IM BLICKFELD

Marktmanipulation gibt den Behörden viel zu schaffen

Von Dietegen Müller, Frankfurt Börsen-Zeitung, 21.4.2018 Pump und Dump, Trash und Cash, Scalping: Eingeweihte wissen sofort, wovon die Rede ist. Die Europäische Union hat insgesamt 27 Handelspraktiken definiert, die eine Marktmanipulation...

Marktmanipulation gibt den Behörden viel zu schaffen

Von Dietegen Müller, FrankfurtPump und Dump, Trash und Cash, Scalping: Eingeweihte wissen sofort, wovon die Rede ist. Die Europäische Union hat insgesamt 27 Handelspraktiken definiert, die eine Marktmanipulation darstellen. Mit der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie (MAD) und der dazugehörenden Verordnung (MAR), die seit Juli 2014 beziehungsweise Juli 2016 gelten, sind Manipulationskriterien definiert und mögliche Strafmaße drastisch erhöht worden (vgl. Tabelle). Im Strafrecht ist nun bereits der Versuch einer nicht erlaubten Handelspraxis strafbar. Finanzdienstleister sind zudem durch die gesetzliche Neuregelung stärker in die Pflicht genommen als früher. Mit Freiheitsstrafen von einem bis zehn Jahren kann bestraft werden, wer gewerbsmäßig oder als Bandenmitglied fortgesetzt manipuliert oder dies in Ausübung seiner Tätigkeit für eine Finanzaufsichtsbehörde, einen Wertpapierdienstleister, eine Börse oder einen Handelsplatzbetreiber tut. Neu einbezogen wurde durch die MAR auch eine Definition, wann algorithmischer oder Hochfrequenzhandel als Marktmanipulation gilt, etwa wenn irreführende Signale erzeugt werden. Auch neu ist die breitere Vermögensabschöpfung bei rechtswidrigem Verhalten (Tateinheit). Ein derzeit zentraler Fall ist dabei das Verfahren wegen des angeblichen Verstoßes gegen Ad-hoc-Pflichten und das Insiderhandelsverbot gegen den ehemaligen Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter und die Deutsche Börse. Laut der Deutschen Börse hatte das Amtsgericht Frankfurt im vergangenen Oktober die Einstellung des Verfahrens gegen Kengeter gegen Zahlung von 5 Mill. Euro abgelehnt mit der Begründung, dass eine Fortführung der Ermittlungen angesichts der Bedeutung des Verfahrens opportun sei.Klar ist, dass festgestellte Verstöße künftig teurer geahndet werden. Dies gilt auch für Bußen der Finanzaufsicht. Die von der BaFin ausgesprochene höchste Gesamtgeldbuße betrug nach alter Gesetzgebung wegen des Verstoßes gegen Mitteilungspflichten 1,1 Mill. Euro, gegen Ad-hoc-Publizität aber nur 215 000 Euro, gegen die Leerverkaufsverordnung 60 000 Euro und wegen Marktmanipulation 30 450 Euro.Wie die Börsen-Zeitung erfahren hat, führen der verschärfte Sanktionskatalog und detaillierte Kriterien, was als unerlaubte Handelspraxis gilt, zu einer deutlichen Zunahme an Verdachtsmeldungen bei der BaFin. In einem Fall ist die Rede von einer Verachtfachung angezeigter Transaktionen in einem Jahr. Weil die Finanzaufsicht von Meldungen überrollt wird, führe dies zu einer Priorisierung der Fälle. Beliebt sind etwa Meldungen im Zusammenhang mit “Wash Trades”, also Vorkehrungen für den Kauf oder Verkauf eines Finanzinstruments, bei dem es nicht zu einer Änderung des wirtschaftlichen Eigentums oder des Marktrisikos kommt oder bei dem eine diesbezügliche Absprache besteht. Für Wertpapierdienstleister ist es dabei oft nicht leicht zu erkennen, ob es um einen problematischen Fall geht, wenn etwas Transaktionen zwischen unterschiedlichen Portfolios eines Vermögensverwalters durchgeführt werden. Dies treibt die Verdachtsmeldungen nach oben.Eine Zunahme ist im Markt auch bei Leerverkaufsattacken festzustellen. Strafrechtlich kann dies als “neue Kriminalitätsform” betrachtet werden, wenn etwa Täuschungshandlungen im Spiel sind, Leerverkaufs-Offenlegungspflichten verletzt werden oder Insiderinformationen verwendet werden. Die drei bekanntesten Fälle sind der Angriff von Muddy Waters gegen Ströer (vgl. BZ vom 22.4.2016), von Zatarra gegen Wirecard (vgl. BZ vom 23.2.2017) und von Viceroy gegen ProSiebenSat.1 (vgl. BZ vom 16. März). In allen drei Fällen ist die Staatsanwaltschaft aktiv geworden. Die BaFin hat erstmals bei Viceroy öffentlich gewarnt, dass das Researchhaus in Deutschland nicht registriert sei. Abgesehen vom Nachweis der Manipulation macht Ermittlern auch zu schaffen, dass die Verbreiter von Shortseller-Studien oft außerhalb Deutschlands ansässig sind. Allein aus formalen Gründen kann ohne erreichbare Postadresse keine Anklage erhoben werden. Kaum VerurteilungenMehrheitlich enden die Marktmanipulationsuntersuchungen auch ohne Folgen. 2017 hat es laut BaFin 226 neue Untersuchungen (2016: 272) gegeben, 56 (i. V. 40) davon wurden eingestellt. 121 (106) Vorgänge gegen 197 (275) Personen seien an die Staatsanwaltschaft weitergegeben worden. Das BaFin-Bußgeldreferat habe 6 (7) Vorgänge übernommen. Die Zahl offener Untersuchungen lag bei 441 (398). Die BaFin erhielt 2017 ferner von der Staatsanwaltschaft Kenntnis von 407 (345) abgeschlossenen Verfahren. 187 (166) davon wurden wegen mangelnder Anhaltspunkte eingestellt, 71 (49) wegen Geringfügigkeit, 30 (28) wegen anderer Strafverfahren, 24 (17) wegen Abwesenheit des Beschuldigten. 56 (50) Verfahren wurden unter Auflagen eingestellt. Die BaFin erhielt 2017 auch Kenntnis von 5 (6) Einstellungen gegen Auflage, von 15 (13) Verurteilungen im Strafbefehlsverfahren und von 4 (10) Verurteilungen nach Hauptverhandlungen. In 7 (0) Fällen wurde ein rechtskräftiges Bußgeld ausgesprochen.