Tech-Branche

Profitabler dank Digitalisierung

Das vergangene Jahr war für die Technologiebranche außergewöhnlich. Mit den ersten Lockdowns ab März 2020 und der damit verbundenen weltweiten Vollbremsung der Volkswirtschaften gingen auch bei Technologieunternehmen Aufträge zurück – Projekte...

Profitabler dank Digitalisierung

Von Nina Kilb*)

Das vergangene Jahr war für die Technologiebranche außergewöhnlich. Mit den ersten Lockdowns ab März 2020 und der damit verbundenen weltweiten Vollbremsung der Volkswirtschaften gingen auch bei Technologieunternehmen Aufträge zurück – Projekte wurden verschoben oder gleich ganz gestrichen und Bestellvolumina reduziert. Viele Unternehmen griffen in ihrer Planung auf die Erfahrungen aus der Finanzkrise zurück, in der sich die Nachfrage nach einem heftigen Rückgang nur langsam erholte. Allerdings zeichnete sich im Sommer 2020 mit sinkenden Inzidenzen bereits eine Erholung der Nachfrage ab. Innerhalb des Sektors verlief die Entwicklung heterogen. Solide entwickelten sich 2020 vor allem die Bereiche Software (+2%) und Halbleiter (+5%). Rückläufig waren dagegen die Umsätze bei den Netzwerkausrüstern (–5%), Anbietern von Equipment für den Mobilfunk (–1%), dem Bereich IT-Services (–3%) sowie einigen Hardwarekomponenten (Drucker –15%, externe Speicher –7%). Die Ratingagentur S&P prognostizierte im Dezember für 2020 einen für die Branche eher ungewöhnlichen Rückgang der gesamten IT-Ausgaben von 2,8%. Für 2021 erwartet S&P ein moderates Wachstum von 3,4%.

Neue Distanzlösungen

Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung erforderten plötzlich auch in Lebensbereichen und Branchen, die hiermit bisher wenig Erfahrung hatten, den Umstieg auf Distanzlösungen. Marktbeobachter wie McKinsey und IDC schätzen, dass durch Corona die Digitalisierung um fünf Jahre beschleunigt wurde. Um schnell im Distanzbetrieb arbeitsfähig zu sein, wurden digitale Lösungen häufig im Schnellverfahren, ohne Einhaltung der sonst üblichen Beschaffungswege, implementiert. Herausforderungen waren dabei zum einen Budgetrestriktionen bei eingeschränkter Verfügbarkeit von Hardware und zum anderen die Notwendigkeit, flexibel einsetzbare und für einen Remote-Zugriff geeignete Lösungen und Anwendungen zu finden. Diese Anforderung erfüllen vor allem cloudbasierte Anwendungen und Hybrid-Cloud-Lösungen. Vorteile der Cloud gegenüber einer Lizenzlösung sind nicht nur, dass sich die Kosten über die Vertragslaufzeit verteilen, sondern auch eine größere Flexibilität hinsichtlich des Nutzungsumfangs. Des Weiteren sind sie besser auf die Anforderungen eines von Distanzlösungen geprägten Umfelds abgestimmt. Lizenzsoftware litt dagegen 2020 nicht nur unter dem Trend zum Umstieg auf Cloud-Lösungen, sondern auch unter einer dem ungewissen konjunkturellen Umfeld geschuldeten starken Zurückhaltung bei der Um- und Aufsetzung größerer IT-Projekte. Großes Wachstumspotenzial sehen wir bei den cloudbasierten Lösungen und künstlicher Intelligenz, da bisher nur ein Bruchteil der unternehmenskritischen Daten und Anwendungen über die Cloud abrufbar ist (Schätzung IBM: 25%).

Kleine Sonderkonjunktur

Ungewohnt gefragt waren 2020 auch einige Hardwarekomponenten. PCs, Laptops und Tablets profitierten nach einer kleinen Sonderkonjunktur im Vorjahr (Umstieg auf Windows 10) von einem durch Homeoffice und Homeschooling entstandenen neuen Bedarf. Dieser positive Trend setzte sich bisher im neuen Jahr fort. Ebenfalls stark gefragt war der Bereich Gaming – und zwar nicht nur die über die App-Stores von Apple und Google verfügbaren Spiele, In-App-Käufe oder Spieleabos, sondern auch Konsolen. Der Markt für Halbleiter konnte sich im Jahr 2020 von Auftragskürzungen und -stornierungen im Frühjahr zügig erholen und verzeichnete für das Gesamtjahr ein Wachstum von 5%. Für das laufende Jahr wird ein Anstieg im mittleren einstelligen Prozentbereich erwartet. Die Branche profitiert dabei neben dem coronabedingten Digitalisierungsschub in vielen Lebensbereichen auch von dem Trend zu erneuerbaren Energien, 5G, Smart Home und E-Mobilität, die allesamt eine steigende Nachfrage nach Halbleitern zur Folge haben. Wie stark diese zuletzt gestiegen ist, zeigen auch die zunehmenden Meldungen über Lieferengpässe bei Halbleitern, die immer mehr Branchen betreffen.

Gut behauptet

Bonitätsmäßig konnten sich die Technologieunternehmen 2020 insgesamt gut behaupten. S&P nahm im US-Technologiesektor, dem die meisten von der Agentur bewerteten Unternehmen angehören, 2020 zwar mehr negative Ratingaktionen vor als 2019, allerdings waren diese Maßnahmen auf das erste Halbjahr und Emittenten im unteren Bereich der Ratingskala (High Yield) begrenzt. Im zweiten Halbjahr wurden mit der stärker als erwartet einsetzenden wirtschaftlichen Erholung einige dieser Aktionen wieder zurückgenommen. Dieser Schwung sollte auch 2021 anhalten. Besonders positiv entwickelten sich Anbieter von Software und Halbleitern.

In diesem Umfeld konnte vor allem der Branchenprimus Microsoft mit seiner breiten Diversifizierung und Abdeckung aller in der Pandemie besonders gefragten Bereiche profitieren. Das Unternehmen verzeichnete in dem zum 30. Juni endenden Geschäftsjahr 2020 ein kräftiges Umsatzwachstum von 14% auf 143 Mrd. Dollar und legte im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2021, das dem zweiten Kalenderhalbjahr 2020 entspricht, um 15% zu. Damit wurde der Branchenprimus einmal mehr seiner Rolle als Taktgeber der Branche gerecht. Ähnliches gilt für Apple, die im Geschäftsjahr 2020 (per 30.9.) einen Umsatzanstieg von 6% auf 274,5 Mrd. Dollar verbuchen konnten und von einer verstärkten Nachfrage nach Laptops, Tablets und Anwendungen des Apple Stores profitierte. Dieser Trend setzte sich im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2021 (viertes Quartal 2020) mit einem Umsatzanstieg von 21% fort. Bei IBM und SAP (beide bilanzieren zum 31. De­zember) konnte das Wachstum der cloudbasierten und nicht trans­aktionsabhängigen Geschäftsbereiche den Rückgang in den von der Pandemie stärker betroffenen Bereichen wie Lizenzsoftware oder Consulting zumindest weitgehend kompensieren. Insgesamt ver­buchte SAP einen moderaten Umsatzrückgang von 1% auf 27,3 Mrd. Euro und IBM von 4,6% auf 73,6 Mrd. Dollar.

Langfristige Trends

Der Chiphersteller Infineon profitierte nicht nur von dem Digitalisierungstrend (inklusive Internet der Dinge, KI und 5G), sondern auch von weiteren langfristigen Trends wie erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Elektromobilität und Sicherheit. Darüber hinaus wurde im April 2020 die Übernahme von Cypress abgeschlossen, so dass trotz Unterauslastung im Frühjahr für das Geschäftsjahr 2020 (per 30.9.) ein Umsatzanstieg von 7% auf 8,6 Mrd. Euro verbucht werden konnte. Im Schlussquartal des Kalenderjahres 2020 (erstes Quartal 2021) schlug sich mit einem Umsatzanstieg von 37% neben der Einbeziehung von Cypress bereits die stark gestiegene Nachfrage nach Halbleitern nieder.

*) Nina Kilb ist Senior-Credit-Analystin bei der DZBank.