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Quality-Growth-Strategien langfristig aussichtsreich

Börsen-Zeitung, 16.5.2017 Seit einigen Monaten entwickeln Value-Aktien sich tendenziell besser als Growth-Werte. Das heißt: Aktien, die mit einem Abschlag auf ihren inneren Wert gehandelt werden, haben die Nase vorn gegenüber Aktien von Unternehmen...

Quality-Growth-Strategien langfristig aussichtsreich

Seit einigen Monaten entwickeln Value-Aktien sich tendenziell besser als Growth-Werte. Das heißt: Aktien, die mit einem Abschlag auf ihren inneren Wert gehandelt werden, haben die Nase vorn gegenüber Aktien von Unternehmen mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten. Ist die jahrelange Outperformance von Growth-Werten damit vorüber, oder handelt es sich lediglich um ein kurzes Value-Intermezzo? Fokus auf FaktorenGrundsätzlich sind Stilrotationen, bei denen Anleger ihren Fokus von einem Renditefaktor auf einen anderen verlagern, nichts Neues. Denn in den meisten Investmentzyklen liefern die Faktoren Wachstum (Growth) und Bewertung (Value) zu unterschiedlichen Zeitpunkten Überrenditen. Aus Investorensicht ergeben sich zwei Fragen: Wie lange wird die aktuelle Value-Rally anhalten, bevor Growth-Strategien wieder Fahrt aufnehmen? Und welcher der beiden Anlageziele liefert langfristig betrachtet, sprich über mehrere Investmentzyklen hinweg, attraktivere Renditen?Um die erste Frage zu beantworten, bietet sich zunächst ein Blick auf historische Muster am Kapitalmarkt an. Dabei zeigt sich, dass Trends hin zu Value-Aktien meist zwischen drei und sechs Monaten andauern, also eher kurzlebig sind. Der aktuelle Value-Trend könnte noch etwas Luft nach oben haben, vor allem angesichts der Aussicht auf fiskalpolitische Anreize in den USA. Schließlich spielten die Ankündigungen von US-Präsident Donald Trump, Regulierung abzubauen, Steuern zu senken und staatliche Investitionen zu fördern, als Auslöser der jüngsten Value-Rally eine entscheidende Rolle. Denn, so könnte man das Kalkül an den Märkten auf den Punkt bringen: Wenn das Umfeld für allgemein steigende Kurse spricht, bieten niedrig bewertete Value-Aktien dann nicht den effizientesten Zugang zum damit verbundenen Kurspotenzial? Der Gewinn liegt einer alten Kaufmannsweisheit zufolge bekanntlich im Einkauf. Wachstumstrend wichtigAllerdings preisen die Märkte derzeit offenbar ein, dass Trump seine Ankündigungen aus dem Wahlkampf mehr oder minder vollständig umsetzen wird. Insofern besteht Rückschlagpotenzial für den Fall, dass es anders kommt – was aus unserer Sicht nicht unwahrscheinlich ist. Darüber hinaus könnte Trump mit etwaigen protektionistischen Maßnahmen das Wachstum dämpfen. Sobald Anleger unter diesen Umständen wieder stärker zwischen Aktien, die echten Wert liefern, und Aktien, die aus gutem Grund günstig sind, unterscheiden, tritt der Value-Ansatz der historischen Erfahrung zufolge wieder in den Hintergrund. Quality-Growth-Ansätze erleben dann erfahrungsgemäß ein Comeback – zumal sie nach der gedämpften Entwicklung der vergangenen Monate nun wieder günstiger bewertet sind.Mit Blick auf die Frage, ob Value- oder Growth-Strategien langfristig attraktivere Renditen erzielen, ist der langfristige globale Wachstumstrend entscheidend. Dieser ist klar: In den vergangenen 50 Jahren hat sich das Wachstum des weltweiten Bruttoinlandsproduktes schrittweise verlangsamt. Vor diesem Hintergrund haben die Unternehmen in den Jahren bis 2016 ihre Gewinne kaum noch gesteigert. Die einzigen Wachstumsimpulse gingen mehr oder minder von China aus. Denn die Investitionen des Landes stützten die Rohstoffpreise und kamen so den Rohstoff- und Energieunternehmen zugute. Mit der Umstellung der chinesischen Wirtschaft auf ein vorwiegend konsumorientiertes Wachstumsmodell hat dieser Effekt in den vergangenen zwölf bis 18 Monaten jedoch nachgelassen. Das heißt, die Weltwirtschaft dürfte in den kommenden Jahren eher verhalten wachsen.Dieser langfristige globale Wachstumstrend spricht für Growth-Aktien. Denn Werte von Unternehmen mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten sind von der allgemeinen Wachstumsdynamik weniger abhängig. Investoren sollten sich jedoch nicht von schillernden Wachstums-Stories blenden lassen. Insofern gilt es, sorgfältig auszuwählen und den Faktor Growth um den Faktor Qualität (Quality) zu ergänzen. Dabei bezieht der Qualitätsaspekt sich auf starke Wettbewerbsvorteile – gewöhnlich gekennzeichnet durch eine hohe Eigenkapitalrendite – die Unternehmen zu langfristigen Gewinnern machen. Fünf VorteileZu diesen Wettbewerbsvorteilen gehören erstens immaterielle Vermögenswerte wie Marken oder Patente, die verhindern, dass neue Wettbewerber in den Markt eintreten – siehe den Konsumgüterhersteller Colgate-Palmolive. Zweitens spielen wie beim US-Großhändler Costco Kostenvorteile eine Rolle, denn der kostengünstigste Produzent kann seine Konkurrenten aus dem Markt drängen. Günstig wirkt drittens der Netzwerkeffekt, indem der Wert einer Dienstleistung steigt, je mehr Menschen diese nutzen – etwa beim chinesischen Internetunternehmen Tencent. Das US-Technologieunternehmen Thermo Fisher verdeutlicht viertens den Vorteil der optimalen Betriebsgröße. Und fünftens wirken Kosten, die mit dem Wechsel des Anbieters verbunden sind, günstig – siehe den britischen Medienkonzern RELX Group. Ohne diese fünf Vorteile würde der Wettbewerbsdruck die Unternehmensgewinne vermutlich schnell aufzehren.—-William Davies, Leiter für globale Aktienstrategien bei Columbia Threadneedle Investments