Niedrigzinsen und kaum Performance

Pictet Asset Management erwartet schwierige Anlagejahre - Europa und Schwellenländer übergewichtet

Niedrigzinsen und kaum Performance

Sinkende Leitzinsen in den USA, aber erst im nächsten Jahr, eine Stagnation am US-Aktienmarkt gemessen am S&P 500 über die nächsten fünf Jahre und Chancen für europäische und Schwellenländer-Assets erwartet Chefstratege Luca Paolini von Pictet Asset Management in seinem Ausblick.dm Frankfurt – Die Vermögensverwaltungssparte der Schweizer Privatbank Pictet ist spürbar vorsichtiger in ihrer Anlagestrategie geworden. “Die Anleger sind viel zu optimistisch, was die Ertragsaussichten für US-Unternehmen anbelangt”, sagte Luca Paolini, Chefstratege von Pictet Asset Management (Pictet AM), am Mittwoch vor Journalisten in Frankfurt. Die “neue geldpolitische Lockerung” der führenden Zentralbanken sei nach der Erholungsrally der ersten fünf Monate des laufenden Jahres bereits eingepreist.Darum sei der Blick auf die Konjunkturentwicklung zu richten. Vorauslaufende Indikatoren deuteten auf eine deutliche Abschwächung hin. Paolini präzisierte aber, dass sich das weltweite Wachstum bereits seit 2017 abzuschwächen begonnen habe. 2020 könne es zu einer Rezession kommen, was die US-Notenbank dann zu zwei bis drei Leitzinssenkungen veranlassen dürfte. 2019 dürfte die Fed noch stillhalten.Für die Aktienmärkte bedeutet dies insgesamt ein gemischtes Bild. “Der Bullenmarkt ist wahrscheinlich vorbei”, so der Anlageexperte. Er erwarte als nächste größere Marktbewegung eher eine Korrektur denn einen Anstieg. Für den US-Aktienmarkt – gemessen am S&P 500 – zeichnen sich laut Paolini dürre Jahre ab: Über die nächsten fünf Jahre sei von einer Stagnation des Kursniveaus auszugehen. Auch seien US-Technologie- und Digitalkonzerne gegenüber einer möglichen Verschärfung des Handelskonflikts zwischen den USA und China nicht immun.Pictet AM hat deshalb US-Werte in der Anlagenverteilung “untergewichtet”. Dafür werden Schwellenländermärkte übergewichtet. Unter den Sektoren seien derzeit eigentlich nur Telekomtitel günstig. Und Aktien aus der Eurozone sowie aus Großbritannien dürften aufgrund der vergleichsweise attraktiven Bewertung besser abschneiden, weshalb Pictet sie höher gewichtet. Die Investoren seien zu pessimistisch: Die Konjunktur in der Eurozone sei nicht so anfällig wie die US-Wirtschaft. Nicht wie JapanDer Stratege betont, Europa folge nicht dem japanischen Szenario von Deflation und “verlorenem Jahrzehnt”: So sei die Kreditvergabe in Europa höher, die Löhne würden etwa in Deutschland steigen, und die Staatsanleiherenditen lägen in Europa deutlich unter dem nominalen Wachstum. Auch gebe es keine nennenswerte Blasenbildung etwa auf dem europäischen Immobilienmarkt. Dies alles sei in Japan anders gewesen: “Die Unterschiede zwischen Japan und Europa sind groß.”An den Vereinigten Staaten gefällt Paolini nicht, dass sich die Unternehmen stark verschuldet haben. Ein sinkendes Unternehmensvertrauen könne über sinkende Investitionsausgaben in eine Rezession führen. Steigende Risikoaufschläge im Fremdfinanzierungsmarkt könnten dann die US-Unternehmen belasten. Fiskalpolitisch haben die USA laut Paolini zudem nach den Steuersenkungen der Trump-Regierung keinen Spielraum mehr, anders sei dies in Europa, wo die Fiskalpolitik noch gelockert werden könne.Paolini verwies zudem auf verschiedene Faktoren, die zu einer schlechteren Entwicklung von US-Aktien gegenüber europäischen Werten führen könnten: So dürften die bereits rekordhohen Margen der US-Unternehmen entgegen den Konsensschätzungen der Analysten nicht noch weiter steigen, sondern zurückgehen. Dann gebe es auch Gegenwind durch einen schwächeren Dollar (vgl. Grafik). Im Anleihenbereich sieht Paolini relativ günstige Bewertungen in den Schwellenländer-Anleihemärkten – in Lokalwährung – sowie bei US-Staatsanleihen. Wie schon im vergangenen Dezember hält Pictet etwa Staatsanleihen aus Russland oder Mexiko in Lokalwährung für attraktiv. Gold berücksichtigenAuch alternative Anlagen wie Gold oder marktneutrale Strategien dürften sinnvoll sein, so der Experte. Für Hedgefonds-Strategien sei eine Performance von 3 bis 4 % p. a. denkbar, was nicht üppig wäre, aber immerhin besser als mögliche Verluste in schwankungsreicheren Anlageklassen. US-Treasuries würden sich zudem in Multi-Asset-Portfolios als Absicherung anbieten, für einen Euro-Investor seien sie aber wegen des Wechselkursrisikos nicht attraktiv.Mit Blick auf die Zinsentwicklung hält Paolini bei einer Rezession in den USA auch eine “drastische” Zinssenkung für möglich. Der bekannte US-Investor Stan Druckenmiller hatte am Montag erklärt, er schließe nicht aus, dass die Zinsen in den USA in den nächsten achtzehn Monaten auf 0 % sinken könnten, wenn sich das Wachstum abschwäche. Paolini geht davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum in den USA in den kommenden Jahren dem Wachstum in Europa annähern dürfte. An der europäischen Zinsfront dürfte aber nichts geschehen, so der Stratege: “Eine Senkung bringt nichts.” Durch das abnehmende Wachstums- und Zinsgefälle zwischen den USA und Europa sei über die nächsten fünf Jahre eine Dollar-Abschwächung zu erwarten, die damit einhergehende Aufwertung des Euro sei für Europa natürlich “nicht positiv”.Angesprochen auf die Drohung aus China, US-Treasuries im Handelskonflikt als Waffe einzusetzen und in großem Stil auf den Markt zu werfen, meint Paolini, dies sei unwahrscheinlich. “Dann müssten die Chinesen auch Dollars verkaufen, was zu einer Schwächung des Greenback führt und zu einer unerwünschten Aufwertung der chinesischen Währung.” Für wahrscheinlicher hält Pictet einen Boykott von US-Produkten oder gezielte politische Nadelstiche, etwa in Form von Ölimporten aus Iran oder einer Tolerierung nordkoreanischer Muskelspiele. Im Handelskonflikt erwartet Paolini einen Kompromiss. Er schließt aber nicht aus, dass die USA den Kürzeren ziehen könnten.