Anleihemärkte

Reflation Trade droht das Aus

Viele Marktteilnehmer erwarten eine Konjunkturbeschleunigung und damit eine stärkere Inflation sowie höhere Bondrenditen. Deshalb haben sie den Reflation Trade­ aufgesetzt. Doch dieser könnte durchaus ins Leere laufen. Denn die EZB und die Fed setzen auf anhaltend niedrige Leitzinsen. Das drückt Bondrenditen.

Reflation Trade droht das Aus

Von Kai Johannsen, Frankfurt

Kommt nun die globale Konjunkturerholung, oder wird es ein Strohfeuer aus Einmaleffekten, die dann doch nicht zur wirtschaftlichen Aufwärtsbewegung führen? Die Antwort auf diese Frage wird die Entwicklung der Leitzinsen und damit der Anleiherenditen an den europäischen Bondmärkten, aber auch am US-Staatsanleihemarkt maßgeblich bestimmen.

Viele Marktteilnehmer gehen davon aus, dass es durch die angelaufenen Impfprogramme zu einer schnellen Überwindung der Pandemie kommen wird und dass in der Folge eine kräftigere Konjunkturerholung einsetzen wird. Vor diesem Hintergrund wurden seit Ende des vergangenen Jahres verstärkt die sogenannten Reflation Trades aufgesetzt. Denn sollte es zu einer Konjunkturerholung kommen, so müsste aufgrund der verstärkten Nachfrage nach Konsum- und auch Investitionsgütern die Inflation anziehen. Dies würde über kurz oder lang auch die Notenbanken auf den Plan rufen: Die Leitzinsen müssten zwecks Eindämmung des Teuerungsdrucks angezogen werden. Diese Perspektive nehmen die Anleihemärkte vorweg, die Bondrenditen steigen also. Dies ist in den vergangenen Wochen und Monaten zu beobachten gewesen.

Mehr und mehr Marktteilnehmer stellen sich aber mittlerweile darauf ein, dass es unter anderem aufgrund von Rückschlägen in den laufenden Impfprogrammen nicht zu dieser schnellen Erholung bzw. der erwarteten Intensität der Erholung der Konjunktur kommen wird. Damit würde es dann nicht zur Reflationierung der Wirtschaft, also steigenden Inflationsraten, kommen. Der Reflation Trade würde ins Leere laufen.

Hinzu kommt laut Marktteilnehmern aber noch ein weiterer Effekt. Aufgrund der Pandemie und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Beeinträchtigungen ist in der Wirtschaft und auch in der Gesellschaft die Unsicherheit hoch. Unsicherheit bedeutet laut Analysten auch immer wieder, dass sich Wirtschaftssubjekte bei Konsum oder Investitionsentscheidungen zurückhalten. Auch das bremst dann verständlicherweise die Erholungsbewegung der Wirtschaft ab. An den Kapitalmärkten ist in solchen Phasen immer wieder zu beobachten, dass die Investoren aufgrund der Unsicherheit die sicheren Häfen bei ihren Anlageentscheidungen bevorzugen. Gefragt sind in solchen Situationen Gold und sichere Staatsanleihen wie die Bundespapiere und die US-Staatsanleihen­. Dies bremst den Renditeauftrieb immer wieder ab.

Des Weiteren ist auch zu berücksichtigen, dass allein aufgrund des Reflation Trades – sollte er denn erfolgreich sein und zu weiter steigenden Staatsanleiherenditen führen – Anleger bei höheren risikolosen Verzinsungen im Staatstitelbereich zugreifen. Es ist zu erwarten, dass Anleger wie Pensionsfonds oder Versicherer bei zehnjährigen Bund-Renditen im positiven Bereich vermehrt investieren werden, nur um sich diese positive Rendite zu sichern. Das zeigte sich auch schon in früheren Krisenphasen.

Günstige Bedingungen

Zudem hat die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, wiederholt für die Eurozone klargestellt, dass die Leitzinsen auf mittlere Sicht nicht steigen werden. Die EZB ist an einer Erhaltung der günstigen Finanzierungsbedingungen in der Eurozone interessiert und wird zu dieser Erhaltung beitragen, so dass sich Staaten und Unternehmen weiter günstige Fremdmittel über die Kapitalmärkte beschaffen können. Das bedeutet auch, dass die Unternehmen recht fleißig Anleihen emittieren werden, um sich weiter ausreichend solide Kapitalpolster anzulegen.

Oftmals ist auch Aufwärtsdruck bei den Bund-Renditen zu beobachten, der seinen Ursprung in den USA hat. Doch auch bei der US-Notenbank Fed ist nicht mit schnellen Leitzinssteigerungen zu rechnen, und damit dürfte auch dort der Reflation Trade, der die US-Staatsanleiherenditen nach oben getrieben hat, ins Leere laufen. So lautet mittlerweile die Einschätzung vieler Marktteilnehmer. Der Offenmarkt-Ausschuss der US-Notenbank dürfte auf seiner nächsten Sitzung, die am Dienstag beginnt und bis Mittwoch dauert, ihre Botschaft bekräftigen, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Dringlichkeit für eine Normalisierung der US-Geldpolitik besteht. Diese Einschätzung gibt Franck Dixmier, Global Chief Investment Officer (CIO) Fixed Income bei Allianz Global Investors, ab. „Vor dem Hintergrund eines gemischten Ausblicks – einerseits starke Erholungssignale, andererseits anhaltende pandemiebedingte Schwächeanzeichen – erwarten wir, dass die Fed pragmatisch vorgeht und die Beschäftigungs- und Inflationszahlen im Auge behält“, sagt er. Dieser Ansatz sei für Investoren beruhigend, aber der sehr zurückhaltende Ansatz der Fed – „behind the curve“, also lieber zu spät als zu früh reagieren – sei nicht ohne Risiko.

„Von der am 27. und 28. April anstehenden Fed-Sitzung erwarten wir keine Änderungen der geldpolitischen Ausrichtung der US-Notenbank. Vielmehr dürfte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell die Botschaften wiederholen, die er bereits in den vorigen Interviews vermittelt hat. Die US-Wirtschaft befindet sich an einem Wendepunkt. Die Aussichten auf eine Erholung sind gut, wie die Beschleunigung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen zeigt“, so Dixmier. Im März wuchs die Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft um 916000, verglichen mit einem erwarteten Arbeitsplatzzuwachs von 647000. Diese Erholung konzentriere sich jedoch auf bestimmte Wirtschaftszweige und sei noch nicht breit genug, um Vollbeschäftigung wiederherstellen zu können.