Nachhaltigkeit im Wachstum
Sustainability Finance ist aus den internationalen Finanzmärkten und damit aus dem Kapitalanlagegeschäft nicht mehr wegzudiskutieren. Längst ist diese Stilrichtung, auf grüne, soziale oder eben nachhaltige Aspekte im Investmentmanagement zu setzen, zum Mainstream geworden. Immer mehr Debüt-Emittenten kommen in den Markt der Green und Sustainability Bonds bzw. die nachhaltigkeitsbezogenen Anleihen, da sie das Erfordernis, sich als Institution nachhaltig ausrichten zu müssen, erkannt haben und den entsprechenden Kapitalbedarf, der mit den erforderlichen Investitionsprojekten einhergeht, über solche Emissionen decken.
Den Ausgangspunkt nahm dieses Marktsegment im Jahr 2007. Die Europäische Investitionsbank (EIB) mit Sitz im Großherzogtum Luxemburg emittierte seinerzeit ihren ersten Green Bond, einen sogenannten Climate Awareness Bond (CAB). Die Bank der EU gilt damit als Pionier dieses Marktsegments. Anfangs von so manchem im Markt ein wenig belächelt, entwickelte sich über den skandinavischen Markt in den Folgejahren aber sehr schnell eine riesige Erfolgsgeschichte. Und das Marktsegment setzte Meilenstein für Meilenstein. Dazu gehörten immer mehr neue Emittenten, eine breiter werdende Anlegerschar, Assetmanager und Banken, die entsprechende Portfolios, Fonds sowie ETFs auflegten.
Die International Capital Market Association (ICMA) als weltweite Interessenvertretung der Finanz-Community konzipierte die Green und Social Bond Principles, freiwillige Prozessleitlinien für die Emittenten von grünen und sozialen Anleihen, die seit Jahren ein fest etablierter Marktstandard sind, an denen kein Emittent heute mehr vorbeikommt. Die vier Kernkomponenten dieser Green-Bond-Prinzipien sind: 1. Verwendung der Emissionserlöse (Use of Proceeds); 2. Prozess der Projektbewertung und -auswahl (Process for Project Evaluation & Selection); 3. Management der Erlöse (Management of Proceeds) und 4. Berichterstattung (Reporting). Entsprechende Leitlinien für nachhaltige Anleihen und entsprechende Grundlagen für die erst vor knapp anderthalb Jahren entwickelten Principles für Sustainability-linked Bonds, mit denen Projekte auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit etwa von Unternehmen finanziert werden und die an konkreten Performanceindikatoren ausgerichtet werden, folgten. Die EU-Taxonomie ist eine weitere dieser Errungenschaften, die die Marktteilnehmer für sich verbuchen können.
Einen enormen Schub hat der Markt durch die Covid-19-Krise bekommen. Denn sie hat das Thema Nachhaltigkeit und insbesondere den Aspekt Social bei vielen Unternehmen, Banken und anderen Institutionen – auch auf EU-Ebene – noch weiter oben auf der Agenda platziert. „Die Covid-19-Pandemie hat viele Akteure an den Kapitalmärkten – Investoren, Banken, Vermögensverwalter, Unternehmen etc. – für die Bedeutung, die soziale und nachhaltige Finanzierungen und Investitionen in den kommenden Jahren an den Finanzmärkten haben werden, sensibilisiert. Die große Zahl erfolgreicher ESG-Erstemissionen am Markt im vergangenen Jahr belegt dies. Wir glauben, dass dieser gestiegene Bekanntheitsgrad und die Konzentration auf diese Instrumente auf dem Markt erhalten bleiben werden – das wird nach der Überwindung der Pandemie nicht wieder vom Markt verschwinden“, sagt Mandy DeFilippo, seit 2018 Vorsitzende der ICMA, die bei dem Thema Nachhaltigkeit auf internationaler Ebene sehr engagiert ist.
Viele Debüts
Emittentenseitig hat es viele Debüt-Adressen in den Markt gezogen. Der Bund etwa begab seine erste grüne Bundesanleihe, andere Staaten folgten, die EU verbuchte Rekordorderbücher für ihre Social Bonds, die sogenannten Sure-Anleihen, mit
denen die Kurzarbeiterprogramme in der EU finanziert werden. Mittlerweile ist der Markt für grüne, soziale und nachhaltige Anleihen umgerechnet circa 1,92 Bill. Dollar schwer. Zum Vergleich: Die ausstehende Kapitalmarktschuld des Bundes beträgt rund 1,56 Bill. Euro.
Marktseitig haben sich Refinanzierungsvorteile für die Emittenten entwickelt, was weitere Adressen ermutigt, sich diesem Segment aktiv mit Emissionen anzuschließen. Abzulesen ist dieser Bonus am sogenannten Greenium, zusammengesetzt aus den Begriffen Green und Premium. Das bedeutet: Grüne Anleihen werden mit höheren Preisen im Markt von den Anlegern bezahlt als ihre nichtgrünen Pendants. Die Anleger sind also bereit, eine Prämie dafür zu bezahlen, dass ihr Geld grün (bzw. sozial oder nachhaltig) seitens des Emittenten investiert wird und damit im Urteil des Investors einem guten Zweck zukommt. Für die Bonds bedeutet dies im Umkehrschluss, dass sie zu einer geringeren Rendite im Markt gehandelt werden als die laufzeitkongruenten konventionellen Anleihen des gleichen Emittenten. Da beim Bund die Anleihen überwiegend im Bereich von Negativrenditen liegen, sind die Anleger also willens, für grüne Bundeswertpapiere eine noch höhere Parkgebühr zu bezahlen als bei den nichtgrünen Pendants. Und das macht immerhin schon ein paar Basispunkte aus.
Und anlegerseitig trifft das Thema auf eine sehr positive Resonanz. Immer mehr Investoren richten ihre Portfolios nachhaltig aus und kaufen entsprechende Produkte. Die Global Sustainable Investment Alliance schätzt, dass das Volumen des nachhaltigen Anlageuniversums weltweit bei mehr als 35 Bill. Dollar (die Billion im deutschen Sinne) liegt. Das ist ein enormes Anlagepotenzial, das hier dem Markt zugutekommt. Es ist davon auszugehen, dass dieses Volumen in den kommenden Jahren noch deutlich zulegen wird. So setzen etwa die Millennials – Geburtenjahrgänge einige Jahre vor der Jahrtausendwende – sehr stark auf eine nachhaltige Renditegenerierung. Dies wird von ihnen sehr viel höher bewertet als die finanzielle Rendite. Für sie gibt es vielfach nur eine Rendite: die nachhaltige Rendite. Allerdings ist der weitere Weg für dieses Marktsegment nicht ohne Hürden, die es in den kommenden Jahren zu meistern gilt. Es besteht nach wie vor die Gefahr eines Greenwashing, da viele Anbieter von Produkten einfach nur die Kommunikation entsprechend grün oder sozial ausrichten, ohne die Produkte auch wirklich grün und nachhaltig auszugestalten. Das ist nicht im Sinne des Erfinders. „Wir müssen alles tun, um Fälle des Green- oder Social-Washing zu vermeiden. Die EU-Taxonomie ist dabei ein sehr wichtiges Element, das uns Sicherheit gewähren soll, damit nicht irgendwann mal einer kommt und seinen Bond einfach nur grün anstreicht, aber diese Anleihe eben gar nicht grünen Zwecken zugutekommt. Daran müssen alle im Markt arbeiten“, sagt Werner Hoyer, Präsident der EIB. Aber auch beim Reporting ist noch viel zu tun. Entsprechende Standards für das Reporting etwa von Unternehmen über grüne, soziale oder nachhaltige Projekte dürften auch hier in den kommenden Jahren folgen. Dies ist entscheidend, damit Anleger die unterschiedlichen Projekte verschiedener Adressen miteinander vergleichen können. Und ein einheitliches Reporting ist zudem für viele Marktexperten ein weiterer Schritt in Richtung der Reduktion des Risikos von Green- oder Social-Washing-Risiken.
Genau hingucken
Wichtig ist zudem, dass es bei Anbietern von entsprechenden Anleihen und Kapitalanlageprodukten nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt. „Practice what you preach, ist die Devise, nach der das Thema Green und Sustainability Finance auch als Institution vorgelebt werden muss. Und dort ist noch nicht jeder im Markt angekommen“, sagt Hoyer. Und Anleger sollten weiterhin genau hingucken, in welche Produkte sie letztendlich investieren. Auch hier wird es in den kommenden Jahren aufgrund von neuen Standards, einer immer größer werdenden Investorenschaft und damit auch einer höheren Sensibilität einen Selektionsprozess bei den Produkten geben. Es wird zu gestrandeten Assets kommen. Dies ist ein Prozess, den viele im Markt für unausweichlich halten.