Marktausblick

Noch eine Bärenmarkt-Rally

Mehr als eine Bärenmarkt-Rally ist der aktuelle Aufwärtstrend an den Aktienmärkten noch nicht. Denn die Belastungsfaktoren bestehen weiterhin.

Noch eine Bärenmarkt-Rally

Von Christopher Kalbhenn,

Frankfurt

Zum Wochenschluss dürfte sich am Aktienmarkt unter den Marktteilnehmern etwas Erleichterung breitgemacht haben. Denn der Dax hat in der abgelaufenen Handelswoche nicht nur seine Talfahrt, die ihn am Dienstag bis auf ein Jahrestief von 12391 Zähler gedrückt hat, unterbrochen, sondern im Verlauf eine starke Gegenbewegung hingelegt. Am Freitag hievte sie den Standardwerteindex über die Marke von 13000 Punkte. Zuletzt lag er mit einem Wochenplus von 1,6% bei 13015 Zählern.

Belastungen bestehen fort

Mehr als noch eine Bärenmarkt-Rally ist aber auch diese Gegenbewegung wahrscheinlich nicht. Denn die Belastungsfaktoren hinter dem Bärenmarkt bestehen unverändert fort. Sie werden sich möglicherweise noch deutlich verstärken, sollte Russland die jährliche Wartung der Nord-Stream-1-Pipeline als Vorwand nutzen, die Gaslieferungen weiter zu reduzieren oder diese gleich ganz einzustellen. Rezessionssorgen werden den Aktienmarkt nicht zuletzt aus diesem Grund weiter plagen und zumindest der Gegenbewegung Grenzen setzen. Zwar haben die Märkte eben deswegen andererseits ihre Erwartungen an Leitzinserhöhungen zurückgeschraubt. Vorerst ist jedoch von dieser Seite in der Realität wenig Erleichterung zu erwarten. Das Protokoll der zurückliegenden Fed-Sitzung hat deutlich gezeigt, dass die US-Zentralbank entschlossen ist, aggressiv gegen die hohe Inflation vorzugehen, und bereit ist, gegebenenfalls auch in ihrer kommenden Sitzung einen großen Zinsanhebungsschritt von 75 Basispunkten vorzunehmen. Auch der robuste US-Arbeitsmarktbericht vom Freitag deutet in diese Richtung. Dass andererseits für 2023 mittlerweile schon Zinssenkungen der Fed eingepreist werden, ist aus Sicht des Aktienmarktes ein zweischneidiges Schwert. Denn das impliziert das Abrutschen der US-Wirtschaft in die Rezession, mit negativen Folgen für die Unternehmensgewinne.

Die Gewinne rücken in den kommenden Tagen in den Vordergrund. In den USA beginnt die Berichtssaison zum zweiten Quartal, bei der die Banken den Startschuss geben. J.P. Morgan und Morgan Stanley legen am Donnerstag ihre Zahlen vor, am Freitag folgen BNY Mellon, Citi­group und Wells Fargo. Experten befürchten, dass mit der Saison eine Abwärtswelle bei den bislang sehr stabilen Gewinnprognosen der Analysten einhergehen wird, was für Volatilität beziehungsweise erneut unter Druck geratende Notierungen an Aktienmärkten sorgen wird. „Negative Anpassungen von Analystenschätzungen an das Wirtschaftsumfeld sehen wir (…) weiterhin als unvermeidlich an und in diesem Zusammenhang auch als Gefahr für weitere Kursvolatilität“, so die DZ Bank am Freitag.

„Die zuletzt wieder rückläufigen Inflationserwartungen, die derzeit sinkenden Leitzinserwartungen für EZB und Fed sowie das Dax-KGV von 10 sprechen kurzfristig für stabilere Aktienmärkte“, so die Commerzbank. Kurzfristig bestehe damit eine gute Chance, dass sich der deutsche Aktienmarkt stabilisieren wird. Mittelfristig drohten aber angesichts der für das erste Halbjahr 2023 zu erwartenden US-Rezession weitere Kursverluste. Dem Institut zufolge sind die Gewinnprognosen der Analysten zu optimistisch. Denn für 2022 erwarteten sie einen Anstieg der Dax-Gewinne von 6%. Ein Blick auf frühere Konjunkturzyklen zeige, dass gerade in Rezessionsphasen die realisierten Unternehmensgewinne 20% bis 40% unter den ursprünglichen Erwartungen der Analysten liegen. „Und schließlich dürfte der Ukraine-Krieg den Aktienmarkt weiter belasten.“ So sei das Kurs-Buchwert-Verhältnis der BASF-Aktie mittlerweile aufgrund der Gassorgen auf ein Rekordtief von 0,85 gefallen.

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