Poste Italiane vor geplanter Privatisierung ertragsstark
Geld oder Brief
Rom will mit Italiens Post Kasse machen
Teilverkauf im Oktober geplant - das ertragsstarke Unternehmen ist vor allem ein Finanzkonzern
bl Mailand
Von Gerhard Bläske, Mailand
Der italienische Staat ist finanziell klamm. Um Handlungsspielraum zu bekommen, will Rom Staatsbeteiligungen verkaufen: Auf der Liste steht auch die seit 2015 börsennotierte italienische Post (Poste Italiane). Aus dem Verkauf von 15% der Anteile, die der Staat direkt hält, will Rom offenbar noch im Oktober 2,5 Mrd. Euro erlösen. Zusammen mit der Beteiligung der mehrheitlich staatlichen Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (35%) behielte der Staat einen Anteil von 50% bei dem mit 119 300 Beschäftigten größten Arbeitgeber des Landes.
Investoren zeigten sich enttäuscht. Denn im Januar hatte die Regierung angekündigt, mehr Anteile abzugeben und den Free Float zu erhöhen.
Für das zweite Quartal hat die italienische Post Zahlen vorgelegt, die die Erwartungen klar übertrafen. Der Logistik-Konzern, der 45% seiner Einnahmen mit Finanzdienstleistungen und weitere 15% mit Versicherungen erzielt, konnte dank eines deutlich höheren Zinsüberschusses seinen Umsatz auf 3,1 Mrd. Euro steigern. Zum operativen Gewinn, der um 10% auf 782 Mill. Euro wuchs, trugen Finanzdienstleistungen wie Girokonten, Spareinlagen, die Vergabe von Krediten oder die Vermögensverwaltung 30% und das Versicherungsgeschäft die Hälfte bei. Bei dem um 7% auf 525 Mill. Euro gestiegenen Gewinn war die Verteilung ähnlich.
Analyst Gianluca Ferrari von der Mediobanca hebt hervor, dass Einnahmen und Gewinn auch im Paket-, Brief- und Mailgeschäft stärker gestiegen sind als erwartet, ebenso wie im Sektor Zahlungssysteme, Mobiltelefonie und Digital. Er erhöhte das Kursziel des Unternehmens, das an der Börse derzeit mit 16,2 Mrd. Euro bewertet ist und dessen Kurs binnen zwölf Monaten um 22,5% zugelegt hat, von 13,50 auf 14,50 (derzeit: 12,31) Euro und gibt eine Kaufempfehlung ab. Das KGV von 9,11 und das Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,8 sind eher attraktiv. Auf Basis von Analystenschätzungen dürften sich die beiden Werte im Jahresverlauf Richtung 8,4 bzw. 1,33 entwickeln.
Scope Ratings bestätigt die BBB+Bewertung mit stabilem Ausblick. Positiv hervorgehoben werden die diversifizierte Struktur, solide Finanzen und eine geringe Verschuldung. Negativ ins Gewicht fällt laut Scope eine starke Abhängigkeit von wirtschaftlichen und finanziellen Schwankungen.
Großes Filialnetz
Die italienische Post hat im Vergleich zur DHL (früher: Deutsche Post) deutlich mehr Filialen: Rund 13.000. Während die Banken ihr Filialnetz massiv ausdünnen, verzichtet die Poste Italiane darauf bewusst. Sie baut sogar ihre Geschäftsstellen in 7.000 kleinen Kommunen aus. Die Italiener sollen dort auch Dokumente wie Pässe oder Personalausweise direkt bestellen und abholen können. Zwei Drittel der Kosten von 1,3 Mrd. Euro für die Umrüstung finanziert die EU im Rahmen des europäischen Wiederaufbauprogramms NextGeneration. Stefano Caselli, Dekan der Mailänder SDA Bocconi School of Management, sagte der Börsen-Zeitung: „Die italienische Post hat ein sehr dichtes Filialnetz und ist trotzdem sehr effizient.“
Post-Chef Matteo Del Fante peilt in seinem Vier-Jahres-Plan bis 2028 etwa 700 Mill. Euro höhere Einnahmen im Post- und Paketgeschäft an, das 2023 nach vielen Verlustjahren die Gewinnschwelle erreicht hat. In Konkurrenz etwa zu Amazon soll das schrumpfende Briefgeschäft durch ein deutliches Wachstum im Paketgeschäft ausgeglichen werden. Für bestimmte Produkte in urbanen Gebieten verspricht Del Fante sogar eine Lieferung innerhalb von vier Stunden nach Bestellung und will Logistikzentren bauen. Das ist ehrgeizig. Derzeit kommt etwa im Briefdienst mehr als die Hälfte der Sendungen nicht innerhalb der zugesicherten vier Tage an.
Italiens Post setzt auf Kooperationen mit DHL, mit der zusammen rund 10.000 Paketstationen in Italien errichtet werden sollen, sowie dem deutschen Logistik-Konzern Sennder. Außerdem sind Transporte etwa von Pharma-Produkten oder Lebensmitteln geplant.
Doch selbst wenn sich Del Fantes Hoffnungen erfüllen sollten, bliebe der Gewinnbeitrag der Brief-, Paket- und Logistiksparte relativ gering im Vergleich zu den anderen Geschäftsfeldern.
Italiens Post ist vor allem eine Bank und eine Versicherung. Mit zusätzlichen spezialisierten Finanzberatern will sie im Finanzsektor weiter zulegen. Sie verwaltet Sparvermögen von rund 600 Mrd. Euro. Mit Bruttoprämieneinnahmen von 18 Mrd. Euro gehört die Post zu den größten Versicherern des Landes, besonders bei Leben- und Krankenversicherungen.
Del Fante will durch Effizienzgewinne und Digitalisierung die Kosten senken und den Personalbestand bis 2028 auf 113.000 reduzieren. Das soll durch Vorruhestandsregelungen geschehen. Gleichzeitig sollen jüngere Arbeitskräfte eingestellt werden, um den eingeleiteten Generationswechsel zu unterstützen.
Die Einnahmen des um die Jahrtausendwende sanierten Instituts sollen bis 2028 von 12,1 auf 13,5 Mrd. Euro steigen, der Nettogewinn von 1,9 auf 2,3 Mrd. Euro. Und die Aktionäre sollen binnen vier Jahren 6,5 Mrd. Euro in Form von Dividenden erhalten. Zu wenig, finden Analysten, angesichts eines Überschusskapitals von 3,8 Mrd. Euro, das außer in mögliche Akquisitionen auch in Ausschüttungen fließen könnte.