Negatives Szenario für den Dax
Von Stefan Salomon*)
Die Unwägbarkeiten an der Börse nehmen zu. Die drohende Insolvenz des chinesischen Immobiliengiganten Evergrande wie auch die Unsicherheit über die Entwicklung der Inflation deckelt derzeit die Stimmung der Anleger. Hinzu kommt die starke Performance seit dem Corona-Crash im März 2020. Der Deutsche Aktienindex (Dax) konnte 2020 bis zum Frühjahr 2021 eine beeindruckende Rally durchsetzen. Dies führte auch zu einer überkauften Chartsituation in 2021. Diese „Übertreibung“ nach oben im Sinne der technischen Analyse, basierend auf diversen Standardindikatoren und deren definierten Werten einer überkauften Chartsituation, wurde und wird nun seit einigen Wochen abgebaut.
Die Unsicherheit im Markt hinsichtlich der bestehenden Imponderabilien drückt sich im Kursverlauf des Deutschen Aktienindex und hier insbesondere in der japanischen Chartmethodik, den Candlesticks, mittels alternierend positiv-negativer sowie kleiner Wochenkerzen seit April 2021 aus. So bildete sich eine längere Seitwärtsbewegung aus. Diese Range von rund 15000 Punkten bis an die jüngsten Tops bei 16000 Punkten stellt aus gegenwärtiger Sicht sowohl eine Chance als auch ein Risiko dar. Denn Seitwärtsbewegungen können innerhalb eines grundsätzlichen Bullenmarktes und einer Aufwärtsbewegung lediglich eine Pause im Trend darstellen. Auf der anderen Seite kann eine entsprechende Range auch als Vorläufer für einen Stimmungsumschwung und somit einer Trendwende dienen. Unsicherheit geht oftmals als Gipfelbildung nach einer längeren Aufwärtsbewegung einem Trendwechsel voraus.
Für Anleger unbefriedigend
Die aktuelle Interpretation der Chartanalyse zum gegenwärtigen Stand des Deutschen Aktienindex mag für Anleger zwar unbefriedigend sein. Doch in der Chartanalyse gibt es eben trendlose Zeiten oder Kursverläufe, die eine klare Prognose über die wahrscheinlichste Richtung für die kommenden Wochen nicht zulassen. Eine Range ist eine solche Phase. Lediglich die bislang stets gekaufte Unterstützungszone im Bereich der runden Marke von 15000 Punkten lässt die Hoffnung zu, dass sich der Markt auch diesmal von der Unterstützung nach oben ablöst. Ein derartig positives Szenario würde zudem den seit 2016 bestehenden breiten langfristigen Aufwärtstrendkanal bestätigen. Das Ziel wäre dabei die obere Trendkanalbegrenzung und somit ein Zielbereich um die 17000 Punkte. Anleger könnten daher an der Unterstützung auf kurzfristige Kaufsignale achten. Eine echte Aufhellung würde sich weiterhin bei einem Anstieg über das Hoch der Vorwoche der jüngsten langen schwarzen, also negativen Wochenkerze durchsetzen.
Doch gerade die jüngste schwarze Wochenkerze mahnt noch zur Vorsicht. Denn im Gegensatz zu den vorherigen Rücksetzern innerhalb der Range wie im Mai oder Juli 2021 zeigten sich diesmal die Bullen zurückhaltend. Dies lässt zumindest eine Schwäche der Käufer erahnen – und so das Risiko eines Ausbruchs aus der Range unter die 15000 Punkte zu. Im negativen Szenario eines Ausbruchs aus der Range nach unten mit Break relevanter Unterstützungen bei 15000 und 14800 Punkten könnte sich eine dynamische Abwärtsbewegung entfalten, die erst im Bereich der runden 14000 Punkte wieder auf Kaufneigung trifft.
Rex deutlich zurückgefallen
Ausgesprochen interessant präsentiert sich auch der Rentenmarkt. Die jüngst steigenden Zinserwartungen haben dem Bund-Future zugesetzt. Ebenso ist der Rex Gesamt Kursindex wieder deutlich seit dem letzten Top im August 2021 gefallen. Der Rex bildet hierbei seit dem Allzeithoch 2019 mit fünf Hochpunkten sowie drei Tiefpunkten ein symmetrisches Dreieck aus. Die Hochpunkte liegen im August 2019, März 2020, November und Dezember 2020 sowie im August 2021, die Tiefpunkte wiederum im Januar und März 2020 sowie im Mai 2021. Weiterhin verläuft seit 2014 der Rex in einem langfristigen Aufwärtstrendkanal. Die Aufwärtstrendlinie wurde im März 2020 nochmals getestet – ebenso wie nun im Oktober 2021. Der zeitlich enge Abstand zwischen den jüngsten Berührungspunkten der Aufwärtstrendlinie im Rex weist auf eine Schwäche der Aufwärtsbewegung hin. Ein Bruch des Aufwärtstrends und folgend auch ein Ausbruch aus dem symmetrischen Dreieck nach unten dürfte deutliche steigende Zinsen im Markt zur Folge haben. Eine echte Aufhellung hingegen wäre ein erneuter Ablösungsprozess von der Aufwärtstrendlinie mit Ausbruch aus dem symmetrischen Dreieck nach oben. Letzteres Szenario ist aktuell allerdings unwahrscheinlicher.
Noch keine Entwarnung
Als Fazit darf festgehalten werden, dass ein negatives Szenario für den Aktienmarkt aufgrund der Chartsituation und einer möglichen Gipfelbildung im Deutschen Aktienindex in Verbindung mit dem Risiko deutlich steigender Zinsen zumindest in die Planung für die kommenden Wochen einfließen sollte. Erst eine deutliche Ablösung von der runden 15000er Marke mit einem Anstieg über das Hoch der Vorwoche sowie eine nochmalige Bestätigung der Aufwärtstrendlinie im Rex könnten eine Entwarnung geben.
*) Stefan Salomon ist freiberuflicher Chartanalyst (www.candlestick.de).