. Wie beurteilen Sie die Aussichten?
Die aktuelle Situation ist durch eine Seitwärtsbewegung nach dem starken Anstieg des ersten Halbjahres gekennzeichnet. Wir hatten in den Indizes Anstiege im zweistelligen Bereich, teilweise um mehr als 20%. Es ist völlig normal, dass jetzt gelegentlich etwas Druck aufkommt. Es gibt Unsicherheiten über Covid, die Schwellenländer bzw. die dortigen Impffortschritte, die anziehende Inflation und Lieferengpässe etwa bei Rohstoffen. Hinzu kommt die Frage, was die Fed macht. Auf dem Symposium hat die amerikanische Zentralbank signalisiert, dass das Tapering, die Reduzierung der Anleihekäufe, in diesem Jahr beginnen wird, Zinserhöhungen allerdings erst im kommenden Jahr zu erwarten sind. Dennoch trübt sich die Liquiditätslage damit tendenziell ein, auch wenn der Markt die Äußerungen des Fed Chairman Jerome Powell positiv aufgenommen hat. Der S&P 500 hat in diesem Jahr an mehr als 50 Handelstagen Rekordstände erreicht. Etwas Druck und Gewinnmitnahmen beziehungsweise eine Verschnaufpause sind völlig normal.
Wie schätzen Sie die wirtschaftlichen Aussichten ein? Welche Bereiche des Aktienmarktes haben die besten Chancen?
Das überragende mittelfristige Thema bleibt: Wie robust ist der Aufschwung? Das Jahr 2019 war von der Angst vor einem Abschwung, dem seit 2018 schwelenden Handelskonflikt zwischen den USA und China und der Sorge über eine wirtschaftliche Abschwächung Chinas geprägt. In diesem Umfeld hatten defensive Werte, Large Caps und strukturelles Wachstum einen guten Lauf, zyklische Bereiche nicht. Anders die Lage nach dem Corona-Einbruch. Der Markt blickte nach vorne und zog seine Schlüsse aus der Tatsache, dass die Wirtschaft aus einer Rezession kam. Die Folge war eine Rotation in Value, kleine Werte, zyklische Bereiche. Das war das Narrativ bis zum ersten Quartal und teilweise in das zweite Quartal hinein. Anschließend kam es zu einer Nivellierung. Kleinere Werte blieben auf hohem Niveau, die defensiven Bereiche kamen etwas zurück. Wir sind also in einem guten Bullenmarkt. Im zweiten Quartal gab es einen starken Anstieg der Unternehmensergebnisse. Ein Unsicherheitsfaktor dabei ist, dass das Hoch des Ergebniswachstums erreicht wurde und die kommenden Quartale nicht mehr ganz so gut ausfallen werden. Aber es gibt durchaus Zykliker, die sich in den kommenden Quartalen gut schlagen werden. Der Konjunkturaufschwung wird etwas ins Stottern geraten, aber das Wachstum bleibt hoch.
Was bedeutet die sich anbahnende geldpolitische Wende in den USA für die einzelnen Aktienmarktsegmente?
Wenn die Fed beginnt, die Anleihekäufe zu reduzieren und die Zinsen zu erhöhen, bedeutet das, dass die Zykliker gut laufen werden. Steigende Zinsen sind gut für Zykliker beziehungsweise Value-Aktien. Sie sind nicht gut für defensive und Wachstumsaktien, sondern für wertorientierte Titel. High Quality kommt in so einem Umfeld eher zurück. Insgesamt bleiben wir für den Aktienmarkt konstruktiv. Er wird nicht mehr so stark steigen wie bisher, aber sich positiv entwickeln. Aber es gibt durchaus auch Risiken für Reopening- und zyklische Aktien. Es kann durchaus zu Rücksetzern kommen. Darauf sollte man eingestellt sein und eine Vorstellung davon haben, in welchen Bereichen man nachkaufen würde. Wenn Rücksetzer kommen, ist die Zeit zu knapp, erst dann nach geeigneten Werten Ausschau zu halten. Es ist entscheidend zu wissen, mit welchen Werten man ruhig schlafen kann, auch in Krisenphasen.
Was für Krisen können denn auf uns zukommen?
Wir müssen uns beispielsweise die Frage gesellschaftlicher Verwerfungen durch das Niedrigzinsumfeld und die Coronakrise stellen. Den Börsen ist es gut gegangen. Aber die Restrukturierungsprogramme der Unternehmen bedeuten, dass Leute vor die Tür gesetzt werden. Wir haben niedrige Zinsen und 5% Inflation, gleichzeitig bleiben die Löhne niedrig. Das hat große Veränderungen zur Folge. Eine Schlussfolgerung ist, dass bei der Altersvorsorge mehr mit Aktien gemacht werden muss. Es gibt Anleger, die in Kryptowährungen und Meme-Aktien unterwegs sind in der Hoffnung, schnell reich zu werden. Aktiensparpläne wären idealerweise ein Zugang, damit die Bürger am Produktivvermögen teilhaben. Der Dax ist seit 1987 von 1000 auf 16000 Punkte gestiegen, und das durch viele Krisen hindurch. Die Vereinigten Staaten setzen voll auf den Kapitalmarkt, während Deutschland einen Hybridansatz fährt. Im Niedrigzinsumfeld muss die Aktienanlage für die Altersvorsorge thematisiert werden. Ziel muss sein, mit einem guten Portfolio dem Inflationsanstieg gegenzusteuern. Das müsste auch pädagogisch angegangen werden. Es wäre gut, mit einem besseren Verständnis der Bevölkerung für die Aktienanlage vor der Krise, die anscheinend auf uns zukommt, gegenzusteuern.
Sie sprachen von Bereichen, die sich Investoren für Nachkäufe bei Rücksetzern Gedanken machen sollten. Welche Bereiche würden Sie da interessant finden?
Wir achten auf langfristige strukturelle Trends. Das heißt, dass wir zum Beispiel nicht über Energie aus Kohle nachdenken. Vielmehr suchen wir Wachstumsaktien, für die wir mehrjährige positive Aussichten sehen. Das sind beispielsweise die Bereiche IT, Konsum und Gesundheit. In solchen Segmenten ist es nicht so entscheidend, ob es in den nächsten beiden Quartalen für die Unternehmen gut läuft. Entscheidend ist, ob es in den fünf oder zehn Jahren gut aussieht. Auch eine gewisse Antizyklik ist sehr sinnvoll, um gute Renditen zu erzielen. Die Coronakrise vom April und Mai 2020 war nicht der Weltuntergang. Man konnte ohne Bauchschmerzen in Unternehmen investieren, von denen klar war, dass es sie in einem Jahr noch geben würde, also etwa in McDonald’s, Accenture und Google. In den kommenden Wochen wird die spannende Frage sein, wie es mit Covid weitergeht. Die Infektionszahlen entwickeln sich negativ. Aber die Todesrate ist nicht mehr so hoch, wir haben gelernt, mit der Pandemie zu leben. Man muss sich vorher entscheiden, wie man mit einem Rücksetzer umgeht. Auch das wird dann nicht der Weltuntergang sein. Die letztlich übergeordnete Frage ist: Was bringt noch Rendite? Das sind Unternehmen, die daran arbeiten, wertvoller zu werden. Dort muss ein signifikanter Anteil allokiert werden. An Unsicherheitsfaktoren wird es nicht mangeln. Wenn man weiß, was man besitzen will, kann man das auch in volatilen Phasen machen.
Als ein langfristig interessantes strukturelles Thema gelten Schwellenländer. Wie halten sie es damit?
Intellektuell macht das Thema durchaus Sinn. Allerdings haben die Emerging Markets das in den zurückliegenden Jahren nicht zeigen können. Das hohe Wachstum ist da, aber es gibt politische und Währungsrisiken für Anleger, die in Hartwährung rechnen. Wenn Sie beispielsweise in türkische Aktien investiert haben, bleibt angesichts der Schwäche der Lira nicht viel übrig. Derzeit gibt es größere Abschläge, aber das müsste eingepreist sein. Anleger sollten ein Investment auf jeden Fall einem ausgewiesenen Experten anvertrauen. Dann können Emerging Markets beigemischt werden. Gerade in Krisen sind Schwellenländeraktien sehr volatil. Damit müssen Anleger umgehen können.
Die Regulierungskampagne der chinesischen Regierung hat die Aktien der betroffenen Unternehmen stark unter Druck gesetzt. Ergeben sich dadurch Einstiegsgelegenheiten?
Das bietet definitiv interessante Chancen. Aber auch hier gilt: Die Bewertungen passen sich schnell an, wenn große Marktteilnehmer, das heißt vor allem amerikanische Investoren, rausgehen. Eine Aktie wie Alibaba ist langfristig sehr interessant, aber es gibt eben die besagten politischen Risiken. Langfristig führt an China für Investoren kein Weg vorbei. Zu bevorzugen sind größere Werte. Dabei sollte man auch hier auf ausgewiesene Experten zurückgreifen.
Das Interview führte