Neue Gewinner in Pharmabranche

DZ Bank sieht Sektor vor Neuordnung - Kaufempfehlungen für Roche, Novartis und Sanofi

Neue Gewinner in Pharmabranche

Einmal Marktführer, immer Marktführer: Das gilt in der Pharma- und Biotech-Branche mittlerweile nicht mehr, schreibt die DZ Bank in einer Studie. Bei den Umwälzungen sei Novo Nordisk in der ungünstigsten Position. Zu fast allen anderen Aktien wird geraten.amb Frankfurt – Nach Ansicht der DZ Bank wird es für Pharmaunternehmen immer schwieriger, eine marktbeherrschende Position zu halten. “Die Zeit der Erbhöfe ist vorbei”, heißt es in einer Studie der Bank. Die Analysten haben die Aussichten für europäische und amerikanische Pharma- und Biotech-Unternehmen untersucht und dabei Gewinner und Verlierer ausgemacht. Allerdings überwiegen die Kaufempfehlungen bei weitem: Zum Einstieg geraten wird bei Roche, Novartis, Sanofi und Shire sowie den US-Unternehmen Eli Lilly, Merck & Co. und Biogen. Bristol-Myers Squibb wird auf “Halten” gestuft, abgeraten wird nur von Novo Nordisk. Der DZ Bank zufolge war die Pharmawelt vor einigen Jahren noch überschaubarer: “Wenn man Generika sagte, dachte man zuerst an Ratiopharm, mittlerweile Teva, bei Medikamenten gegen multiple Sklerose kam einem Biogen in den Sinn, Roche dominierte klar bei Krebsmedikamenten, und bei langwirksamen Insulinen dachte man zuallererst an Lantus von Sanofi”, schreiben die Analysten. Die aktuelle Situation in der Branche wirke dagegen zusehends unübersichtlicher. Die Marktführer könnten sich ihrer Position nicht mehr sicher sein. MS-Mittel als BlockbusterAuf der Seite der “Angreifer” gegen die bisherigen Platzhirsche sehen die Analysten Roche gleich in zwei Feldern als gut positioniert: im Bereich der multiplen Sklerose und der Blutermedikamente. Dem fulminanten Markteintritt des MS-Mittels Ocrevus im US-Markt mit einem Umsatz von 869 Mill. US-Dollar zwischen Mai und Dezember 2017 werde ein ähnlicher Auftritt im EU-Markt folgen, heißt es. “Das Überschreiten der Blockbuster-Marke im ersten kompletten Jahr dürfte kaum mehr als eine Formsache sein.” Für das Blutermedikament Hemlibra fehlten zwar noch Umsatzzahlen, hier gebe es aber ebenfalls viel Potenzial. Außerdem seien Merck & Co. im Bereich der Immunonkologie und Sanofi bei Tabletten gegen multiple Sklerose sehr gut positioniert.Unter den “Verteidigern” stehe Novo Nordisk am schlechtesten da. Kommende Umsätze mit Ozempic würden wohl sehr stark zu Lasten des bisherigen Wachstumsträgers Victoza gehen, dessen Umsatzentwicklung ohnehin bereits durch Trulicity von Eli Lilly eingebremst werde. Deutlich besser sei auf der Verteidiger-Seite Roche positioniert. Offensichtlich gelinge es dem Konzern bislang problemlos, auch einen zweistelligen Rückgang der europäischen Umsätze von Mabthera durch Wachstum in anderen Regionen mindestens auszugleichen.Daher wird bei Roche mit unverändertem Kursziel von 270 (derzeit 220,05 sfr) weiter zum Kauf geraten. Roche müsse zwar in der Pharmabranche und besonders in der Onkologie im Zukunftsfeld Immunonkologie noch etwas aufholen, die dominierende Position im Bereich gerichteter Therapien werde aber noch lange bestehen bleiben – auch unabhängig vom Auftreten biogenerischer Konkurrenz für wichtige Umsatzträger. Gleichzeitig habe Roche frühzeitig auf Bioinformatik sowie Big Data gesetzt und erobere aktuell mit multipler Sklerose und Blutererkrankungen gleich zwei neue und lukrative Indikationsgebiete. Die Ergebnisschätzungen je Aktie von 16,43 sfr für 2018 und 16,78 sfr für 2019 werden bestätigt, für 2020 werden 17,54 sfr erwartet. Auch Sanofi wird zum Kauf empfohlen, das Kursziel bleibt bei 82 (aktuell 66,17 Euro). Mit der abnehmenden Bedeutung des Diabetesgeschäfts verlagere sich der Unternehmensschwerpunkt immer weiter in Richtung seltene Erkrankungen, wo zweistellige Wachstumsraten und hohe Margen winkten. Die jüngsten Akquisitionen im Bereich seltener Bluterkrankungen verstärkten diesen Trend zusätzlich. Daneben etabliere Sanofi zunehmend den Bereich Immunologie mit dem vielseitigen Dupixent und dem Rheumamittel Kevzara als weiteres Standbein. Die Gewinnschätzungen bleiben für 2018 und 2019 bei 5,60 Euro und 6,05 Euro je Aktie, für 2020 gehen die Analysten von 6,22 Euro aus. Ebenfalls zum Kauf empfohlen wird der Schweizer Gesundheitskonzern Novartis, das Kursziel liegt weiter bei 96 sfr (aktuell 78 sfr). Der Erlösrückgang aufgrund generischer Konkurrenz für das Krebsmittel Gleevex werde unter anderem durch neue Krebsmittel mehr als wettgemacht, heißt es. Gleichzeitig liefere die breite Pipeline beständig kurstreibenden Newsflow. Daneben stünden in diesem Jahr wichtige Markteinführungen an, etwa ein neuartiges Migränemittel. Durch die Trennung von Beteiligungen an Roche bzw. dem Gemeinschaftsunternehmen mit Glaxo seien auch größere Akquisitionen möglich. Je Aktie erwarten die Analysten weiter 5,27 sfr und 5,68 sfr für 2018 und 2019, für 2020 werden 6,03 sfr prognostiziert. Auch das britische Biotechunternehmen Shire, das seinen Schwerpunkt auf seltene Erkrankungen legt, wird unverändert auf “Kaufen” gestuft (Kursziel 37 Pfund, aktuell 32,05 Pfund). Der Ausblick für 2018 sei nicht gut angekommen, heißt es, sei aufgrund der Anlaufkosten der neuen Produktionsanlage und der aufkommenden Konkurrenz durch das Roche-Medikament Hemlibra aber realistisch. Die Pipeline sei erstaunlich gut gefüllt. Gleichzeitig verspreche die zweite Phase der Überprüfung des Geschäftsmodells kurstreibende Nachrichten um die Jahresmitte. Die Ergebnisschätzungen bleiben bei 5,10 Pfund für 2018 und 5,47 Pfund für 2019, für 2020 wird mit 5,72 Pfund gerechnet. Auch bei den US-Werten Eli Lilly, Merck & Co. und Biogen wird weiter zum “Kaufen” geraten. Für Eli Lilly wird ein Kursziel von 95 Dollar (aktuell 80 Dollar) genannt, für Merck & Co. 70 Dollar (aktuell 55,78 Dollar) und für Biogen jetzt 330 statt 360 Dollar (aktuell 291,30 Dollar). Der US-Biotechnologiekonzern Bristol-Myers Squibb wird auf “Halten” gestuft (Kursziel 70 Dollar, aktuell 66,80 Dollar). Nur beim dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk wird zum “Verkaufen” geraten (Kursziel 280 dkr, aktuell 305,10 dkr). Die Zahlen für 2017 hätten die Erwartungen schon nicht ganz erfüllen können, dann habe auch noch der Ausblick auf 2018 enttäuscht, heißt es. Das auf die Zuckerkrankheit konzentrierte Unternehmen sei vor allem in den USA mit einem schwierigen Diabetesmarkt konfrontiert. Alle Augen seien dabei auf Ozempic gerichtet, das in der aktuellen Version aber erst einmal dem seit mehr als zwei Jahren auf dem Markt befindlichen Trulicity von Eli Lilly “nachlaufen” müsse – mit der Gefahr, den eigenen Umsatzträger Victoza zu kannibalisieren. Der Bereich Biopharmazeutika bleibe unter Druck und verliere weiter Umsätze. Die Ergebnisschätzungen für Novo Nordisk liegen unverändert bei 15,75 dkr und 16,75 dkr für 2018 und 2019, für 2020 werden 17,82 dkr erwartet. Euphorie fehltDie Empfehlungen anderer Analysten für Pharma- und Biotech-Unternehmen fallen durchaus gemischt aus: So wird Roche unter anderem von Goldman Sachs und J.P. Morgan auf “Buy” bzw. “Overweight” gestuft, UBS und Kepler Cheuvreux votieren mit “Neutral” oder “Hold”, die Société Générale mit “Sell”. Goldman Sachs hat das Kursziel für Roche von 325 sfr auf 300 sfr gesenkt, die Aktie bleibt aber auf der “Conviction Buy List” der US-Bank. Roche sei sehr attraktiv positioniert, heißt es in Erwartung der Studienergebnisse zum Immuntherapeutikum Tecentriq. Das niedrigere Kursziel sei Folge möglicher Umsatzeinbußen durch Nachahmerprodukte. Ebenfalls kein klares Bild gibt es bei Novartis: Hier sind zum Beispiel Société Générale und die Baader Bank positiv gestimmt, während Goldman Sachs und UBS mit “Neutral” stimmen, Barclays mit “Underweight”. Laut Société Générale (“Buy”, Kursziel 95 sfr) lassen die vorsichtigen Markterwartungen Raum für positive Überraschungen. Auch bei Sanofi fallen die Urteile sehr unterschiedlich aus: Mit “Buy” votieren etwa Kepler Cheuvreux und die Deutsche Bank, mit “Neutral” Goldman Sachs und UBS, von Barclays heißt es auch hier “Underweight”.