Staatsanleihen

Politische Sorgen belasten Italien-Bonds

Die italienischen Staatsanleihen weisen Spread-Ausweitungen gegenüber Bundesanleihen auf. Politische Sorgen belasten die Bonds des Eurozonenperipheriestaats, meint die DZ Bank.

Politische Sorgen belasten Italien-Bonds

Von Sophia Oertmann*)

Seit Mitte Oktober ist die Post-Corona-Ruhe bei den Risikoaufschlägen italienischer Staatsanleihen (BTPs) gegenüber Bundesanleihen vorüber. Nachdem der zehnjährige BTP-Bund-Spread im Jahresdurchschnitt bis dahin bei gut 100 Basispunkten (BP) lag, hat er sich zuletzt auf bis zu 136 BP ausgeweitet. Daran konnte selbst die überraschende Ratingheraufstufung Italiens auf „BBB“ durch Fitch Anfang Dezember wenig ändern. Ausschlaggebend für die zuletzt gestiegenen Risikoprämien gegenüber Bundesanleihen sind in erster Linie politische Sorgen rund um die bevorstehende Wahl eines neuen Staatspräsidenten, welche ab dem 24. Januar stattfinden wird. Um die Brisanz der aktuellen Lage zu verstehen, bietet sich ein kurzer Rückblick auf 2021 an. Ministerpräsident Mario Draghi führt seit Februar ein breites Parteienbündnis an, das unter anderem die rechtspopulistische Lega, die sozialdemokratische PD und das linke Fünf-Sterne-Bündnis umfasst. Diesem ist es gelungen, die negativen wirtschaftlichen Pandemiefolgen einzudämmen und Italien, auch mithilfe einer expansiven Fiskalpolitik, zurück auf Wachstumskurs zu führen.

Seit die vorigen sechs Monate der Amtszeit des amtierenden Staatspräsidenten Mattarella begonnen haben, kann dieser keinen Auftrag mehr zur Bildung einer neuen Regierung erteilen. Daher hatte Premier Draghi die politischen Geschicke zuletzt fest im Griff und kann sich überdies über hohe Beliebtheitswerte in der Bevölkerung freuen. So gelang ihm auch die Durchsetzung wichtiger Reformen, die Voraussetzung für die Auszahlung­ der Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds­ NGEU sind und zu künftigem, höherem Potenzialwachstum beitragen können. Diese positiven Entwicklungen und insbesondere das zuletzt stärker als erwartet ausfallende Wirtschaftswachstum würdigte Anfang De­zember die Ratingagentur Fitch mit der Ratingheraufstufung Italiens – die erste Heraufstufung durch Fitch für das Land seit 2002.

Verbesserte Bonität

Dass trotz der leicht verbesserten Bonitätsbeurteilung der Ausweitungstrend bei BTP-Bund-Spreads fortbesteht, lag vor allem an zwei bestehenden Risikofaktoren: zum einen der bereits erwähnten Präsidentschaftswahl im Januar und zum anderen den Sorgen vor dem bevorstehenden Kurswechsel der EZB. Italien profitiert von den aktuell sehr günstigen Refinanzierungsbedingungen, welche insbesondere auf die Anleihekäufe im Rahmen des Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) der EZB zurückzuführen sind. Sobald die EZB ihre PEPP-Anleiheneukäufe wie angekündigt aber ab April 2022 reduzieren wird, dürfte es zu einer Refinanzierungslücke kommen, die durch das Crowding-in privater Investoren geschlossen werden müsste. Mit nachlassendem Absicherungseffekt seitens der EZB dürften diese allerdings höhere Risikoaufschläge fordern, so dass die Refinanzierungskosten für Italien weiter steigen könnten. Die hohe Gesamtverschuldung von gut 150% des BIP Ende 2021 hätte dann möglicherweise negative Auswirkungen auf die Bonität.

Zu diesen seit längerer Zeit bestehenden finanziellen Risiken gesellt sich jetzt noch der „umgekehrte Draghi-Effekt“ hinzu. Während Draghis Amtszeit als Ministerpräsident bislang von Stabilität geprägt war und auch in der EU große Anerkennung fand, führt nun die Sorge darüber, dass er Mattarella als Staatsoberhaupt beerben könnte, zu Unruhe an den Märkten. Auch wenn die nächsten regulären Parlamentswahlen bereits im Frühjahr 2023 stattfinden, erscheint ein Fortbestand der aktuellen Regierung ohne den parteilosen Vermittler Draghi ungewiss.

Im rechten Parteienspektrum erleben die oppositionellen rechtsnationalen Brüder Italiens (FdI) einen Höhenflug und liegen in den Wahlumfragen Kopf an Kopf mit Lega und PD. Die Lega hätte allerdings nur dann ein Interesse daran, die Regierung zu verlassen, wenn Parteichef Salvini die Aussicht hätte, nach einem Urnengang ein rechtes Bündnis anzuführen. In diesem Fall könnte die Partei eine Kandidatur Draghis als Staatspräsident unterstützen. Auch die Fünf-Sterne-Bewegung dürfte angesichts ihrer schlechten Umfragewerte vorerst versuchen, vorgezogene Neuwahlen zu verhindern. Daher könnte womöglich ein anderer Kandidat davon profitieren, dass einige Parteien Draghi gerne bis 2023 als Premierminister sehen würden. Bislang hat Silvio Berlusconi als Einziger offensichtliches Interesse an der Position des Staatsoberhauptes kundgetan.

Wenn es um die Vergabe der 1009 Stimmen bei der Wahl des Präsidenten geht, dürfte also nicht allein das klassische Links-rechts-Schema entscheidend sein, sondern auch taktische Überlegungen mit Blick auf die regulären Wahlen 2023. Draghi wiederum dürfte bei seiner Entscheidung über eine Kandidatur als Staatspräsident auch berücksichtigen, dass das Kräftemessen der großen Parteien angesichts der Parlamentswahlen 2023 bereits Mitte 2022 beginnen könnte. Dadurch dürfte die Zusammenarbeit seiner Regierungsmitglieder im Jahresverlauf womöglich weniger harmonisch werden als bislang. Als Staatspräsident käme ihm eine zentrale Rolle bei der Auswahl des nächsten Ministerpräsidenten zu – eine Verantwortung, die in Phasen häufiger Regierungswechsel nicht zu unterschätzen ist.

Sollte Draghi nicht für das Amt des Staatspräsidenten kandidieren und vorerst Premierminister bleiben, würde sich im Laufe des Jahres die Frage stellen, ob er bei den Parlamentswahlen 2023 als Spitzenkandidat einer der gemäßigten Parteien antritt. Während das Land unter einem Premier Draghi längerfristig auch wirtschaftlich aufholen könnte, dürfte Italien bei einem Rechtsbündnis mit Lega und FdI einen EU-kritischen Kurs einschlagen, der auch den Streit mit Brüssel wiederanheizen könnte. Bei der Auseinandersetzung im Jahr 2018/19 über den italienischen Haushalt weitete sich der BTP-Bund-Spread auf bis zu 326 BP aus. Aus Marktsicht wäre daher ein Verbleib Draghis im Amt des Ministerpräsidenten wünschenswert.

Tiefstände unwahrscheinlich

In Summe sprechen die erwartete Drosselung der EZB-Anleihekäufe sowie die steigende politische Unsicherheit daher für weitergehende Spread-Ausweitungen in den nächsten Monaten. Allerdings dürfte die EZB Gewehr bei Fuß stehen und im Markt intervenieren, sollten die Risikoprämien in unerwünschtem Maße überschießen. Schließlich bleibt das PEPP weiter Teil des Instrumentenkastens der Notenbank und kann notfalls reaktiviert werden. Wo jedoch die Definition von „unerwünschten“ Spread-Niveaus beginnt, ist den jeweiligen Rahmenbedingungen geschuldet. Fest steht: Eine Rückkehr zu den Tiefständen von 2021 sollte ähnlich unwahrscheinlich sein wie ein erneuter Anstieg auf frühere Höchststände. Eine weitere Zunahme der Risikoaufschläge dürfte dem jungen Wirtschaftsaufschwung Italiens allerdings mehr als ungelegen kommen und würde auch von den Ratingagenturen kritisch beäugt werden. Denn die Ratingheraufstufung durch Fitch hat keineswegs einen nachhaltig positiven Ratingtrend eingeleitet.

*) Sophia Oertmann ist Rentenmarktanalystin bei der DZBank.

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