Positive Stimmung für Metalle
An den Märkten für Industriemetalle ist die Stimmung momentan gut, die Preise erholen sich, trotz der Angebotsüberschüsse, die es bereits vor dem Ausbruch der Coronakrise gab. Möglicherweise wird an den Märkten unterschätzt, dass die Erholung der Weltwirtschaft eher schwach ausfallen dürfte.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtDie Preise der Industriemetalle sind in den vergangenen Wochen zunächst als Folge der Coronakrise recht unter Druck geraten, haben sich aber zuletzt wieder positiv entwickelt. Kupfer notiert noch um 18 % unter dem Preis vor einem Jahr, Aluminium um 17 %, Blei um 16 %, Zinn um 23 % und Zink um 31 %. Dabei fällt auf, dass die Preisrückgänge weniger ausgeprägt sind als bei den Energieträgern. So notiert beispielsweise Brent Crude aktuell um 72 % unter dem Preis von vor einem Jahr. Einige Metalle haben sich recht gut gehalten, so etwa Nickel, das derzeit auf dem Niveau von vor zwölf Monaten notiert. Zuletzt haben Kupfer und Zinn auf Monatssicht 9 bzw. 7 % hinzugewonnen.Für die auffällige Diskrepanz zwischen den Industriemetallen und den Energieträgern gibt es einige Gründe. Mit dem Lockdown in vielen Ländern ist die globale Ölnachfrage unmittelbar in die Knie gegangen. Zudem sind die Lagermöglichkeiten bei Rohöl in Kürze erschöpft, was nicht für die Industriemetalle gilt. Bei den Basismetallen hingegen wirkt sich der Lockdown aufgrund von Lagerbeständen nicht so schnell aus. Außerdem ist der Ölmarkt auch ein politischer Markt, wo es derzeit einen heftigen Preiskrieg und damit auch ein politisch gewolltes Überangebot gibt. Höhere PreiselastizitätIn früheren Rezessionen war die Entwicklung allerdings teilweise ganz anders. So betonen die Ökonomen der Weltbank, dass es in Rezessionen oftmals einen stärkeren Rückgang der Metallpreise im Vergleich zu den Ölpreisen gegeben habe, da es bei Ersteren eine höhere Preiselastizität der Nachfrage gebe. Das galt beispielsweise auch im Nachklang der Finanzkrise von 2007/08, als der Kupferpreis um bis zu 60 % einbrach (vgl. Grafik).Die jüngste Erholung und die positive Stimmung an den Märkten für Industriemetalle basieren darauf, dass die Lockdown-Maßnahmen in vielen Industrieländern inzwischen zurückgefahren wurden oder in Kürze abgemildert werden. So befand sich der Kupferpreis am Montag nach einem Anstieg von 2,5 % mit 5 269 Dollar je Tonne zeitweise auf dem höchsten Stand seit fast sechs Wochen. Produktion angelaufenEine große Rolle spielt dabei auch, dass die Industrieproduktion in China längst wieder angelaufen ist. Das Reich der Mitte ist für viele Industriemetalle der größte Verbraucher. China ist von der Pandemie deutlich früher getroffen worden als die anderen Industrieländer. Durch staatliche Gegenmaßnahmen, die wesentlich konsequenter ausgefallen sind als in den westlichen Staaten, konnte die Seuche im Wesentlichen auf die Provinz Hubei eingegrenzt werden. Daher ist das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal auch “nur” um 6,8 % eingebrochen. In den westlichen Industrieländern werden hingegen für das zweite Quartal BIP-Einbrüche von bis zu 25 % erwartet. Bereits Ende März meldete die chinesische Regierung, dass zumindest von den Großunternehmen 95 % wieder die Produktion aufgenommen haben, was selbst für die Provinz Hubei galt. Im März ist bereits der Einkaufsmanagerindex für die chinesische Industrie von dem äußerst schwachen Vormonatswert von 35,7 wieder auf 52 Punkte gestiegen, wobei Werte oberhalb von 50 Expansion in dem Sektor anzeigen.Allerdings sind Analysten der Meinung, dass die positive Stimmung an den Märkten für Industriemetalle besser ist als die Realität. “Die Preise profitieren allerdings nur von der guten Stimmung. Denn die harten Daten rechtfertigen den Preisanstieg unseres Erachtens nicht”, warnt Rohstoffanalyst Daniel Briesemann von der Commerzbank hinsichtlich Nickel. Einschränkung des AngebotsDabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht nur deutliche Rückgänge der Nachfrage gibt, sondern nach Einschätzung der Ökonomen der Weltbank auch Einschränkungen des Angebots an Industriemetallen. So verweist die Weltbank auf Branchenschätzungen, gemäß denen zumindest zeitweise 15 % der Kupferminen und 20 % der Zinkminen außer Betrieb waren oder mit deutlich geringerer Kapazität liefen. Der Eisenerzbergbau sei allerdings kaum betroffen, heißt es, da dessen Produktion hochautomatisiert vor sich gehe. Bei den Industriemetallen muss man sich die Märkte einzeln ansehen, da sich insbesondere das Angebot sehr unterschiedlich entwickeln kann. Dabei besteht aktuell das Problem, dass die für die vergangene Woche angesetzten Frühjahrstagungen der International Study Groups für die einzelnen Metalle aufgrund der Coronakrise abgesagt worden sind. Daher gibt es keine aktuellen Zukunftsprognosen hinsichtlich Angebot und Nachfrage.Immerhin hat die International Nickel Study Group am Freitag berichtet, dass sich der Überschuss auf dem Weltmarkt im Januar und im Februar auf hohe 27 300 Tonnen belaufen habe, während es in demselben Vorjahreszeitraum noch ein kleines Defizit von 4 100 Tonnen gegeben habe. Zurückzuführen sei dies auf eine um immerhin 6,5 % abgeschwächte Nachfrage. Zeitgleich sei das Angebot um 1,8 % gestiegen. Diese Daten stammen aber noch von vor dem Ausbruch der Coronakrise in weiten Teilen der Welt. Insofern sind sie für die aktuelle Lage wenig aussagekräftig. Nicht berücksichtigt ist beispielsweise, dass nach jüngsten, am Sonntag veröffentlichten Zahlen die chinesischen Importe an Nickelerz im März im Vorjahresvergleich um 42,3 % eingebrochen sind. Es handelt sich dabei um den schlechtesten Wert seit 25 Monaten, wobei es vor zwei Jahren die Besonderheit gegeben hatte, dass Indonesien auf einmal den Export von Erz verbot. Nur leicht gesunkenBei Kupfer hingegen, so Briesemann, sei die Nachfrage nur leicht gefallen, wohingegen das Angebot jedoch deutlich ausgeweitet worden sei. Nach den neuesten Daten der International Copper Study Group betrug das Überangebot an raffiniertem Kupfer im Januar 5 000 Tonnen, verglichen mit 54 000 Tonnen im Dezember. Im Januar 2019 hat es allerdings ein Defizit von 77 000 Tonnen gegeben. In China habe es in den Zolllagern im Januar einen Überschuss von 65 000 Tonnen gegeben, verglichen mit 71 000 Tonnen im Dezember. Korrelation zu AutoproduktionAluminium ist neben der Flugzeugproduktion in einem recht hohen Maß von der Automobilproduktion abhängig, wobei der Preis ein relativ hohe Korrelation zur Entwicklung der Automobilproduktion zeigt (vgl. Grafik). Bereits im Januar und Februar gab es gemäß dem World Bureau of Metal Statistics einen Angebotsüberschuss, und zwar von rund 680 000 Tonnen. Zwar hat die Automobilindustrie in China ihre Produktion bereits wieder aufgenommen, und in Europa und den USA sollen die Fabriken auch bald anlaufen. Dennoch ist damit zu rechnen, dass die Automobilnachfrage in den kommenden Monaten und Jahren deutlich schwächer ausfallen wird als bisher prognostiziert. Konsumenten, die aufgrund der Coronakrise deutliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssen, fahren ihre Autos einfach ein paar Jahre länger.Überschüsse gab es auch bei anderen Industriemetallen bereits im Januar und Februar, also vor dem vollen Ausbruch der Coronakrise in den Industrieländern. Wie das World Bureau of Metal Statistics berichtet, betrug der Überschuss bei Zink rund 120 000 Tonnen. Die International Lead and Zinc Study Group geht für Zink sogar von einem Überschuss von 188 000 Tonnen und für Blei von einem kleinen Überangebot von 16 000 Tonnen aus. Es ist davon auszugehen, dass sich die Überschüsse mit Ausbruch der Coronakrise ausgeweitet haben dürften, auch wenn man gegenrechnet, dass es zu Einschränkungen der Produktion gekommen ist. Worst-Case-SzenarioIn den kommenden Monaten wird sich mit Blick auf die weitere Entwicklung der Preise für Industriemetalle erweisen müssen, wie stark die Erholung der Weltwirtschaft ausfallen wird. Gemäß einem Worst-Case-Szenario der Bank für internationalen Zahlungsausgleich könnte beispielsweise das amerikanische Bruttoinlandsprodukt zum Jahresende immer noch um 12 % unter dem Vorjahresniveau liegen.Damit würde die Lage wesentlich schlimmer ausfallen als während der Rezession der Jahre 2008/09 als Folge der Finanzkrise. In den USA gibt es mittlerweile 26 Millionen Arbeitslose – wobei hier nur diejenigen gezählt werden, die auch Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben. Gemäß einer Studie von Oxford Economics sind insgesamt 40 % der Beschäftigten in den Vereinigten Staaten durch Arbeitslosigkeit oder Einkommenseinbußen betroffen. Für andere Industrieländer sehen die Zahlen zwar etwas besser aus, die Ökonomen von Nomura rechnen aber für die Eurozone damit, dass das Bruttoinlandsprodukt erst 2023 wieder das Niveau von vor der aktuellen Krise erreichen wird. Bereits nach der Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 fiel auf, dass sich die Weltwirtschaft dauerhaft auf einem neuen Pfad unterhalb des alten Expansionspfads vor der Krise entwickelte.So befand sich beispielsweise das amerikanische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung Ende vergangenen Jahres um rund 13 % unter dem Wert, den es ohne die Finanzkrise erreicht hätte. Die Finanzkrise löste somit die erste Rezession nach dem Zweiten Weltkrieg aus, nach deren Ende es keine Rückkehr zu alten Expansionspfaden gab. Die Coronakrise dürfte im Vergleich dazu noch wesentlich schwerwiegender werden, viele Ökonomen ziehen bereits den Vergleich zur Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre heran. Damals hatte erst der Zweite Weltkrieg mit seinen hohen staatlichen Rüstungsausgaben und nach dem Krieg der Wiederaufbau der Weltwirtschaft für ein Ende der Misere gesorgt. Zweite WelleDie allermeisten Prognosen von Ökonomen setzen zudem voraus, dass der beinahe weltweite Lockdown mit seinen schweren wirtschaftlichen Konsequenzen ein einmaliges Ereignis ist und dass es im kommenden Herbst und Winter nicht zu einer Rückkehr des Virus kommt. Eine solche Wiederkehr der Seuche ist aber nicht unwahrscheinlich, da die Lockdown-Maßnahmen in den westlichen Ländern nicht so weitgehend sind wie diejenigen in China und auch früher aufgehoben werden.Es ist daher zu vermuten, dass sich die derzeit positive Stimmung an den Märkten für Industriemetalle wieder deutlich eintrüben wird, wenn die Perspektive einer langanhaltenden Wirtschaftsflaute und möglicherweise eine Rückkehr des Virus deutlicher zu erkennen ist. Dann könnten die Preise der Industriemetalle noch einmal deutlich zurückgehen. Zumindest aber ist das Potenzial für eine weitere Erholung der Preise sehr begrenzt. Die Weltbank geht derzeit davon aus, dass die Preise der Indus-triemetalle im laufenden Jahr um rund 13 % fallen. Aber auch diese Prognose muss noch nicht das letzte Wort sein. Je nachdem, wie sich die Konjunktur entwickelt, könnte es auch noch schlimmer werden.