Mit Small Caps auf der Übernahmewelle reiten
Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (318)
Mit Small Caps auf der Übernahmewelle reiten
Das Jahr 2023 dürfte Anlegern wohl als das Jahr der Mega Caps in Erinnerung bleiben. Während die großen Werte alle Aufmerksamkeit auf sich zogen, wurde das andere Ende des Spektrums weitgehend übersehen: Dabei erscheinen die vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) immer günstiger. In den USA ist der Bewertungs-Discount so hoch wie seit 22 Jahren nicht mehr. Damals folgte dem Platzen der Dotcom-Blase ein Jahrzehnt starker relativer Performance der Small Caps.
Weltweit zeigt sich für Small Caps ein ähnliches Bild, insbesondere bei Nebenwerten aus dem Value-Segment. Diese werden derzeit 20% unter ihrem historischen Durchschnitt und zu einem Abschlag von 45% gegenüber Large Caps gehandelt. Solche Kursabschläge weisen normalerweise auf eine ausgeprägte und lange Rezession hin. Doch die Realität sieht ganz anders aus: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Small Caps sind so gut wie schon lange nicht mehr. Vor allem scheinen die aggressiven Zinserhöhungen der vergangenen zwei Jahre ausgestanden zu sein. Der Russell-2000-Index für US-Small-Cap-Aktien stieg Anfang November um 5,4%, nachdem die Inflationsdaten positiv überraschten.
Historisch haben US-Small-Caps nach dem Auslaufen von geldpolitischen Straffungszyklen in der Regel besser abgeschnitten als der Gesamtmarkt. Kleinere Unternehmen haben meist einen höheren Verschuldungsgrad, mehr Bankkredite und einen höheren Anteil variabel verzinslicher Schulden als größere Konzerne. Ihre Schuldenlast dürfte sich daher mit dem Rückgang des Zinsniveaus tendenziell verringern. Da auch der Anteil der Personalkosten bei kleinen Firmen meist höher ist, dürfte die nachlassende Lohninflation ihrem Cashflow und ihren Gewinnen weiteren Auftrieb verleihen. Wenn die weiche Landung der US-Wirtschaft tatsächlich gelingt, könnten Small Caps also bald wieder durchstarten.
Die zu beobachtende langfristige Outperformance von Small Caps ist zum einen die Entschädigung für die höheren Risiken, die mit kleineren Unternehmen einhergehen. Zum anderen profitieren Anleger aber auch von den hohen Prämien, die in der Regel für die Übernahme dieser Unternehmen gezahlt werden. Gerade die aktuell niedrigen Bewertungen in Kombination mit der zunehmenden Klarheit über die künftige Richtung der Leitzinsen deuten darauf hin, dass wir am Beginn einer großen Übernahmewelle bei Small Caps stehen könnten. Keine Frage: Großkonzerne, strategische Käufer und Private-Equity-Investoren werden das Umfeld nutzen, um gute KMUs zu Schnäppchenpreisen zu übernehmen.
Gerade im börsennotierten Immobiliensektor dürften sich weitere Transaktionen anbahnen, denn Private Equity, Family Offices, Staatsfonds und andere Investoren erkennen die aktuelle Unterbewertung der Immobilienaktien, die häufigen Sondersituationen und ganz allgemein die lukrativen Trends wie Datenspeicherung und Energiewende, die Immobilien- und Infrastrukturmärkte umtreiben. Einige aktuelle Beispiele: Der Automobilzulieferer Vitesco erhielt ein Übernahmeangebot von Schaeffler mit einer Prämie von rund 20%. Ein US-Pensionsfonds unterbreitete der norwegischen Self Storage Group eine Offerte zu einem Aufschlag von 67%.
Im Rahmen einer eingehenden Unternehmensanalyse bestehen gute Chancen, potenzielle Übernahmekandidaten zu identifizieren und gezielt in diese Werte zu investieren. Wir sehen das als wichtige Vorteile eines aktiven, wertorientierten und naturgemäß oft konträren Ansatzes. Zudem beobachten wir, dass immer mehr Kapital in Small Caps fließt, da die Anleger zunehmend deren attraktives Risiko-Rendite-Verhältnis erkennen. Laut Zahlen des Datenanbieters EPFR Global haben US-Small-Cap-Fonds im November erstmals seit vier Monaten wieder Nettomittelzuflüsse verzeichnet. Dies ist sowohl für die Stimmung als auch für die Renditen der Aktieninvestoren positiv. Die große Anzahl attraktiver, aber unterbewerteter kleinerer Unternehmen stimmt zuversichtlich, dass wir in den kommenden Monaten weitere positive Entwicklungen erleben werden. Anleger in Small-Cap-Aktien dürften dabei besonders profitieren, wenn die Übernahmewelle im KMU-Segment weiterrollt.