Optimismus an Torontos Börse

Anleger setzen auf Erholung der Rohstoffpreise im zweiten Halbjahr 2014

Optimismus an Torontos Börse

Anleger am kanadischen Aktienmarkt werden wieder optimistischer. Sie hoffen auf eine Erholung der Rohstoffpreise im zweiten Halbjahr 2014. Bislang hat der kanadische Leitindex TSX deutlich schlechter abgeschnitten als der Dow Jones.Von Markus Gärtner, VancouverAn Kanadas Aktienmärkten brechen 2014 wieder bessere Zeiten an. Das ist die Mehrheitsmeinung von Analysten und Volkswirten. Die wichtigsten Gründe für den positiven Ausblick sind die erwartete Konjunkturerholung in den USA und in China sowie eine Stabilisierung und – im zweiten Halbjahr 2014 – eine Erholung der Rohstoffpreise. Laut Sid Mokhtari, dem Direktor für institutionelle Aktienanalyse bei der Investmentbank CIBC World Markets in Toronto, bessern sich vor allem wegen der erwarteten Kehrtwende bei den Rohstoffpreisen die Perspektiven für den Leitindex TSX.Der TSX hat nach seinem 52-Wochen-Tief im Juni 13 % zugelegt. Doch seit Jahresbeginn hat er mit einem Plus von 10 % weniger als halb so viel Boden gutgemacht wie der Dow Jones. Dieser kann ein Plus von knapp 22 % vorweisen. “Das ist kein gewaltiger Rebound, den wir sehen, aber eine auffällige Wende nach zwei Jahren, in denen der TSX im Vergleich zu anderen Börsenbarometern mager abgeschnitten hat”, erklärt Robert Kavcic, der Topökonom bei der zur Bank of Montreal gehörenden BMO Capital Markets. Belastungsproben bestandenDeutlicher drückt den Stimmungsumschwung Benjamin Tal aus, ein Aktienstratege bei CIBC World Markets: “Die Geschichte ist jetzt auf der Seite des TSX.” Tal hat mit seinem Research-Team ermittelt, dass die Aktien in Toronto jedes Mal, nachdem sie in einem Jahr schlechter abschnitten als der S & P 500, binnen zwölf Monaten 16 % aufholten. “2014 dürfte keine Ausnahme sein”, sagt Tal, “vor allem weil der TSX zahlreiche Belastungsproben aushalten musste.” Gemeint sind drei Faktoren, die dem Leitindex in Kanada seit 2011 zusetzten: die Furcht vor einer Korrektur der hohen Immobilienpreise, die schwachen Rohstoffnotierungen, die Aktien der Minenindustrie belasteten, sowie die kräftigen Abschläge auf kanadisches Öl, das wegen des Fracking-Booms in den USA beim Export einen Preisabschlag bis zu 30 Dollar je Barrel hinnehmen musste.Doch der Gegenwind wird in allen drei Fällen schwächer. Öl aus den bitumenreichen Vorkommen in Alberta wird in Rekordmengen mit Güterzügen transportiert, um die fehlende Pipeline-Kapazität auszugleichen. Aus China wurden zuletzt im Exportsektor und beim privaten Verbrauch bessere Zahlen gemeldet. Die Volksrepublik kommt für knapp 46 % der weltweiten Nachfrage bei den wichtigen Basismetallen Kupfer, Zink, Aluminium und Nickel auf, die USA dagegen nur für 9,9 %, so die Analysten von Kanadas Scotiabank. Für einen so rohstofflastigen Index wie den TSX macht es daher einen großen Unterschied, ob die Konjunktur in China stabil bleibt. Immerhin konnte der Energie-Subindex im TSX seit dem September 2011 kaum Boden gutmachen und notiert 40 % unter seinem Hoch von 2008. Die Analysten der Scotiabank vermerken zudem, dass die Reformpolitik der neuen Führung in Peking “positiv für die globalen Rohstoffmärkte ist”. Dazu heißt es von der Bank: “Die Metalle nähern sich einem zyklischen Boden, die Preise sollten sich im Verlauf des kommenden Jahres stetig verbessern.” Großer Einfluss der USAAuch der Einfluss der USA auf Kanadas Wirtschaft, und damit auf den Aktienmarkt, ist nach wie vor groß. Daher macht die positive Einschätzung zur US-Konjunktur für 2014 in Toronto zusätzlich Mut. “Kanada und die USA werden von dem wachsenden Momentum im zweiten Halbjahr 2013 profitieren und 2014 überdurchschnittlich stark wachsen”, sagt Dawn Desjardins, stellvertretende Chefökonomin bei Kanadas führender Bank, der Royal Bank of Canada. Der Fondsmanager John Kinsey vom Brokerhaus Caldwell Securities in Toronto stimmt zu. “Der kanadische Markt war im Herbst gut gelaufen und hat dann eine Basis gebildet, jetzt könnte es weiter nach oben gehen.” Internationale Anleger haben bereits reagiert. Die Nettoinvestitionen an Kanadas Aktienmarkt kletterten im September auf 10,8 Mrd. Dollar.Die positivere Einschätzung wird auch auf der anderen Seite des Atlantiks geteilt. “Kanada wird 2014 weiterhin moderat wachsen, wir erwarten einen BIP-Zuwachs von 2,3 %”, heißt es bei der Commerzbank. Und David Rosenberg, der frühere Chefvolkswirt bei Merrill Lynch, der jetzt Marktstratege bei Gluskin Sheff in Toronto ist, erwartet 2014 in den USA “eine Überraschung auf der Positivseite”. Kanada bekommt auch Schützenhilfe vom schwächeren kanadischen Dollar. Dieser ist binnen 12 Monaten von 1,01 US-Dollar auf 94 US-Cent gefallen. Die Royal Bank erwartet bis Ende 2014 eine weitere Abschwächung auf 92 US-Cent. Hinzu kommen ein Abbau der Engpässe im Pipeline-System und mehr Raffineriekapazität in den USA für Öl aus dem nördlichen Nachbarland. Die große “Whiting”-Raffinerie von BP in Indiana schließt derzeit ihre Umstellung auf schweres Rohöl aus Alberta ab. Das hilft den Energie-Exporten Albertas.Auch die Charttechniker werden mit Blick auf den TSX zuversichtlicher. Der Index konnte Ende Oktober zum ersten Mal seit Juli 2011 die Marke von 13 000 Punkten überwinden. “Dieser Meilenstein bringt den TSX auf Kurs von 14 000 Punkten und mehr”, prognostiziert der technische Analyst Ron Meisels beim Research-Unternehmen Phases & Cycles in Montreal. Was Analysten positiver stimmt als noch vor ein paar Wochen, ist auch die Tatsache, dass die Bank of Canada weniger besorgt ist über Inflation, obwohl der kanadische Dollar an Wert verliert. Weil immer mehr Kanadier zum Einkaufen in die billigeren USA fahren, können Importeure im Ahornland steigende Preise für importierte Ware kaum weitergeben. Zudem hat Kanadas Notenbank Anfang Dezember mit Blick auf die stabilisierte Lage in der Eurozone ihre Risikobewertung von “hoch” auf “erhöht” gesenkt. Das war die erste Korrektur nach unten seit Dezember 2011.Laut Benjamin Tal von CIBC World Markets haben Bankaktien noch nicht ihr Hoch erreicht, Telekomaktien hätten unter der Furcht vor mehr Konkurrenz durch US-Firmen gelitten und könnten jetzt aufholen. Ron Meisels sieht nach dem Überwinden der Marke von 13 000 beim TSX noch Luft nach oben: “Zwei Segmente des Marktes, in dem Anleger noch gute Kaufkandidaten finden, sind Energie und Technologie”, sagt er.Viele Analysten empfehlen Kanadas größten Energiekonzern Suncor. Mit 36 kan. Dollar notiert Suncor 31 % über dem 52-Wochen-Tief. John Stephenson, ein Portfoliomanager beim Vermögensverwalter First Asset Investment Management in Toronto, hält Suncor für “eine gute Langfristanlage, die sich prima entwickeln wird”. Das sieht auch der Portfoliostratege Robert Gorman von der Toronto-Dominion Bank so, wegen “steigender Produktion und freiem Cash-flow”. Banken empfohlenDie Analysten bei der Scotiabank raten für 2014 zum Kauf von Banken, Technologie und Industriefirmen. Die Royal Bank und die Toronto-Dominion Bank werden von zahlreichen Analysten bevorzugt, weil beide inzwischen einen Großteil ihres Gewinns in den USA einfahren. Peter Brieger, der CEO des Vermögensverwalters Globe Investment Capital Management in Toronto, erwartet für die Royal Bank neben 4 % Dividendenrendite für die nächsten zwölf Monate auch bis zu 6 % Kurszuwachs. Zu Rohstoffen heißt es in der jüngsten “Global Views”-Analyse der Scotiabank: “Unsere vorsichtige Haltung erstreckt sich bis Anfang 2014 hinein, wir empfehlen Energie-Dienstleister, Chemiewerte und Holzverarbeiter.” Minensektor schwachFür den Minensektor bleiben die Prognosen trotz des erwarteten Rückenwindes aus China eher verhalten. Ian Nakamoto, der Research-Direktor beim Vermögensberater MacDougall, MacDougall & MacTier in Toronto, sagt vorher, dass “Kanada und andere rohstofflastige Aktienmärkte in der Gunst der Anleger nicht steigen werden, bevor das Wachstum der Weltwirtschaft über 4 % beträgt”. Ähnlich sieht das der auf Fusionen spezialisierte Anwalt Kevin Thomson bei der Kanzlei Davies Ward Phillips & Vineberg in Toronto: “Bergbaufirmen operieren derzeit in einem sehr schwierigen Umfeld, das unter schwachen und volatilen Preisen leidet.”Einzelne Analysten fürchten auch, dass der Effekt, den Chinas Wachstum auf den Minensektor hat, nachlassen wird: “China dreht sich nun weniger um Rohstoffe, weil es mehr eine Konsumgesellschaft wird”, sagt die Portfoliomanagerin Diana Avigdor beim Vermögensberater Barometer Capital Management in Toronto, “und weil Kanada stark am Rohstoffsektor hängt, schmerzt das die Kurse.”Sehr gemischt sind die Prognosen für Kanadas größten Goldproduzenten Barrick Gold. Die absehbare Drosselung der Anleihekäufe durch die Fed sowie sinkende Inflationsraten in Europa und den USA sprechen gegen eine baldige Wende am Goldmarkt. Vereinzelte Analysten, wie John Zechner, der Vorsitzende des Vermögensverwalters Zechner & Associates in Toronto, sehen nach den drastischen Korrekturen im laufenden Jahr höchstens die Chance auf eine technische Reaktion: “Es gibt so viele schlechte Nachrichten, die in den Kurs von Barrick eingebaut sind, dass eine gute Chance auf eine Gegenbewegung besteht.”