GASTBEITRAG

Risikoarme Aktien erzielen langfristig höhere Erträge

Börsen-Zeitung, 17.3.2017 Für viele Investoren gilt nach wie vor der Glaubensgrundsatz, dass sich eine höhere Rendite ausschließlich über ein größeres eingegangenes Risiko erzielen lässt. Diese vermeintlich positive Beziehung zwischen Rendite und...

Risikoarme Aktien erzielen langfristig höhere Erträge

Für viele Investoren gilt nach wie vor der Glaubensgrundsatz, dass sich eine höhere Rendite ausschließlich über ein größeres eingegangenes Risiko erzielen lässt. Diese vermeintlich positive Beziehung zwischen Rendite und Risiko ist eine zentrale Erkenntnis in gängigen Kapitalmarktmodellen wie dem CAPM (Capital Asset Pricing Model). Ob dieses Dogma auch in der Praxis Bestand hat, ist dagegen fraglich. Die Robeco-Analyse “High Returns from Low Risk – Der Weg zum eigenen stabilen Aktien-Portfolio” setzt sich daher kritisch mit dieser Annahme auseinander – und kann sie sogar widerlegen. 10,2 Prozent jährlichDie Auswertung von Daten über einen Zeitraum von mehr als 85 Jahren zeigt: Am US-Markt hat eine Anlage in risikoarme Aktien eine höhere Rendite erzielt als eine Anlage in risikoreiche Aktien. Das Vorgehen ist hierbei denkbar einfach: Jedes Quartal werden die 1 000 liquidesten Aktien nach ihrer Dreijahresvolatilität (die Schwankung der Renditen) sortiert und dann die 100 Aktien mit der niedrigsten beziehungsweise höchsten Volatilität jeweils in ein Portfolio zusammengefasst. Diese Analyse wird quartalsweise wiederholt, und die Portfolios werden dann entsprechend angepasst.Die Ergebnisse sind erstaunlich. So erzielte das risikoarme Portfolio seit dem Januar 1929 eine annualisierte Rendite von 10,2 %, während beim risikoreichen Portfolio lediglich ein Ertrag von 6,4 % zu Buche steht. Gewissermaßen ähnelt dieser Wettlauf dem von Hase und Schildkröte. Ein Gleichnis, das ohne weiteres auf den Kapitalmarkt übertragbar ist. Denn die Beständigkeit und Ausdauer der risikoarmen “Schildkröten”-Aktien können die schnellen, aber schwankungsintensiven “Hasen”-Aktien über eine längere Distanz schlagen.Und hier liegt das Geheimnis: In fallenden Marktphasen verliert das risikoarme Portfolio deutlich weniger an Wert als sein risikoreiches Pendant. Schwankungsarme Aktien erholen sich demnach schneller als risikoreiche und erreichen beispielsweise nach einem Börsen-Crash auch entsprechend schneller ihr ursprüngliches Ausgangsniveau. Dies ist keine höhere Mathematik, sondern lediglich der altbekannte Zinseszinseffekt. Verliert ein Portfolio 10 % an Wert, braucht ein Investor nur eine Kurserholung von 11 %, um den alten Stand wieder zu erreichen. Verliert ein Portfolio dagegen weitere 30 %, wird bereits ein Kursplus von 43 % benötigt, um wieder bei null anzukommen.Welche Schlüsse können Investoren daraus ziehen? Zum einen sollte sich die Aktienauswahl für einen konservativen Anleger nicht allein auf Risikofaktoren wie Volatilität oder Aktienmarkt-Beta beschränken. Nützlicher wäre, in einem risikoarmen Portfolio unter anderem Bewertungsfaktoren (Value) zu berücksichtigen – ein Grundkriterium des Investierens.Zum anderen eignet sich der Faktor Kurstrend, oder Momentum, einer Aktie als weiterer Baustein. Die Kombination der Faktoren Value und Momentum wirkt als Korrektiv, denn im Resultat wird vermieden, risikoarme Aktien zu teuer zu kaufen beziehungsweise auch jene Titel auszuwählen, die stetig an Wert verlieren. Unsere Auswertung zeigt: Investoren, die diese beiden Komponenten zusätzlich berücksichtigt haben, erzielten mit ihrem sogenannten konservativen Portfolio eine jährliche Rendite von rund 15 %. Produkt und MentalitätsfrageWie kann ein Investor aber nun eine solche Strategie selber umsetzen? Hier führen verschiedene Wege zum Ziel. So können Investoren ihr konservatives Portfolio unter Zuhilfenahme von frei verfügbaren Aktienmarktfiltern selbst zusammenstellen. Alternativen stellen Exchange Traded Funds (ETFs) oder aktiv gemanagte Aktienfonds dar, die diese Low-Risk-Kapitalmarktanomalie gezielt ausnutzen. Aus Investorensicht ist allerdings bei der Auswahl dieser Produkte Vorsicht geboten, da sich die verschiedenen Ansätze merklich in Bezug auf die Aktienauswahl, die Portfoliokonstruktion und die Umschlaghäufigkeit des Portfolios unterscheiden können.Zudem gilt: Produktauswahl ist das eine, “Kopfsache” das andere. Das richtige – oder vielleicht besser realitätsorientierte – Erwartungsmanagement mit Blick auf die eigene Anlagestrategie ist ein ebenso wichtiger Baustein. Die Frage lautet, welche Mentalität ein Low-Risk-Investor bestenfalls an den Tag legen sollte. Die Investmentpraxis lehrt uns: Ein konservativer Anleger sollte gewappnet sein, bei stärkeren Marktphasen auch niedrigere Erträge als der Markt hinnehmen zu können. Gewiss keine leichte Aufgabe, wenn andere Investoren dagegen von ihren Profiten in einer Börsenhochstimmung berichten.Inwieweit müssen konservative Anleger fürchten, dass sich die Kapitalmarktnische “Low-Vol” angesichts steigender Nachfrage schließen könnte? Die von Robeco als Buch veröffentlichte Faktoranalyse “High Returns from Low Risk” erläutert, warum eine solche Strategie langfristig funktionieren kann, auch wenn immer mehr Marktteilnehmer sich der Low-Risk-Anomalie bewusst werden. So müssen viele professionelle Fondsmanager jedes Quartal ihren Vergleichsindex schlagen, um Kunden und auch Vorgesetzte zufriedenzustellen. Welcher Manager möchte schon gerne dem Markt hinterherlaufen, wenn Hochstimmung am Kapitalmarkt herrscht und Anleger ihre Gelder verstärkt in Aktien investieren wollen? Neben diesem Karriererisiko-Faktor verleitet auch der Wunsch nach schnellem Reichtum, also der Faktor Gier dazu, den Low-Risk-Effekt zu ignorieren. Das sind nur zwei Gründe, warum risikoarme Aktien auch in Zukunft von zahlreichen Marktteilnehmern keine Beachtung finden werden.Unser Ziel ist, mit “High Returns from Low Risk” Investoren alle Werkzeuge und Hintergründe an die Hand zu geben, um langfristig als erfolgreicher konservativer Anleger am Kapitalmarkt bestehen zu können. Denn das Fazit lautet: Um erfolgreich am Aktienmarkt Geld zu verdienen, müssen keine zu hohen Risiken eingegangen werden.—-Bernhard Breloer, Factor-Investing-Spezialist bei Robeco Deutschland —-Pim van Vliet, Fondsmanager Conservative-Equities-Strategien bei Robeco