Polen, Tschechien und Ungarn

Osteuropas Notenbanken schreiten voran

Die Notenbanken von Polen, Tschechien und Ungarn sind bei ihren Bemühungen der geldpolitischen Normalisierung bereits weit vorangeschritten. Allerdings ist der Ukraine-Krieg ein Störfaktor.

Osteuropas Notenbanken schreiten voran

Von Sandra Striffler*)

Während sowohl die US-Notenbank als auch die EZB vor einem Jahr noch weit davon entfernt waren, eine Rücknahme ihrer in der Coronakrise ergriffenen geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen in Angriff zu nehmen, stand hingegen bei ihren Amtskollegen aus den CE3-Staaten die Normalisierung der Geldpolitik bereits oben auf der Agenda. Dass sich diese vergleichsweise früh in Habachtstellung befanden, war den dort deutlich gestiegenen Teuerungsraten und damit verbunden der Sorge vor einer „Entankerung“ der Inflationserwartungen sowie vor Zweitrundeneffekten angesichts ohnehin enger Arbeitsmärkte geschuldet. Als erste der CE3-Notenbanken hob die ungarische Zentralbank (MNB) Ende Juni die Leitzinsen an. Bereits einen Tag später folgten die Währungshüter in Prag, während die polnische Zentralbank (NBP) u.a. mit Verweis auf die konjunkturellen Belastungen, die mit höheren Leitzinsen einhergehen, erst im Herbst 2021 und damit als Letzte im CE3-Universum eine erste Straffung der geldpolitischen Zügel vorgenommen hat. Letztendlich ließen jedoch alle drei osteuropäischen Notenbanken keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit, sich den Inflationsrisiken geldpolitisch in den Weg zu stellen. Spitzenreiter war hier die tschechische Notenbank (CNB), die den Schlüsselzins bis Ende 2021 bereits um stolze 350 BP angehoben hatte. Die tschechische Krone begrüßte die konsequent auf die Inflationsbekämpfung ausgerichtete geldpolitische Gangart ihrer Währungshüter, die marktseitig einen exzellenten Ruf genießen, und wertete spürbar auf.

Aufgabe noch schwieriger

Wenngleich sich der polnische Zloty und der ungarische Forint aufgrund heimischer Belastungsfaktoren zurückhaltender präsentierten, bemühten sie sich dennoch ebenfalls um Zuversicht und starteten gegenüber dem Euro mit Kursgewinnen in das neue Jahr. Lange währte ihr Optimismus jedoch nicht, sorgte doch der Ausbruch des Ukraine-Krieges Ende Februar für die nächste massive Verunsicherung bei den osteuropäischen Währungen. Ursächlich hierfür waren zum einen die geografische Nähe der CE3-Staaten zu dem Ort der militärischen Auseinandersetzungen sowie die Ungewissheit, wie sich der Ukraine-Krieg weiter entwickeln würde. Zum anderen ließen die mit den massiven Sanktionen des Westens gegen Russland einhergehenden fundamentalen Risiken die CE3-Währungen überaus verunsichert zurück. So trübten sich die ohnehin angespannten Inflationsaussichten in Osteuropa vor dem Hintergrund weiter spürbar steigender Energiepreise sowie einer Verschärfung der Lieferkettenproblematik erneut ein. Hinzu kamen konjunkturelle Sorgen. Für die ohnehin bereits geldpolitisch geforderten Notenbanken alles andere als eine einfache Situation. Allesamt bekräftigten sie jedoch ihren Fokus auf die Inflationsbekämpfung und hoben seither konsequenterweise die Leitzinsen weiter spürbar an. Zudem intervenierten die tschechischen und die polnischen Währungshüter nach Kriegsausbruch am Devisenmarkt zugunsten ihrer Landeswährungen, um ihnen auch auf diesem Wege Unterstützung zu bieten.

Wenngleich die CE3-Notenbanken die Leitzinsen in den kommenden Monaten noch weiter nach oben schleusen sollten, dürfte jedoch der Großteil der geldpolitischen Straffungen in den aktuellen Leitzinserhöhungszyklen bereits erfolgt sein. Hinweise hierauf, dass die Leitzinsanhebungen allmählich auslaufen dürften, gab jüngst u.a. der tschechische Zentralbankchef Rusnok. Dieser ließ wissen, dass die noch folgenden Leitzinsanhebungen lediglich als geldpolitische „Kosmetik“ zu verstehen sind. Sein Amtskollege in Warschau Glapinski hob zuletzt seine Einschätzung graduell wieder leicht rückläufiger Inflationsraten im Verlauf des zweiten Halbjahres hervor. Dass damit in Polen die geldpolitische Hoffnung einhergeht, den Leitzinserhöhungszyklus beenden zu können, machte zudem das dortige Notenbankmitglied Litwiniuk deutlich. In Ungarn wiederum hat die MNB mit Blick auf die Anhebungen des inoffiziellen Leitzinses, der One-Week Deposit Rate, merklich Tempo herausgenommen und nach einer Reihe von dynamischen Erhöhungen zuletzt rund vier Wochen abgewartet. Zwar wurde dieser Satz Ende April noch einmal leicht auf 6,45% angehoben. Das temporäre Innehalten kann jedoch unserer Einschätzung nach als klarer Hinweis gewertet werden, dass der geldpolitische Straffungskurs der MNB bereits weit fortgeschritten ist. Interessant ist vor diesem Hintergrund auch die Aussage des MNB-Vorsitzenden Matolcsy, wonach der inoffizielle Leitzins und sein offizielles Pendant, welches derzeit bei 5,40% auszumachen ist, bis zum Sommer angeglichen werden sollen. Will heißen, tastet die MNB den inoffiziellen Zinssatz fortan nicht mehr an, kann dies als Indiz dafür gewertet werden, dass der dortige Leitzinserhöhungszyklus auf diesem Niveau am Ende angekommen sein wird.

Laufen die geldpolitischen Straffungen in den CE3-Staaten schließlich gegen Ende des Jahres aus, dürften die dortigen Währungshüter diese restriktiven Leitzinsniveaus ungeachtet der erwarteten nachlassenden Wachstumsdynamik für eine längere Zeit unverändert belassen. Wir halten es für denkbar, dass für Polen und Tschechien marktseitig erste Leitzinssenkungserwartungen Mitte nächsten Jahres aufkommen, sollten die entsprechenden Inflationsziele der dortigen Notenbanken eigenen Angaben zufolge doch im Verlauf des zweiten Halbjahres 2023 wieder erreicht werden. Die ungarische Zentralbank geht ihren jüngsten Angaben zufolge davon aus, dass ihr Inflationsziel erst wieder im ersten Halbjahr 2024 erreicht werden wird, was dafür spricht, dass die MNB im CE3-Vergleich am längsten an ihrem restriktiven Leitzinsniveau festhalten könnte.

Weniger restriktiv

Zeichnet sich perspektivisch eine weniger restriktive geldpolitische Gangart in den CE3-Staaten ab, so dürfte dies den dortigen Währungen zwar keinen neuen geldpolitischen Schub verleihen. Grund zur Sorge sollte ihnen dies jedoch ebenfalls nicht bieten. Es gilt zu bedenken, dass die Zentralbanken die Zinszügel perspektivisch nur umsichtig lockern werden, so dass die Leitzinsen deutlich oberhalb ihrer Niveaus der vergangenen Jahre verbleiben dürften. Zusammen mit den dann erwarteten wieder spürbar niedrigeren Inflationsraten sollte den CE3-Währungen das Realzinsargument in die Hände spielen. Zudem dürften sich dann angesichts der von uns erwarteten Neuordnung der Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine auch die geopolitischen Risiken zurückgebildet haben, was wiederum dem globalen Risikosentiment und damit Zloty, Forint und tschechischer Krone zuträglich sein sollte. Darüber hinaus dürfte dann deutlich geworden sein, dass die momentan zu beobachtenden Stagflationssorgen überzogen waren. Und last but not least sei an dieser Stelle noch auf die von uns auf Jahressicht erwartete deutliche Euro-Erholung hingewiesen, von der die CE3-Währungen aufgrund der engen wirtschaftlichen und finanziellen Verflechtungen Osteuropas mit der E(W)U ebenfalls profitieren sollten.

*) Sandra Striffler ist Senior-Devisenanalystin bei der DZ Bank..

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.